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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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208 Zum Unterschied von Wissenschaft und <strong>Philosophie</strong><br />

Transzendentale Erkenntnis ist ontologische Erkenntnis. Das<br />

ist freilich noch zweideutig; es kann me<strong>in</strong>en 1. vorontologisches<br />

Se<strong>in</strong>sverständnis als konstitutiv für <strong>die</strong> ontische Erkenntnis, 2.<br />

ausdrückliche Interpretation <strong>die</strong>ses vorontologischen Se<strong>in</strong>sverständnisses<br />

als solche ontologische Erkenntnis im strengen<br />

S<strong>in</strong>ne.<br />

Warum aber ist ontologisch gleich transzendental? Weil Ontologie<br />

mit Transzendenz zusammengeht. Inwiefern? »Transzendental«<br />

wird bei Kant oft noch mehr e<strong>in</strong>schränkend gebraucht;<br />

es me<strong>in</strong>t auch das unrechtmäßige Überfliegen. Bei<br />

Kant ist es mehr e<strong>in</strong> kritisch-negativer Begriff gegenüber theologisch-dogmatischer<br />

Metaphysik. Wir verstehen ihn positiv,<br />

aus dem Wesen der Transzendenz selbst, <strong>die</strong> Kant nicht eigens<br />

zum Problem gemacht hat.<br />

Transzendenz ist <strong>die</strong> Ermöglichung derjenigen Erkenntnis,<br />

<strong>die</strong> nicht zu Unrecht <strong>die</strong> Erfahrung überfliegt, nicht »transzendent«,<br />

sondern Erfahrung selbst ist. Das Transzendentale gibt<br />

<strong>die</strong> obzwar e<strong>in</strong>schränkende, aber hierdurch zugleich positive<br />

Wesensdef<strong>in</strong>ition der nicht transzendenten, d. h. der als solchen<br />

möglichen ontischen Erkenntnis.<br />

Gegenüber dem traditionellen Begriff von Transzendenz ist<br />

folgendes anzumerken: 1. Er ist nicht ursprünglich, sondern<br />

beruht auf ungeklärten Vorbestimmungen, »Subjekt« (vgl. oben<br />

und zum Ganzen S.S. 1927); 2. außerdem bleibt er noch <strong>in</strong> der<br />

Enge und Beschränkung auf das Erkennen, und <strong>die</strong>ses wieder<br />

wird als theoretisches und <strong>die</strong>ses noch e<strong>in</strong>mal als Erforschen<br />

gefaßt. Transzendenz heißt hier: H<strong>in</strong>aussteigen aus dem Subjekt<br />

und h<strong>in</strong>über zu e<strong>in</strong>em Objekt. Das Transzendente ist das Objekt,<br />

das Woraufh<strong>in</strong> h<strong>in</strong>aus, das Worauf der Beziehung.<br />

Für uns heißt Transzendenz nicht h<strong>in</strong>aus zu e<strong>in</strong>em Objekt;<br />

das Subjekt ist schon draußen, und es ist nur draußen bei Seiendem,<br />

sofern es selbst erschlossen ist. Das Seiende, das es selbst<br />

ist, und anderes Seiendes ist im voraus schon überstiegen. Transzendent<br />

im rechten S<strong>in</strong>ne des Transzen<strong>die</strong>renden ist das Dase<strong>in</strong>,<br />

und nur weil es im Grunde-se<strong>in</strong>es Wesens transzen<strong>die</strong>rt,<br />

§ 28. Ontische und ontologische Wahrheit 209<br />

kann zunächst Seiendes qua Vorhandenes und Seiendes qua Dase<strong>in</strong><br />

nicht unterschieden se<strong>in</strong>. Mythische Identifizierung setzt<br />

gerade Transzendenz voraus.<br />

Nebenbei bemerkt: Hier wird e<strong>in</strong> grundsätzlicher, ursprünglicherer<br />

und ausdrücklicherer Begriff des Transzendentalen<br />

entwickelt als bei Kant. Kant hat zwar zum erstenmal, wenngleich<br />

nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em recht engen Gesichtskreis und nicht ursprünglich<br />

genug, das Transzendentale gesehen. Aber gerade<br />

weil er <strong>die</strong> Transzendenz nicht zentral eigens bestimmte und<br />

zum Problem machte, kann se<strong>in</strong> Begriff des Transzendentalen<br />

nicht genüg~n.<br />

Von vornhere<strong>in</strong> ist pr<strong>in</strong>zipiell zu sagen, daß das Problem der<br />

Transzendenz und des Transzendentalen mit Idealismus und<br />

Realismus gar nichts zu tun hat, sondern viel ursprünglicher ist<br />

als <strong>die</strong> Dimension, <strong>in</strong> der <strong>die</strong>ser Unterschied auftritt, so sehr,<br />

daß er erst auf dem Grunde der recht verstandenen Transzendenz<br />

entscheidbar wird. Ebenso wenig hat Transzendenz primär<br />

etwas zu tun mit Erkenntnis und Erkenntnistheorie. Wir kommen<br />

so zu e<strong>in</strong>er 10. These bezüglich des Wesens der Wahrheit,<br />

nachdem <strong>in</strong> den Thesen 1-8 (oben S. 149-156) der Übergang von<br />

der Aussagewahrheit zur ursprünglichen echten ontischen<br />

Wahrheit dargelegt, <strong>in</strong> der 9. <strong>die</strong> ontische Wahrheit auf <strong>die</strong><br />

ontologische zurückgeführt wurde (oben S. 205).<br />

10. Die ontologische Wahrheit (Unverborgenheit von Se<strong>in</strong>)<br />

ist ihrerseits nur möglich, wenn das Dase<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wesen nach<br />

Seiendes zu übersteigen vermag, d.h. als faktisch existierendes<br />

das Seiende immer schon überstiegen hat. Ontologische Wahrheit<br />

gründet <strong>in</strong> der Transzendenz des Dase<strong>in</strong>s; sie ist transzendental.<br />

Die Transzendenz des Dase<strong>in</strong>s aber erschöpft sich<br />

umgekehrt nicht <strong>in</strong> der ontologischen Wahrheit. (Vgl. These 11,<br />

unten S. 210.)<br />

Der ontologischen Wahrheit liegt wiederum <strong>die</strong> Transzendenz<br />

als Wesensverfassung des Dase<strong>in</strong>s zugrunde. Auf Grund<br />

der Transzendenz alle<strong>in</strong> wird das möglich, was wir früher den<br />

E<strong>in</strong>bruch des Dase<strong>in</strong>s als existierenden <strong>in</strong> das Seiende nannten.

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