Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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182 Wesensberelch der Wahrheit - Wesen der Wissenschaft<br />
ja nur der Anwendungsbezirk der Regel erweitert und dabei doch<br />
ke<strong>in</strong>e Rede von Masse, Dichte oder Schwerkraft. E<strong>in</strong>e bloße Erweiterung<br />
der praktisch-technischen Erfahrung hilft also nicht.<br />
Hier ist ja gar nicht mehr von e<strong>in</strong>er Regel für das Verhalten <strong>in</strong><br />
der technischen Ause<strong>in</strong>andersetzung <strong>die</strong> Rede. Demnach handelt<br />
es sich nicht um e<strong>in</strong>e Erweiterung des Anwendungsbezirks der<br />
Regel. Wenn überhaupt hier e<strong>in</strong>e Erweiterung primär e<strong>in</strong>e Rolle<br />
spielt, dann doch offenbar <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne, daß gesagt wird: Diese<br />
Beziehungen s<strong>in</strong>d nicht nur da vorhanden, wo Boden und Geste<strong>in</strong><br />
uns bei der praktischen Bearbeitung zu schaffen machen, sondern<br />
auch dort, wo wir gar nicht h<strong>in</strong>gelangen mit unseren Geschäften,<br />
und woh<strong>in</strong> wir auch gar nicht h<strong>in</strong>zugelangen brauchen. Jetzt<br />
geht es nicht mehr bloß um e<strong>in</strong>e Erweiterung des Anwendungsbezirks<br />
der Verhaltungsregeln - denn auch von den D<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong><br />
gar nicht von solcher Verhaltung betroffen werden können und<br />
brauchen, ist hier <strong>die</strong> Rede -, sondern der ganze Bezirk, von dem<br />
jetzt gesprochen wird, zeigt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderen Licht; das<br />
Gebiet der nächsten praktisch-technischen Bearbeitung ist jetzt<br />
nur noch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Ausschnitt e<strong>in</strong>es umfassenderen. Es däm<br />
mert jetzt <strong>die</strong> E<strong>in</strong>sicht, daß <strong>die</strong> praktischen Maßnahme:o. deshalb<br />
getroffen werden, weil am Ende alle materiellen D<strong>in</strong>ge solche<br />
Eigenschaften haben. .<br />
Bei der jetzigen Erweiterung handelt es sich so wenig um eme<br />
solche der praktischen Verhaltungsmaßregeln, daß gerade vom<br />
praktisch-technischen Verhalten abgesehen und nur da~auf hi~gesehen<br />
wird, wie eben <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge an ihnen selbst smd. MIt<br />
anderen Worten: Die verme<strong>in</strong>tliche Erweiterung der technischen<br />
Erfahrung ist im Grunde e<strong>in</strong>e völlige Verwandlung der Grundstellung<br />
zum Seienden. Doch was bedeutet <strong>die</strong>ses nur H<strong>in</strong>sehen<br />
auf <strong>die</strong> materiellen D<strong>in</strong>ge und Abstand nehmen von e<strong>in</strong>er praktisch<br />
-technischen Bearbeitung?<br />
§ 25. Konstruktion des Wesens der Wissenschaft 183<br />
b) Die Urhandlung. Das Se<strong>in</strong>lassen des Seienden<br />
Besagt <strong>die</strong>ses »Nur«, daß wir uns nicht mehr mit den D<strong>in</strong>gen zu<br />
schaffen machen und uns des praktischen Umgangs enthalten?<br />
Alle<strong>in</strong> dadurch, daß wir mit e<strong>in</strong>er Hantierung lediglich aussetzen,<br />
offenbart sich das Seiende, mit dem wir umgehen, nicht<br />
schon <strong>in</strong> der gekennzeichneten Weise an ihm selbst. Im GegenteIl,<br />
das Nichtstun als Aussetzen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beschäftigung offenbart<br />
vi'elleicht <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge gerade um so e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glicher <strong>in</strong> der<br />
H<strong>in</strong>sicht, nach der sie erledigt se<strong>in</strong> wollen, d.h. als solche Gegenstände,<br />
<strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Bearbeitung fordern.<br />
Das >>nur H<strong>in</strong>sehen« auf <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge an ihnen selbst ist ke<strong>in</strong>eswegs<br />
mit dem bloßen Nichtstun identisch. Das »Nur« me<strong>in</strong>t<br />
uberhaupt nicht e<strong>in</strong> Weniger und e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung, etwas<br />
Negatives, sondern etwas em<strong>in</strong>ent Positives. Nur h<strong>in</strong>sehen auf<br />
heIßt e<strong>in</strong>zig sich darauf verlegen, daß sich <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge an ihnen<br />
selbst darbieten. Damit kommt zum Ausdruck, daß <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge<br />
dergleichen gar nicht von selbst tun, auch wenn sie noch so handfest<br />
an sich vorhanden s<strong>in</strong>d. Es muß ihnen gleichsam <strong>die</strong> Gelegenheit<br />
verschafft werden, daß sie sich als das Seiende, das sie<br />
smd, offenbaren. Dieses ist <strong>die</strong> Urhandlung. Das betrachtende<br />
Verweilen bei den D<strong>in</strong>gen ist ke<strong>in</strong> Müßiggang; wohl aber bedarf<br />
es der Muße, um e<strong>in</strong>e Aktivität im höchsten S<strong>in</strong>ne zu entwickeln.<br />
Was soll das aber heißen, daß wir den D<strong>in</strong>gen zur Offenbarkeit<br />
verhelfen müssen? Wenn das Seiende sich an ihm selbst<br />
zeIgen soll, dann dürfen wir uns nicht daran zu schaffen machen;<br />
wir dürfen am Seienden nichts ändern, sondern wir sollen<br />
gerade zurücktreten, damit es, das Seiende, von ihm selbst her<br />
SIch offenbaren kann. Gerade jetzt kommt es e<strong>in</strong>zig darauf an,<br />
daß wir das Seiende so lassen, wie es ist, und es so nehmen, wie<br />
es SIch gibt.<br />
E<strong>in</strong>e Aktivität liegt also im wissenschaftlichen Handeln, <strong>die</strong><br />
den Charakter des Zurücktretens vor dem Seienden hat. Diese<br />
merkwürdige Aktivität des Zurücktretens beg<strong>in</strong>nt uns heute<br />
fremd zu werden, weil wir immer mehr der Me<strong>in</strong>ung werden,