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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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226 Zum Unterschied von Wissenschaft und <strong>Philosophie</strong><br />

anderen; wissenschaftliche Entdeckungen des e<strong>in</strong>en hätte auch<br />

der andere machen können. Nie so <strong>in</strong> der <strong>Philosophie</strong>; jeder ist<br />

<strong>in</strong> sich ganz und e<strong>in</strong>malig. Daher wird das <strong>Philosophie</strong>ren nUr<br />

lebendig und wirksam, wenn es von anderen wiederum ursprünglich<br />

und selbständig geweckt und <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne wiederholt<br />

wird. Die wiederholende Erneuerung aber ist, wenn sie<br />

echt ist, nicht und nie e<strong>in</strong>e bloße Dublette.<br />

Daher ist auch das Verhältnis des Schülers zum wissenschaftlichen<br />

Forscher e<strong>in</strong> wesentlich anderes als das des Mitphilosophierenden<br />

zum Philosophen. Jenes auf <strong>die</strong>ses übertragen<br />

wollen, bedeutet e<strong>in</strong> Verkennen des Wesens des <strong>Philosophie</strong>rens<br />

von Grund aus. Die Tendenz zu solcher Übertragung aber liegt<br />

dadurch bei uns gerade vor allem ständig nahe, weil Philosoph<br />

und Forscher an der Universität äußerlich <strong>in</strong> derselben soziologischen<br />

Gestalt und <strong>in</strong> gleichem Rahmen sich bewegen und<br />

weil <strong>die</strong> soziale und amtliche Stellung der Professoren der <strong>Philosophie</strong><br />

noch nicht verbürgt, daß der, der über <strong>Philosophie</strong><br />

erzählt, e<strong>in</strong> Philosoph ist. Aber mit dem Gesagten wurde schon<br />

e<strong>in</strong> wenig zu viel über Philosophen geredet, doch e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis<br />

ist nicht zu umgehen. Max Scheler vor allem hat -<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Arbeit »Probleme e<strong>in</strong>er Soziologie des Wissens«' <strong>die</strong>sem Problem<br />

se<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit geschenkt.<br />

Wichtiger aber ist, das <strong>Philosophie</strong>ren selbst <strong>in</strong> Gang zu br<strong>in</strong>gen,<br />

ebenso wie <strong>in</strong> <strong>die</strong> jeweilige bestimmte Wissenschaft konkret<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuwachsen; denn nur dann werden <strong>die</strong>se Unterschiede<br />

recht erfahren und nachhaltig wirksam.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>die</strong>ser Vorlesung, <strong>in</strong> der ersten Stunde (vgl. oben<br />

S. 5) sagten wir: Wir wissen jetzt nur, und zwar mehr im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>er Behauptung: Das <strong>Philosophie</strong>ren gehört zum menschlichen<br />

Dase<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem als solchem geschieht es. Dase<strong>in</strong>, sofern<br />

es existiert, philosophiert, wenngleich nur unausdrücklich und<br />

§ 31. Se<strong>in</strong>sverständnis und ontologische DijJerenz 227<br />

meist uneigentlich. Das Dase<strong>in</strong> existiert aber nie so im allgeme<strong>in</strong>en,<br />

sondern als konkretes existiert es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Lage und verschafft sich selbst je nachdem wesentliche und<br />

unwesentliche Situationen. Wir müssen daher, wenn wir im<br />

<strong>Philosophie</strong>ren den Begriff der <strong>Philosophie</strong> entwickeln, aus den<br />

Perspektiven unserer jetzigen Situation heraus fragen, im Blick<br />

auf <strong>die</strong> bestimmenden Mächte unseres jetzigen Dase<strong>in</strong>s <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Zugehörigkeit zur Universität.<br />

Die <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> soll das <strong>Philosophie</strong>ren <strong>in</strong> uns frei werden<br />

lassen, jetzt <strong>in</strong> uns, sofern unser Dase<strong>in</strong> durch <strong>die</strong> beiden Mächte<br />

VVissenschaft und Führerschaft bestimmt ist. Wir s<strong>in</strong>d den ersten<br />

Weg durch <strong>die</strong> Wissenschaft gegangen, und wir sahen:<br />

<strong>Philosophie</strong>re& als Transzen<strong>die</strong>ren geschieht nicht als e<strong>in</strong>e beliebige<br />

Verhaltung unter anderen, sondern im Grunde des<br />

Dase<strong>in</strong>s als solchen.<br />

Was zu Anfang e<strong>in</strong>e Behauptung war, ist jetzt E<strong>in</strong>sicht geworden,<br />

freilich e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sicht, der das volle Wesen der <strong>Philosophie</strong><br />

noch verschlossen bleibt - allerd<strong>in</strong>gs nicht so, als hätten<br />

wir e<strong>in</strong> Stück des Begriffes, dem andere Stücke sich anfügen<br />

heßen. Deshalb haben wir von vornhere<strong>in</strong> zwei weitere Wege<br />

angesetzt, <strong>die</strong> uns dazu verhelfen sollen, den vollen Begriff der<br />

<strong>Philosophie</strong> ausdrücklich zum Verständnis zu br<strong>in</strong>gen: <strong>die</strong> Erörterung<br />

des Verhältnisses von <strong>Philosophie</strong> und Weltanschauung<br />

und des Verhältnisses von <strong>Philosophie</strong> und Geschichte.<br />

Wenn »Weltanschauung« etwas total anderes ist als Wissenschaft,<br />

dann wird auch der zweite Weg e<strong>in</strong>en anderen Charakter<br />

haben. Gleichwohl können und müssen uns E<strong>in</strong>sichten, <strong>die</strong> wir<br />

auf dem ersten Weg gewannen, den zweiten erleuchten und<br />

erleichtern.<br />

I Max Scheler: Probleme e<strong>in</strong>er Soziologie des Wissens. In: Versuche zu emer<br />

Soziologie des WIssens, hrsg. von Max Scheler. Mimchen 1924. Überarbeitete<br />

Fassung m Max Scheler: Die Wissensformen und <strong>die</strong> Gesellschaft. LeIpZIg<br />

1926.

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