Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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144 Wahrheit - Dasem - Mit-sem<br />
denn Subjekt heißt bei Leibniz, wie im Grunde auch noch bei<br />
Kant, subiectum, das Zugrundeliegende, U:n:OXdftEVOV, das, was<br />
von sich her ist. Nach Leibniz s<strong>in</strong>d alle Monaden, alle - auch <strong>die</strong><br />
körperlichen - Substanzen, also <strong>die</strong> Elementarteilchen e<strong>in</strong>es<br />
Körpers, beseelt.<br />
Daß <strong>die</strong> Monade beseelt ist, heißt: monas hat vis, Drang,<br />
nisus; appetitus, repraesentatio. Von Grund aus ist sie e<strong>in</strong>igend,<br />
vorweg <strong>in</strong> E<strong>in</strong>heit nehmend und haltend, was sie vorstellt; jede<br />
Monade spiegelt je das Ganze des Seienden, aber jede von verschiedenem<br />
Augenpunkt her und verschieden nach Graden der<br />
Wachheit. Es gibt dumpfe, dämmernde, schlafende Monaden,<br />
<strong>die</strong> das Körperliche als solches konstituieren. Von <strong>die</strong>sen gibt es<br />
e<strong>in</strong>e Stufenleiter bis zur Zentralmonade Gott, Gott im S<strong>in</strong>ne der<br />
christlichen Theologie gedacht. Von da aus versteht man, weshalb<br />
Leibniz jede Monade als e<strong>in</strong> speculum vitale, e<strong>in</strong>en lebendigen<br />
Spiegel bezeichnet.<br />
Die Monade verschafft sich im Drang selbst, <strong>in</strong> dem, was und<br />
wie sie ist, jeweils <strong>die</strong>sen Anblick des Ganzen, gesehen aus<br />
e<strong>in</strong>em bestimmten Augenpunkt. Sofern jede Monade aus e<strong>in</strong>em<br />
bestimmten Augenpunkt von sich aus das Ganze vorstellt, ist sie<br />
<strong>in</strong> gewisser Weise das Universum. Daher bezeichnet Leibniz <strong>die</strong><br />
Monade als mundus concentratus.<br />
Jede Monade vere<strong>in</strong>zelt als solche sich selbst; jede Monade ist<br />
je für sich das Ganze »bildend«. Auch das Dase<strong>in</strong>, <strong>die</strong> Menschen<br />
werden als Monaden gefaßt. Aus sich bildend bedürfen sie wesenhaft<br />
nicht des Empfangens, <strong>in</strong> ihrem Wesen liegt ke<strong>in</strong>e<br />
Receptivität von außen. Monaden haben ke<strong>in</strong>e Fenster, weil sie<br />
ke<strong>in</strong>e brauchen; sie brauchen ke<strong>in</strong>e, weil sie alles <strong>in</strong> sich haben,<br />
schlechth<strong>in</strong> geschlossen s<strong>in</strong>d, nicht offen. Sie bedürfen ke<strong>in</strong>es<br />
Kommerziums, ke<strong>in</strong>es Bezugs zu anderen, sondern <strong>in</strong> allen ist je<br />
das Ganze und alle s<strong>in</strong>d durch das Ganze im S<strong>in</strong>ne der höchsten<br />
Monade als entia creata. »E<strong>in</strong>fühlung« dagegen gibt der Monade<br />
Fenster, ja <strong>die</strong> E<strong>in</strong>fühlung ist gleichsam das Fenster.<br />
Dagegen besagt unsere Interpretation mit Leibniz: Die Monade,<br />
das Dase<strong>in</strong> hat ke<strong>in</strong>e Fenster, weil sie ke<strong>in</strong>e braucht. Aber<br />
§ 20. Gememschaft auf dem Grunde des Mite<strong>in</strong>ander 145<br />
<strong>die</strong> Begründung ist verschieden: Die Menschen brauchen ke<strong>in</strong>e,<br />
nicht, weil sie nicht h<strong>in</strong>aus zu gehen brauchen, sondern weil sie<br />
wesenhaft schon draußen s<strong>in</strong>d. Diese Begründung aber ist Index<br />
emer total anderen Wesensbestimmung des Subjekts. Es gilt<br />
nicht, den monadologischen Ansatz zu ergänzen und durch E<strong>in</strong>fuhlung<br />
zu verbessern, sondern zu radikalisieren.<br />
§ 20. Geme<strong>in</strong>schaft auf dem Grunde des Mite<strong>in</strong>ander<br />
Auf dem Grunde des Mite<strong>in</strong>ander wird Geme<strong>in</strong>schaft möglich,<br />
aber nicht konstituiert erst e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft von Ichen das<br />
Mite<strong>in</strong>ander. »Konstitution« des Mite<strong>in</strong>ander ist zweideutig,<br />
Wie der Begriff der Konstitution es leicht wird; a) besagt er, wie<br />
1m Neukantianismus, Aufbau im S<strong>in</strong>ne des Entstehenlassens<br />
aus e<strong>in</strong>fachen, freilich nicht psychologischen Elementen; dann<br />
wird er hier zum m<strong>in</strong>desten s<strong>in</strong>nlos; b) besagt er aber Nachweis<br />
des <strong>in</strong> sich immer schon ganzen und unzerteilbaren Wesensbaues;<br />
dann ist er berechtigt, aber freilich im methodischen Charakter<br />
zu begründen. Das Mite<strong>in</strong>ander ist nicht als etwas<br />
Elementares herzuleiten, wohl aber muß es h<strong>in</strong>sichtlich der ihm<br />
zugehörigen Wesensbestände, <strong>die</strong> alle gleichursprünglich s<strong>in</strong>d,<br />
aufgehellt werden. Innerhalb <strong>die</strong>ses Wesensbestandes, der zu<br />
Jedem e<strong>in</strong>zelnen Dase<strong>in</strong> gehört, bleibt für »E<strong>in</strong>fühlung« ke<strong>in</strong><br />
Platz. Denn wenn <strong>die</strong>ses Wort überhaupt noch e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n haben<br />
soll,1 dann nur auf Grund der Voraussetzung, daß eben das »Ich«<br />
zunächst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ichsphäre se<strong>in</strong> kann und dann von da <strong>in</strong> den<br />
anderen und dessen Sphäre h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> muß. Das »Ich« bricht weder<br />
erst aus sich heraus (aus dem Fenster), weil es schon draußen ist,<br />
noch bricht es <strong>in</strong> den anderen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, weil es sich mit <strong>die</strong>sem<br />
schon draußen trifft und da gerade, wie sich zeigen läßt, <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em echten S<strong>in</strong>ne.<br />
Das Mite<strong>in</strong>ander ist also nicht durch <strong>die</strong> Ich-Du-Beziehung<br />
und aus ihr zu erklären, sondern umgekehrt: Diese Ich-Du<br />
Beziehung setzt für ihre <strong>in</strong>nere Möglichkeit voraus, daß je schon