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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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110 Wahrheit und Se<strong>in</strong><br />

Vorhandenem (e<strong>in</strong>e mögliche Weise des Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong>s bzw.<br />

notwendig zu ihm gehörig), als e<strong>in</strong>e Art des Se<strong>in</strong>s. Wahrheit ist<br />

demnach konstitutiv für <strong>die</strong> Struktur des Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong>s als<br />

e<strong>in</strong>er wesentlichen Se<strong>in</strong>sart des Dase<strong>in</strong>s.<br />

b) Die Unverborgenheit von Vorhandenem<br />

Wahrheit (Unverborgenheit) gehört demnach zum Dase<strong>in</strong><br />

selbst, zu dem, was <strong>die</strong>ses Seiende und wie es ist, existiert. Wie<br />

gehört nun Wahrheit (Unverborgenheit) zum Dase<strong>in</strong>, das wir<br />

selbst s<strong>in</strong>d? Wenn wir <strong>die</strong>se Frage jetzt zu beantworten suchen,<br />

dann er<strong>in</strong>nern wir uns, daß wir vordem schon <strong>die</strong> Wahrheit qua<br />

Unverborgenheit dem Vorhandenen zugewiesen haben, sagten<br />

wir doch: Das Seiende selbst ist primär wahr und nicht der Satz<br />

darüber. Die Unverborgenheit »gehört« demnach zum Vorhandenen,<br />

und nun soll sie als konstitutiv für das Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong><br />

des Dase<strong>in</strong>s zu <strong>die</strong>sem gehören. »Gehört« sie demnach sowohl<br />

zum Vorhandenen als auch zum Dase<strong>in</strong>, oder liegt sie gar gleichsam<br />

»zwischen« dem Vorhandenen und dem Dase<strong>in</strong>? Wie<br />

gehört <strong>die</strong> Unverborgenheit zum vorhandenen D<strong>in</strong>g, gehört sie<br />

überhaupt zu ihm? Und was heißt hier »gehören«?<br />

Es ergab sich doch: Die Unverborgenheit der Kreide ist<br />

nichts, was an ihr vorhanden wäre; wir können <strong>die</strong> Unverborgenheit<br />

nicht als etwas Vorhandenes an der Kreide feststellen,<br />

etwa mit der Kreide h<strong>in</strong>- und herbewegen oder sie beim Schreiben<br />

abnützen. Ja, auf Grund der Unverborgenheit der Kreide<br />

erfassen wir gerade, daß <strong>die</strong>ses Seiende nicht erst dadurch zu<br />

dem wird, was und wie es ist, daß es für uns unverborgen ist, und<br />

daß es entsprechend auch nicht aufhört, das zu se<strong>in</strong> und so zu<br />

se<strong>in</strong>, was und wie es ist, dadurch, daß es uns verborgen ist.<br />

Wenn wir angeben sollen, was e<strong>in</strong>e Kreide überhaupt ist,<br />

dann kommt <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Def<strong>in</strong>ition ganz gewiß nicht <strong>die</strong> Unverborgenheit<br />

vor. Kreide ist nicht notwendig unverborgen; ihr<br />

Wesen läßt es zu, auch verborgen zu se<strong>in</strong>; Unverborgenheit ist<br />

ke<strong>in</strong>e Wesensbestimmung von Kreide als Kreide, auch nicht<br />

§ 14. Teilen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Unverborgenheit des Selenden 111<br />

vom Schwamm als Schwamm. Aber vielleicht ist <strong>die</strong> Unverborgenheit<br />

e<strong>in</strong>e Wesens bestimmung des Vorhandenen, sofern es<br />

vorhanden ist?<br />

Alle<strong>in</strong>, nehmen wir irgende<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong> irgendwo <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Felsschlucht,<br />

<strong>die</strong> nie e<strong>in</strong> menschliches Wesen betritt, dann kann<br />

doch <strong>die</strong>ses Seiende vorhanden se<strong>in</strong> als das und so, wie es ist,<br />

ohne je der Verborgenheit entrissen werden zu müssen, ohne je<br />

unverborgen zu se<strong>in</strong>, ja, überhaupt unbetroffen von Verborgenheit<br />

und Unverborgenheit. Vielleicht ist es <strong>in</strong> gewissen Grenzen<br />

notwendig, daß Vorhandenes unverborgen ist, um se<strong>in</strong>e Se<strong>in</strong>sart<br />

zu erfassen; aber daraus folgt doch nicht, daß das faktisch Vorhandene<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Was und Wie notwendig offenbar sei.<br />

Unverborgenheit ist ke<strong>in</strong>e wesensmäßige Bestimmung des Vorhandenen.<br />

Deshalb dürfen wir nicht sagen: Unverborgenheit<br />

(Wahrheit) »gehört« zum Vorhandenen, sondern nur: Unverborgenheit<br />

(Wahrheit) kommt dem Vorhandenen zu bzw. kann ihm<br />

zukommen. Das Vorhandene hat es nicht von sich aus qua Vorhandenes.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs liegt hier noch e<strong>in</strong> Problem, das wir der E<strong>in</strong>fachheit<br />

halber bisher übergangen haben, das ich aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Zwischenbemerkung kurz erwähne und das uns später beschäftigen<br />

wird. Vielleicht ist es aufgefallen, daß plötzlich <strong>die</strong> Nichtzugehörigkeit<br />

der Unverborgenheit zum Vorhandenen an e<strong>in</strong>em<br />

beliebigen Ste<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Felsschlucht irgendwo und nicht an<br />

der Kreide demonstriert wurde. Das war notwendig, weil <strong>die</strong><br />

Kreide, so wie sie als Gebrauchsd<strong>in</strong>g vor uns liegt, streng genommen<br />

ke<strong>in</strong> Vorhandenes ist; das heißt nicht, daß sie nur<br />

sche<strong>in</strong>bar wirklich wäre, sondern sie hat als Gebrauchsd<strong>in</strong>g <strong>die</strong><br />

eIgene Se<strong>in</strong>sart des Zuhandenen. Absichtlich haben wir <strong>die</strong>sen<br />

Unterschied zwischen Vorhandenem und Zuhandenem nicht <strong>in</strong><br />

Rechnung gesetzt, sondern Vorhandenes im weiteren S<strong>in</strong>ne genommen,<br />

<strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge im Unterschied zum Dase<strong>in</strong>. Jetzt rächt sich<br />

- wie immer - <strong>die</strong> Unbestimmtheit <strong>in</strong>sofern, als eben Vorhandenheit<br />

im strengen S<strong>in</strong>ne (Ste<strong>in</strong>) und Zuhandenheit (Kreide)<br />

verschiedene Arten des Se<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d, <strong>die</strong> sich auch verschieden zu

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