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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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178 Wesensbereich der Wahrheit - Wesen der Wissenschaft<br />

se<strong>in</strong>s. Aber gerade das Eigenartige <strong>die</strong>ser Art und Weise ist es, was<br />

wir suchen. Gibt <strong>die</strong> Kennzeichnung derselben als »theoretisch«<br />

h<strong>in</strong>reichend Aufschluß?<br />

Theoretisch heißt: betrachtendes Verhalten - aber nicht jedes<br />

Betrachten und Beschauen von etwas nennen wir schon Wissenschaft.<br />

(Beschauliches Dase<strong>in</strong> ist ke<strong>in</strong>e Wissenschaft.) Selbst<br />

wenn wir Betrachtung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ausgezeichneten S<strong>in</strong>ne als Schau<br />

und Versenkung nehmen, als Verhalten des Mystikers, so sagen<br />

wir schon mit der letzten Bezeichnung, daß gerade <strong>die</strong>se contemplatio<br />

von der Wissenschaft recht weit entfernt, ja grundsätzlich<br />

geschieden i~t, wenn anders Wissenschaft sogar der Fe<strong>in</strong>d aller<br />

Mystik bleibt.<br />

Aber selbst wenn man das theoretische Verhalten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

nicht mystischen S<strong>in</strong>ne faßt und »theoretisch« als bloßes Betrachten<br />

der D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong>terpretiert, trifft es nicht das wissenschaftliche<br />

Verhalten. Denn auch <strong>in</strong> den Wissenschaften gibt es »praktische«<br />

technische Hantierung - alle experimentelle Forschung ist Beleg,<br />

aber auch philologisch-historische Arbeit etwa bei Handschrifteneditionen<br />

oder archäologischen Grabungen. Solche Tätigkeiten<br />

gehören zu den genannten Wissenschaften; es ,s<strong>in</strong>d nicht<br />

äußere Vorkehrungen, sondern <strong>die</strong> Gegenstände der betreffenden<br />

Wissenschaft fordern solches.<br />

So zeigt sich erneut: Die Wissenschaft, <strong>die</strong> man theoretische<br />

E<strong>in</strong>stellung nennt, ist erstens praktisch als Handlung, zweitens<br />

praktisch im S<strong>in</strong>ne der technischen Bewerkstelligung und Hantierung.<br />

Die Bezeichnung »theoretisch« verdeckt gerade <strong>die</strong>sen<br />

doppelten Handlungscharakter der Wissenschaft. Aber <strong>die</strong> Bezeichnung<br />

kann gleichwohl nicht zufällig se<strong>in</strong>. Sie zeigt e<strong>in</strong><br />

Wesensmoment der Wissenschaft an, ohne es <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kern zu<br />

fassen. Denn <strong>die</strong>ser ist nicht gefaßt, auch wenn wir »theoretisch«<br />

als >>nur betrachtend«, und zwar unter Mite<strong>in</strong>schluß des praktischen<br />

Charakters, <strong>in</strong>terpretieren, ja selbst dann nicht, wenn wir<br />

das »nur betrachten« auslegen als »um_ der Erkenntnis willen«,<br />

»um der Wahrheit willen«. Am Ende kommen wir dem »theoretischen«<br />

Verhalten und se<strong>in</strong>em Wesen nur dadurch nahe, daß<br />

§ 25. Konstruktion des Wesens der Wissenschaft 179<br />

wir nach der :7tQustt;, dem spezifischen Handlungscharakter der<br />

Erkenntnis um der Wahrheit willen fragen.<br />

§ 25. Konstruktion des Wesens der Wissenschaft<br />

a) In-der-Wahrheit-se<strong>in</strong> um der Wahrheit willen<br />

Alles Verhalten des Dase<strong>in</strong>s - so wissen wir schon - ist als solches<br />

e<strong>in</strong> In-der-Wahrheit-se<strong>in</strong>. Aber nicht jedes In-der-Wahrheitse<strong>in</strong><br />

ist eigens schon e<strong>in</strong> solches umwillen der Wahrheit. Sich <strong>in</strong><br />

der Offenbarkeit von Seiendem halten und zu <strong>die</strong>sem sich verhalten,<br />

besagt nicht notwendig, <strong>die</strong>se Offenbarkeit eigens als<br />

solche kennen oder gar sich um <strong>die</strong>se primär bemühen. Umwillen<br />

der Wahrheit erkennen ist demnach e<strong>in</strong> ganz spezifisches<br />

Sich-<strong>in</strong>-der-Unverborgenheit-halten - umwillen e<strong>in</strong>er Unverborgenheit<br />

des Seienden selbst.<br />

Damit stoßen wir auf das zentrale Problem e<strong>in</strong>er Wesens<strong>in</strong>terpretation<br />

der Wissenschaft. Es muß gefragt werden: Wor<strong>in</strong><br />

liegt das Auszeichnende derjenigen Existenzart des Dase<strong>in</strong>s, <strong>in</strong><br />

der so etwas wie das In-der-Wahrheit-se<strong>in</strong> um der Wahrheit<br />

willen geschieht? Was besagt <strong>die</strong>ses? Wir können <strong>die</strong>ses Problem<br />

auch auf e<strong>in</strong>e Formel br<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong> sichtbar macht, daß durch <strong>die</strong><br />

Orientierung am »Theoretischen« und se<strong>in</strong>em Worts<strong>in</strong>n das<br />

Problem nicht erreicht wird. Dann ist zu fragen: Welches ist <strong>die</strong><br />

ursprüngliche Handlung, Urhandlung des Dase<strong>in</strong>s, <strong>in</strong> der so<br />

etwas wie <strong>die</strong> sche<strong>in</strong>bar praxisfreie, nur betrachtende E<strong>in</strong>stellung<br />

der Wissenschaft möglich wird? In der ersten Formel<br />

kommt nun auch <strong>die</strong> Frage nach e<strong>in</strong>em existenzialen Begriff der<br />

Wissenschaft zum deutlichen Ausdruck. Wir versuchen jetzt <strong>die</strong><br />

Konstruktion des Wesens der Wissenschaft.<br />

Wissenschaft besagt: In der Unverborgenheit des Seienden<br />

se<strong>in</strong> um der Unverborgenheit willen. Wir gehen von der letzten<br />

Bestimmung aus: um der Wahrheit willen heißt um der UnverbOrgenheit<br />

des Seienden willen. Dem existierenden Dase<strong>in</strong>

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