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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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306 Weltanschauung und In-der-Welt-se<strong>in</strong><br />

Dase<strong>in</strong> und Welt ungeklärt geblieben ist, ja nicht e<strong>in</strong>mal zum<br />

Problem geworden ist, muß uns sagen, daß <strong>die</strong> Zusammenhänge,<br />

um <strong>die</strong> es sich handelt, nicht ohne weiteres sichtbar werden<br />

{ ,<br />

daß sie vermutlich zu jenen gehören, <strong>die</strong> <strong>in</strong> sich ebenso e<strong>in</strong>fach,<br />

aber auch für den geme<strong>in</strong>en Verstand verborgen, mißdeutet und<br />

verstellt s<strong>in</strong>d. Die Hauptschwierigkeit für das Verständnis liegt<br />

deshalb dar<strong>in</strong>, <strong>die</strong>se Verbiegungen und Mißdeutungen zu durchschauen<br />

und so sie zu durchbrechen, um den Blick <strong>in</strong>s E<strong>in</strong>fache<br />

frei zu bekommen. Wie überall <strong>in</strong> der <strong>Philosophie</strong> geht es auch<br />

hier nicht darum, unbekanntes Land zu entdecken, sondern das<br />

längst und allzubekannte vom Sche<strong>in</strong> und der Umnebelung zu<br />

befreien.<br />

Dase<strong>in</strong> heißt In-der-Welt-se<strong>in</strong>, und <strong>die</strong>ses soll das Dase<strong>in</strong><br />

auszeichnen als se<strong>in</strong>e ihm eigene Wesensstruktur. Hiergegen<br />

erheben sich nun ganz unmittelbar wichtige Bedenken, <strong>die</strong> wir<br />

kurz erörtern. Was mit In-der-Welt-se<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>t ist, muß sich<br />

dabei verdeutlichen.'<br />

Die These ist e<strong>in</strong>e Wesensaussage und me<strong>in</strong>t etwas ganz Elementares,<br />

das freilich gerade deshalb <strong>die</strong> Häl'te und Schärfe des<br />

Problems annehmen muß. Woran wir gleichsam mit dem H<strong>in</strong>weis<br />

auf das In-der-Welt-se<strong>in</strong> rühren, ist nichts weniger als <strong>die</strong><br />

Struktur der Transzendenz, auf <strong>die</strong> wir bereits auf dem ersten<br />

Weg gestoßen s<strong>in</strong>d. Wir sagten dort: Das Dase<strong>in</strong> übersteigt Seiendes,<br />

so zwar, daß es erst <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Überstieg zu Seiendem sich<br />

verhalten, also auch erst so zu sich als Seiendem sich verhalten,<br />

d. h. es selbst, e<strong>in</strong> Selbst se<strong>in</strong> kann. Das Dase<strong>in</strong> transzen<strong>die</strong>rt,<br />

übersteigt Seiendes aber nicht gelegentlich, sondern als Dase<strong>in</strong>,<br />

und es übersteigt Seiendes, nicht <strong>die</strong>ses und jenes, mit Auswahl,<br />

sondern im Ganzen. Nur weil es Seiendes im Ganzen übersteigt,<br />

kann es sich mit Auswahl <strong>in</strong>nerhalb des Seienden zu <strong>die</strong>sem<br />

oder jenem verhalten; dabei ist im wesentlichen <strong>die</strong>se Auswahl<br />

mit der faktischen Existenz jedes Dase<strong>in</strong>s schon entschieden.<br />

1 Vgl. Mart<strong>in</strong> Heidegger, Vom Wesen des Grundes. 11. KapItel. (Zu den<br />

bibliographischen Angaben siehe oben S. 259, Anm. 2.)<br />

§ 35. Dase<strong>in</strong> als In-der-Welt-se<strong>in</strong> 307<br />

Innerhalb <strong>die</strong>ses entschiedenen Kreises ist freilich dann e<strong>in</strong><br />

