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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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326 Weltanschauung und In-der-Welt-sem<br />

Nur deshalb, weil das Dase<strong>in</strong> e<strong>in</strong> solches Seiendes ist, dem es<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Se<strong>in</strong> um <strong>die</strong>ses selbst geht, ist es an das Seiende<br />

preisgegeben, und zwar wesensnotwendig. Denn wir hörten, das<br />

Dasei,n ist erschlossenes; Seiendes, das es nicht ist, ist ihm offenbar;<br />

aber jetzt zeigt sich: nicht im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er bloßen<br />

Kenntnis, sondern, weil das Dase<strong>in</strong> wesenhaft aus sich herausgetreten<br />

ist, ist es dem Seienden und dessen Übermacht preisgegeben,<br />

und zwar nicht nur der Übermacht etwa der Naturgewalten,<br />

sondern auch den Mächten und Gewalten, <strong>die</strong> das<br />

Dase<strong>in</strong> als Seiendes <strong>in</strong> sich selbst birgt.<br />

Die Transzendenz als Überstieg über das Seiende im Se<strong>in</strong>sverständnis<br />

hat damit <strong>die</strong> Indifferenz völlig verloren, <strong>die</strong> man<br />

ihr versucht ist zuzuschreiben, wenn man das Problem des<br />

Se<strong>in</strong>sverständnisses im Rahmen der traditionellen OntologIe<br />

entwickelt. Das Se<strong>in</strong> des Seienden vorgängig verstehen, das<br />

Seiende übersteigend auf es zurückkommen, ist nicht das harmlose<br />

Herabsehen auf <strong>die</strong> Zufälligkeiten des faktisch Seienden<br />

von der ungefährdeten Höhe e<strong>in</strong>es apriorischen Wesenswissens,<br />

sondern: Transzen<strong>die</strong>ren das Seiende, d.h. In-der-Welt-sem<br />

heißt, an das Seiende preisgegeben se<strong>in</strong>. Nur <strong>die</strong> im Umwillen<br />

se<strong>in</strong>er selbst gegründete Preisgegebenheit des Dase<strong>in</strong>s an das<br />

Seiende, auch an es selbst, ermöglicht e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

und e<strong>in</strong>e Verhaltung zum Seienden. Nur solcher ause<strong>in</strong>andersetzenden<br />

Verhaltung entspr<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Möglichkeit des je faktischen<br />

Unterliegens oder aber Sie gens, <strong>die</strong> Möglichkeiten des<br />

Ungefährdetse<strong>in</strong>s, der Beruhigung und Sicherheit, des Wohlergehens<br />

und der Herrschaft über das Seiende.<br />

Daß faktisch e<strong>in</strong> Dase<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>n existiert, also faktisch<br />

existenziell von e<strong>in</strong>er solchen Preisgegebenheit nichts weIß, 1st<br />

ke<strong>in</strong> Beweis dagegen, schon deshalb nicht, weil das jeweIlige<br />

faktische Existieren, ob <strong>in</strong> Glück oder Unglück, nichts daruber<br />

entscheiden kann, was das metaphysische Wesen des Dasems<br />

ausmacht. Dieses muß dort gesucht werden, von wo aus gerade<br />

<strong>die</strong> Möglichkeit von Glück wie von Unglück verständlich wIrd.<br />

Daher ist es e<strong>in</strong> oberflächliches und grobes Mißverständnis,<br />

§ } 7. Konkreteres Verstandms der Transzendenz 327<br />

wenn man me<strong>in</strong>t, dadurch, daß dem Dase<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Preisgegebenheit<br />

an das Seiende zugesprochen sei, werde e<strong>in</strong>em Pessimismus<br />

das Wort geredet.<br />

Es gilt demgegenüber gerade erst zu lernen, daß Pessimismus<br />

und Optimismus als je faktische Stellungnahmen zum faktischen<br />

Dase<strong>in</strong> selbst schon Dase<strong>in</strong> voraussetzen, und zwar solches,<br />

das sich <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>en oder anderen Weise verstehen kann.<br />

Der Pessimismus bestätigt lediglich <strong>die</strong> wesenhafte Preisgegebenheit<br />

des Dasems, und zwar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Weise, daß es ihr<br />

nachgibt. Der Optimismus aber zeugt nicht weniger für sie,<br />

sofern er an sie nicht glaubt. Sie wird aber durch den Pessimismus<br />

weder erst bewiesen, noch durch den Optimismus widerlegt.<br />

Von <strong>die</strong>sen Bestimmungen her muß begriffen werden, daß<br />

Ich das Se<strong>in</strong> des Dase<strong>in</strong>s als Sorge bezeichnet habe. Das hat<br />

nichts zu tun mit Schopenhauer oder christlicher Askese und<br />

Erbsündenlehre, auch nicht damit, daß man mit dem Begriff<br />

>Sorge< auf Tod und Gewissen gestoßen wird, <strong>die</strong> alle für heutIge<br />

Ohren hart kl<strong>in</strong>gen. - Man hat von <strong>die</strong>sen D<strong>in</strong>gen wenig<br />

verstanden, wenn man gegen sie für <strong>die</strong> heitere Weltanschauung<br />

Goethes plä<strong>die</strong>rt und <strong>die</strong> allgeme<strong>in</strong>e Biederkeit und<br />

Nettigkeit des Dase<strong>in</strong>s gewahrt wissen will und gar noch weise<br />

Belehrungen erteilt, daß es im Leben auch so etwas wie Liebe<br />

gIbt. Wer wollte das leugnen? Aber ich bezweifle, ob, was <strong>die</strong><br />

philosophischen Biedermänner versteckterweise glauben und<br />

was man da so Liebe nennt, das metaphysische Wesen des Genannten<br />

trifft. Am Ende s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> kle<strong>in</strong>en Gefühle, <strong>die</strong> man da<br />

unter <strong>die</strong>sem Namen beibr<strong>in</strong>gt, doch recht weit entfernt. Es<br />

ware doch zu fragen, ob jede große Liebe, <strong>die</strong> alle<strong>in</strong> etwas vom<br />

Wesen bekundet, nicht im Grunde e<strong>in</strong> Kampf ist, nicht etwa<br />

nur und zuerst e<strong>in</strong> Kampf um den Anderen, sondern e<strong>in</strong> Kampf<br />

fur ihn, und ob sie nicht wächst <strong>in</strong> dem Grade, als <strong>die</strong> Sentimen'talität<br />

und Behaglichkeit der Gefühle abnimmt. Doch<br />

genug!<br />

Um das Entscheidende wieder <strong>in</strong> Kürze zu sagen: Das Dase<strong>in</strong>

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