Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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278 Weltanschauung und WeltbegrijJ<br />
Denken ist das Oberste und Letzte und Eigentliche. (Damit<br />
aber ist auch ke<strong>in</strong> Auskommen: Psychologische Anthropologie,<br />
sogar E<strong>in</strong>bildungskraft).<br />
Die Ausarbeitung und Sicherung des Feldes, dar<strong>in</strong> Kant sich<br />
bewegt, wird <strong>die</strong>sen traditionellen Diszipl<strong>in</strong>en <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hand gegeben.<br />
Nun ist es an sich schon e<strong>in</strong> fragwürdiges Unterfa.ngen,<br />
bei e<strong>in</strong>er Grundlegung der Metaphysik <strong>die</strong> Logik als Leitfaden<br />
zu übernehmen, auch dann, wenn sie auf Schritt und Tritt ad<br />
hoc korrigiert werden muß und wird. Diese Fragwürdigkeit<br />
steigert sich aber noch wesentlich, wenn wir bedenken, daß<br />
gerade <strong>die</strong> Logik <strong>in</strong> der Gestalt, wie sie Kant vorlag, auf völlig<br />
ungeklärten metaphysischen Voraussetzungen ruht, <strong>die</strong> mit<br />
dem geschichtlichen Ursprung <strong>die</strong>ser Logik aus der antiken<br />
Metaphysik zusammenhängen. Diese Voraussetzungen der Logik,<br />
ja ihr Begriff selbst, wurden noch nie zum Problem gemacht,<br />
und nie wurden <strong>die</strong> grundsätzlichen Probleme erwogen,<br />
daß und wie <strong>die</strong> Logik als solche <strong>in</strong> der Metaphysik gründet,<br />
d.h. immer nur zum Sche<strong>in</strong> sich gleichsam re<strong>in</strong> aus sich selbst<br />
entwickeln läßt. Über <strong>die</strong>ses Faktum darf uns nicht h<strong>in</strong>wegtäuschen,<br />
daß Kant se<strong>in</strong>er Logik e<strong>in</strong>e sehr durchsichtige schulmäßige<br />
Form gegeben hat.<br />
Mit <strong>die</strong>sem ungeklärten und unbefragten Vorrang der Logik<br />
selbst <strong>in</strong> der Problemstellung der »Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft«<br />
hängt es nun zusammen, daß gerade der Übergang zur Grundlegung<br />
der Metaphysica specialis gewaltsam und künstlich<br />
bleiben muß, so sehr im e<strong>in</strong>zelnen dar<strong>in</strong> Wesentliches <strong>in</strong> aller<br />
Klarheit entwickelt ist. Das gilt <strong>in</strong>sbesondere von der Art der<br />
E<strong>in</strong>führung der »Idee«.<br />
Mit der Lehre von den Grundsätzen sche<strong>in</strong>t <strong>die</strong> eigentliche<br />
Aufgabe: wie s<strong>in</strong>d synthetische Erkenntnisse apriori möglich?<br />
gelöst. Denn es ist nicht nur das Wesen <strong>die</strong>ser überhaupt geklärt<br />
und der Grund der <strong>in</strong>neren Möglichkeit aufgehellt, sondern sie<br />
s<strong>in</strong>d selbst herausgestellt <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit als <strong>die</strong>jenigen<br />
Erkenntnisse, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Möglichkeit von Erfahrung ausmachen.<br />
Sie enthalten das, was zur Se<strong>in</strong>sV'erfassung des Seienden gehört,<br />
§ 34. Kants WeltbegrijJ 279<br />
das dem endlichen Wesen Mensch zugänglich ist. Kant nennt<br />
<strong>die</strong> mögliche Erkenntnis des zugänglichen Seienden Erfahrung;<br />
»Erfahrung« ist doppeldeutig: Geme<strong>in</strong>t ist das Erfahren und<br />
auch das Erfahrene selbst.<br />
d) Kants Begriff der >Idee<<br />
Unter den Vorstellungen, Anschauungen und Begriffen, <strong>die</strong> zu<br />
<strong>die</strong>ser' Möglichkeit der Erfahrung gehören, kommt der Begriff der<br />
Welt nicht vor. »Welt« ist weder re<strong>in</strong>e Anschauung, noch re<strong>in</strong>er<br />
Begriff (notio), noch Kategorie als <strong>die</strong> <strong>in</strong> der re<strong>in</strong>en Zeit darstellbare<br />
Notion. Gleichwohl ist der Begriff »Welt« ke<strong>in</strong> beliebiger,<br />
sondern e<strong>in</strong>e notwendige Vorstellung eigener Art, e<strong>in</strong>e Idee.<br />
Wir müssen daher jetzt fragen:<br />
1. Was versteht Kant unter Idee?<br />
2. Wie ergibt sich für Kant <strong>die</strong> Notwendigkeit von Ideen?<br />
3. Was bedeutet es für <strong>die</strong> Fassung des Weltbegriffs, wenn er<br />
als e<strong>in</strong>e Idee bestimmt wird?<br />
4. Welche grundsätzlichen Probleme erwachsen aus <strong>die</strong>ser<br />
Fassung des Weltphänomens?<br />
Ad 1. und 2. Erfahrung bzw. das <strong>in</strong> der Erfahrung sich gebende<br />
Seiende ist notwendig im vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> durch <strong>die</strong> transzendentalen<br />
Grundsätze bestimmt. Bei all <strong>die</strong>ser Bestimmtheit ist doch alle<br />
Erfahrung ihrem Wesen nach unvollständig, weil zu ihrem Wesen<br />
gehört, daß Seiendes von sich aus begegnet, gegeben werden<br />
muß und <strong>die</strong> Möglichkeit des Gegebenwerdens von bislang nicht<br />
Erfahrenem, <strong>die</strong> Notwendigkeit e<strong>in</strong>er jeweils e<strong>in</strong>zelnen faktischen<br />
Gebung zum Wesen von Erfahrung gehört. Gegebenwerden<br />
- e<strong>in</strong> Geschehen und Vorgang zugleich, Commercium beider,<br />
faktisch. Obzwar <strong>die</strong> Erfahrung selbst als Empfangen ontologisch<br />
bestimmt ist, bleibt sie doch unvollständig und zufällig. Die E<strong>in</strong>heit<br />
des Gegebenen ist immer nur e<strong>in</strong>e empirische, aus dem, was<br />
SIch gerade gibt, sich bestimmende; <strong>die</strong>se »bed<strong>in</strong>gt« empirische<br />
E<strong>in</strong>heit kann aber eben jederzeit <strong>in</strong> und durch das Gegebene<br />
vorgestellt werden.