Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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62 Die Frage nach dem Wesen der Wissenschaft<br />
fragen, deshalb werden wir das Wesen der dem Satz zugehörigen<br />
Wahrheit nicht ursprünglich fassen können. Die Frage nach<br />
dem Wesen der Wahrheit muß uns aber hier mit Rücksicht auf<br />
<strong>die</strong> Klärung des Wesens der Wissenschaft beschäftigen.<br />
§ 11. Zum Problem der Subjekt-ObJekt-Beziehung.<br />
Prädikative und veritative Beziehung<br />
Mit welchem Recht können wir behaupten, <strong>die</strong>ses Ganze der<br />
genannten Beziehungen sei <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ganzheit nicht bestimmt,<br />
ja nicht e<strong>in</strong>mal zum Problem gemacht? Dieses Ganze von Beziehungen<br />
ist doch gewonnen, wenn man auf <strong>die</strong> Umschließung<br />
aller Beziehungen sieht, <strong>die</strong> zwischen den bei den Enden liegen,<br />
wenn man <strong>die</strong> bei den Enden <strong>die</strong>ses Beziehungsganzen, also Seele<br />
und D<strong>in</strong>g, oder, wie man heute sagt, Subjekt und Objekt<br />
verknüpft. In der Subjekt-Objekt-Beziehung liegt dann <strong>die</strong> spezifische<br />
Ganzheit <strong>die</strong>ses Ganzen.<br />
Was ist seit Beg<strong>in</strong>n der Neuzeit und besonders heute häufiger<br />
diskutiert und als Problem behandelt worden als <strong>die</strong> Subjekt<br />
Objekt-Beziehung? Diese Beziehung ist es doch, aus der <strong>die</strong> beiden<br />
Hauptstandpunkte der <strong>Philosophie</strong>, Realismus und Idealismus<br />
sowie deren Spielarten und Vennittlungen, erwachsen.<br />
Gewiß, <strong>die</strong>s ist alles unbestreitbar. Nur ist gerade <strong>die</strong> Frage,<br />
ob durch das Zusammennehmen der beiden Enden wirklich das<br />
Ganze umgriffen ist, ob dessen Ganzheit sich von den bei den<br />
Enden und ihrer Verknüpfung her fassen läßt. Das ist aber unmöglich<br />
- schon e<strong>in</strong>zig deshalb, weil ja gerade <strong>die</strong>se beiden<br />
Enden, so wie sie als Enden zusammengeknüpft werden, auf<br />
dem Boden e<strong>in</strong>es Ansatzes entstehen, der bisher vergessen hat,<br />
zuvor das begründende Ganze <strong>in</strong> den Blick zu nehmen. Die<br />
beiden Enden, Subjekt und Objekt, selbst Resultat e<strong>in</strong>es ungeklärten<br />
und unangemessenen Ansatzes, können nicht dadurch,<br />
daß sie nun - <strong>in</strong> welcher Weise immer - verkoppelt werden, <strong>die</strong><br />
zuvor unbestimmte Ganzheit zUri.ickgew<strong>in</strong>nen und bestimmen.<br />
§ 11. Problem der Subjekt-ObJekt-Beziehung 6:5<br />
Wir müssen vielmehr umgekehrt sagen: Gerade das viel diskutierte<br />
Problem der Subjekt-Objekt-Beziehung mit all se<strong>in</strong>en<br />
Spielarten ist das Anzeichen dafür, daß man über den alten<br />
Ansatz der Antike nicht h<strong>in</strong>ausgekommen ist und das zentrale<br />
Problem noch nicht gefaßt hat. Dieses Problem kann nur gestellt<br />
,werden, wenn man begriffen hat, daß <strong>die</strong> Frage der<br />
Subjekt-Objekt-Beziehung und erst recht alle »Erkenntnistheorie«<br />
auf dem Problem der Wahrheit ruht und nicht - wie <strong>die</strong><br />
ü bliche Me<strong>in</strong>ung lautet - umgekehrt.<br />
Man kann zwar immer neue Theorien erf<strong>in</strong>den zur Lösung<br />
des Subjekt-Objekt-Problems. Aber <strong>die</strong>se Erf<strong>in</strong>dungen haben<br />
nur das zweifelhafte Ver<strong>die</strong>nst, daß sie <strong>die</strong> Verwirrung steigern<br />
und immer erneute Belege dafür liefern, daß das entscheidende<br />
Problem offenbar nicht auf der Hand liegt. Es besteht aber <strong>in</strong><br />
nichts anderem als <strong>in</strong> der Aufrollung der Frage nach dem Wesen<br />
der Wahrheit, d. h. aber zugleich <strong>in</strong> der Frage nach den Voraussetzungen<br />
und dem ursprünglichen Problem für <strong>die</strong> Wesens bestimmung<br />
der Wahrheit. Die angeblich »neue Problemlage der<br />
Erkenntnistheorie« mag recht <strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong>, und man kann<br />
se<strong>in</strong>en Leser mit allerlei darüber unterhalten, nur sagt man ihm<br />
gar nichts über <strong>die</strong> Lage des Problems, wenn man dabei verschweigt,<br />
was <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Problematik über das Wesen der Wahrheit<br />
-ausgemacht ist.<br />
Daß <strong>die</strong>ses Problem der Wahrheit aber nicht gestellt werden<br />
kann <strong>in</strong> ausschließlicher und primärer Orientierung am Satz,<br />
gilt es jetzt positiv zu sehen.<br />
Es ist deutlich geworden: Der Satz hat S<strong>in</strong>n und Halt nur <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em durchgreifenden Ganzen. Dessen Ganzheit muß zuvor<br />
bestimmt werden. Wenn im Satz so etwas wie Wahrheit vorkommt,<br />
dann muß auch <strong>die</strong>se sich aus <strong>die</strong>sem Ganzen bestimmen,<br />
ja noch mehr: vielleicht ist es gerade das Wesen der<br />
Wahrheit, was <strong>die</strong>se gesuchte Ganzheit wesenhaft mitbestimmt.<br />
Wir sehen jetzt: 1. Es ist naheliegend und fast zwangsläufig,<br />
bei der Frage nach der Wahrheit der Erkenntnis <strong>die</strong>se <strong>in</strong> ihrer<br />
nächstzugänglichen Form, dem ausgesprochenen Satz, zu