Spielraum der Freiheit.<br />

Was bedeutet <strong>die</strong>ses »im Ganzen«, das zur Transzendenz gehört?<br />

Es ist das, woraufzu der Überstieg des Seienden sich<br />

vollzieht, das, woraufzu Transzendenz transzen<strong>die</strong>rt, und demgemäß<br />

das, von woher das Dase<strong>in</strong> im Verhalten zu Seiendem auf<br />

<strong>die</strong>ses zurückkommt. Dieses, woraufzu das wesenhaft transzen<strong>die</strong>rende<br />

Dase<strong>in</strong> transzen<strong>die</strong>rt, nennen wir Welt. Im Überstieg<br />

aber. steigt das Dase<strong>in</strong> nicht aus sich heraus <strong>in</strong> der Weise, daß es<br />

sich' selbst gleichsam h<strong>in</strong>ter sich läßt, sondern es bleibt nicht nur<br />

es selbst, sondern wird es gerade erst. Das Woraufzu des Überstiegs<br />

ist das, wor<strong>in</strong> das Dase<strong>in</strong> als solches sich hält. Transzen<strong>die</strong>ren<br />

heißt In-der-Welt-se<strong>in</strong>.<br />

Am Ende des ersten Weges ergab sich uns: Se<strong>in</strong>sverständnis<br />

Ist Transzen<strong>die</strong>ren; nunmehr sagen wir: Transzen<strong>die</strong>ren heißt<br />

In-der-Welt-se<strong>in</strong>. Wir betonten aber früher ausdrücklich, daß<br />

mit dem Se<strong>in</strong>sverständnis das Wesen der Transzendenz nicht<br />

erschöpft sei. Das können wir jetzt auch so ausdrücken: Zum<br />

In -der-Welt-se<strong>in</strong> gehört Se<strong>in</strong>sverständnis; <strong>die</strong>ses deckt sich aber<br />

nicht mit jenem, sondern ist nur e<strong>in</strong> Wesensmoment des Inder-Welt-se<strong>in</strong>s.<br />

Dar<strong>in</strong> liegt: Das Se<strong>in</strong>, se<strong>in</strong>e mögliche Mannigfaltigkeit,<br />

das wir im Se<strong>in</strong>sverstehen, ob ausdrücklich oder<br />

nicht, verstehen, deckt sich ke<strong>in</strong>eswegs mit dem, was der Titel<br />

» Welt« besagt, wenngleich das Se<strong>in</strong> und alles, was <strong>die</strong>ser Ausdruck<br />

me<strong>in</strong>t, zum Gehalt des Weltbegriffes gehört. In-der­<br />

Welt-se<strong>in</strong> ist primär mitbestimmt durch Se<strong>in</strong>sverständnis; aber<br />

<strong>die</strong>ses' Se<strong>in</strong> als In-der-Welt-se<strong>in</strong> ist nicht nur e<strong>in</strong> vorgängiges<br />

Verstehen des Se<strong>in</strong>s. Dieses Verstehen hat e<strong>in</strong>en eigenen Charakter,<br />

ke<strong>in</strong> theoretisches Kennen und Wissen.<br />

Wir können nun, obwohl Se<strong>in</strong> und Welt bzw. Se<strong>in</strong>sverständnis<br />

und In-der-Welt-se<strong>in</strong> sich nicht decken, doch vom Se<strong>in</strong>sverständnis<br />

her, e<strong>in</strong>em notwendigen Ingre<strong>die</strong>nz der Transzendenz,<br />

uns e<strong>in</strong>en Weg bahnen zur weiteren Aufhellung dessen, was im<br />

Titel »In-der-Welt-se<strong>in</strong>« »Welt« eigentlich besagt.<br />

Genauer gesprochen: Durch <strong>die</strong>se Charakteristik des Se<strong>in</strong>s-

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