31.10.2013 Aufrufe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

102 Wahrheit und Se<strong>in</strong><br />

Art, wie <strong>die</strong>se Kreide an ihr selbst als <strong>die</strong>ses Gebrauchsd<strong>in</strong>g ist,<br />

ihre Art zu se<strong>in</strong>; wir lassen sie liegen, wir lassen sie se<strong>in</strong>, so, wie<br />

und waS sie ist. Unser Se<strong>in</strong> bei der Kreide ist so etwas wie e<strong>in</strong><br />

Se<strong>in</strong>lassen der Kreide.<br />

Wir lassen <strong>die</strong>ses Seiende se<strong>in</strong>, wir nehmen ihm nichts und<br />

geben ihm nichts; wir stoßen es nicht von uns und ziehen es<br />

nicht an uns heran; wir überlassen <strong>die</strong>ses Seiende ihm selbst,<br />

und gerade <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Überlassen begegnet <strong>die</strong> Kreide <strong>in</strong> dem,<br />

was und wie sie als <strong>die</strong>se Kreide ist.<br />

f) Vom Se<strong>in</strong>lassen der D<strong>in</strong>ge<br />

Wir lassen <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge se<strong>in</strong>, wie sie s<strong>in</strong>d, überlassen sie ihnen<br />

selbst, auch dann und gerade dann, wenn wir uns so <strong>in</strong>tensiv wie<br />

immer beschäftigen. Ja, gerade <strong>in</strong> dem und für den Gebrauch<br />

muß ich das D<strong>in</strong>g se<strong>in</strong> lassen, was es ist. Ließe ich <strong>die</strong> Kreide<br />

nicht Kreide se<strong>in</strong>, würde ich sie etwa im Mörser zerstampfen,<br />

dann würde ich sie nicht gebrauchen.<br />

Im Gebrauchen ebenso wie im Nichtgebrauchen liegt <strong>die</strong>ses<br />

Se<strong>in</strong>lassen der D<strong>in</strong>ge, und zwar liegt es allem gebrauchenden<br />

Umgang mit den D<strong>in</strong>gen zugrunde. Aber nicht nur im gebrauchenden<br />

Verhalten, auch <strong>in</strong> ganz andersartigem Verhalten zu<br />

ganz andersartigem Seienden, etwa im aesthetischen Verhalten<br />

liegt e<strong>in</strong> ganz bestimmtes Se<strong>in</strong>lassen e<strong>in</strong>es Gemäldes z. B: oder<br />

e<strong>in</strong>er Plastik, und zwar abgesehen davon, ob das betreffende<br />

Kunstwerk mir e<strong>in</strong>en besonderen E<strong>in</strong>druck macht oder nicht.<br />

Dieses Se<strong>in</strong>lassen der D<strong>in</strong>ge im weitesten S<strong>in</strong>ne liegt grundsätzlich<br />

noch vor jeder besonderen Interessiertheit bzw. bestimmten<br />

Gleichgültigkeit. Dieses unser Se<strong>in</strong>lassen, unser<br />

Überlassen der D<strong>in</strong>ge an sie selbst und ihr Se<strong>in</strong> ist e<strong>in</strong>e eigene<br />

Gleichgültigkeit unsererseits, e<strong>in</strong>e Gleichgültigkeit des Dase<strong>in</strong>s,<br />

<strong>die</strong> zu se<strong>in</strong>em metaphysischen Wesen gehört. Diese<br />

>Gleichgültigkeit< ist nur möglich <strong>in</strong> der Sorge. Die Lässigkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Überlassen ist ke<strong>in</strong> Unterlassen schlechth<strong>in</strong>. Das Seiende<br />

se<strong>in</strong> lassen ist nicht etwa~nichts; wir tun freilich nichts<br />

§ lJ. Se<strong>in</strong>sart und Offenbarkeit 103<br />

dazu, daß etwa <strong>die</strong> Natur ist, was und wie sie ist, wir können<br />

nichts dazu tun, und doch ist <strong>die</strong>ses Se<strong>in</strong>lassen e<strong>in</strong> »Tun« der<br />

höchsten und ursprünglichen Art und nur möglich auf dem<br />

Grunde unseres <strong>in</strong>nersten Wesens der Existenz, der Freiheit.<br />

Diese metaphysische Gleichgültigkeit zu den D<strong>in</strong>gen wird uns<br />

noch sehr <strong>in</strong> Anspruch nehmen auf unserem Wege.<br />

Zunächst hat sich uns das e<strong>in</strong>e ergeben: Unser Se<strong>in</strong> bei den<br />

D<strong>in</strong>gen - bleiben wir im Gebiet des Vorhandenen - ist im Grunde<br />

se<strong>in</strong>es Wesens e<strong>in</strong> Se<strong>in</strong>lassen der D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> dem gekennzeichneten<br />

Si:nn. Daher kommt es, daß zum Se<strong>in</strong> bei . . . auch nicht<br />

notwendig e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressiertes Beschäftigtse<strong>in</strong> damit gehört, daß<br />

umgekehrt auch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teresseloses oder widerwilliges Verhalten<br />

zu den D<strong>in</strong>gen, ja auch jede Abkehr von ihnen e<strong>in</strong> Se<strong>in</strong> bei ... ist.<br />

Es zeigte sich: Wir müssen zuvor schon Teilhaber an den<br />

D<strong>in</strong>gen se<strong>in</strong>, um sie uns im und für den Gebrauch zu überlassen;<br />

allem Gebrauchen aber z.B.liegt schon zugrunde e<strong>in</strong> Se<strong>in</strong>lassen<br />

der D<strong>in</strong>ge.<br />

Besteht nun jene Teilhaberschaft an den D<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> dem gekennzeichneten<br />

Se<strong>in</strong>lassen des Seienden? Das Se<strong>in</strong>lassen von<br />

etwas, wie und was es ist, schließt doch nicht schon <strong>in</strong> sich e<strong>in</strong><br />

gegenseitiges Sichteilen <strong>in</strong> das Seiende? Müssen wir dann je<br />

zuvor Seiendes <strong>in</strong> dem, was und wie es ist, se<strong>in</strong> lassen, damit wir<br />

uns <strong>in</strong> das Seiende teilen können? Oder liegt es umgekehrt:<br />

Müssen wir uns <strong>in</strong> das Seiende zuvor teilen, um es an ihm selbst<br />

se<strong>in</strong> lassen zu können? Setzt Se<strong>in</strong>lassen Teilhaberschaft voraus<br />

oder umgekehrt Teilhaberschaft das Se<strong>in</strong>lassen? Was besagt hier<br />

voraussetzen? Zunächst bleibt zu klären, was Teilhabe besagt. In<br />

was teilen wir uns? Was ist das Geme<strong>in</strong>same dabei und wie ist<br />

das, wore<strong>in</strong> wir uns teilen, e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>sames?<br />

Wir teilen uns <strong>in</strong> das Vorhandene, heißt:<br />

1. wir zerteilen und verteilen es nicht unter uns, sondern<br />

lassen es ungeteilt;<br />

2. wir überlassen es uns gegenseitig im Gebrauch, und auch<br />

im bloßen, nicht gebrauchenden Liegenlassen teilen wir uns<br />

schon dare<strong>in</strong>.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!