Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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162 Wesensbereich der Wahrheit - Wesen der Wissenschaft<br />
e<strong>in</strong>er verallgeme<strong>in</strong>ernden Form vorgestellt werden, nicht n<br />
weil primitiv mit vorwissenschaftlich sich nicht deckt, sonde~<br />
weil auch dort, wo es sich decken könnte, <strong>die</strong> Berichte, schon dIe<br />
Art des Fragens und der sprachlichen Wiedergabe bereits h<br />
. eutlger<br />
Interpretation unterliegen, d.h. wissenschaftlich mitbe_<br />
stimmt s<strong>in</strong>d.<br />
Die Interpretation des vorwissenschaftlichen Dase<strong>in</strong>s ist<br />
überhaupt ke<strong>in</strong>e empirische Frage der Prähistorie, sondern eth<br />
nologische Berichte und mythologische Überlieferung sprechen<br />
nur dann ihre Sprache, wenn schon zuvor <strong>die</strong> Wesensart des<br />
Dase<strong>in</strong>s bestimmt ist, von dem sie Kunde geben. Dafür s<strong>in</strong>d sie<br />
allerd<strong>in</strong>gs unentbehrliche F<strong>in</strong>gerzeige.<br />
Bei der Frage nach der Wesensverfassung des vorwissenschaftlichen<br />
Dase<strong>in</strong>s muß ferner geschieden werden zwischen<br />
der Auffassung, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> solches Dase<strong>in</strong> von sich selbst hat , und<br />
derjenigen Auffassung, <strong>die</strong> sich durch e<strong>in</strong>e rekonstruierende<br />
Interpretation ergibt. Für <strong>die</strong>se gehört jene mit zum Gegenstand<br />
als <strong>die</strong> zum vorwissenschaftlichen Dase<strong>in</strong> gehörige und<br />
zwar ausdrückliche Selbstauslegung. Für uns kann es sich hier<br />
natürlich nicht um e<strong>in</strong>e ausführliche Aufrollung <strong>die</strong>ses Problems<br />
handeln, sondern lediglich um e<strong>in</strong>e Kenn;eichnung<br />
e<strong>in</strong>iger Hauptzüge des vorwissenschaftlichen Dase<strong>in</strong>s, das uns<br />
zur Abhebung <strong>die</strong>nen soll.<br />
Wir verstehen unter vorwissenschaftlichem Dase<strong>in</strong> solches,<br />
dessen Wahrheit (Unverborgenheit) grundsätzlich nicht durch<br />
wissenschaftliche Erkenntnis mitbestimmt wird. Damit 1st<br />
nicht gesagt, daß solches Dase<strong>in</strong> nicht über Kenntnisse und<br />
Erkenntnisse verfügte, im Gegenteil, es hat solche ganz ursprünglicher<br />
Art. Entdeckt ist - <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne, wie wir den<br />
Term<strong>in</strong>us gebrauchen - das Land <strong>in</strong> der Feldbestellung, das<br />
Meer <strong>in</strong> der Schiffahrt; Landbestellung wie Schiffahrt vermitteln<br />
Kenntnisse der Witterung, der Jahreszeiten, Sternenkunde,<br />
Zeitrechnung. Gleichfalls gehört zum Dase<strong>in</strong> <strong>die</strong> Heilkunst des<br />
Menschen; alles ist <strong>in</strong> der direkten Ause<strong>in</strong>andersetzung des Dase<strong>in</strong>s<br />
mit dem Seienden erwachsen, an das es sich qua DaseID<br />
,~. 22. Bestimmung des Wesens der Wissenschaft 163<br />
schon verwiesen sieht. Was so zunächst aufgezählt wur<br />
Jln mer<br />
t wedt'! das erste noch das e<strong>in</strong>zige; vordem und alles<br />
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r dIe über Weltlauf und Menschenschicksale Kunde<br />
o en ,<br />
b Diese Kunde besteht nicht <strong>in</strong> gewissen Kenntnissen und<br />
§!1 t. f' d 'h . K k . . KId<br />
,a S t ze n ,<br />
sondern In et I re pnmäre on retlOn In u tus un<br />
o fer. Von <strong>die</strong>ser mythischen Grundauffassung des Dase<strong>in</strong>s im<br />
c;.~nzen sllld <strong>in</strong> der Frühzeit auch alle übrigen Verhaltungsweisen<br />
und Arten des Entdeckens von Seiendem wie Feldbestellung,<br />
Schiffahrt, Heilkunst, Sternkunde durchherrscht. Diese<br />
speZIfische vorwissenschaftliche Erschlossenheit des Dase<strong>in</strong>s ist<br />
Immer auch schon zum Wort gekommen, hat sich im Wort ausgesprochen,<br />
Ili}{to;,.und schafft sich als solches auch schon e<strong>in</strong>e<br />
eIgene Form der Überlieferung, vor aller Historie als Wissenschaft<br />
von der Geschichte. Imgleichen steht das, was wir Kunst<br />
nennen, ganz im Dienste <strong>die</strong>ser Dase<strong>in</strong>sbestimmung und -auslegung.<br />
Ferner ist das Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> <strong>in</strong> Sippe und Stamm<br />
geregelt durch sakralen Brauch; Geburt, Tod und Fortleben f<strong>in</strong>den<br />
ihre Auslegung aus dem so erschlossenen Ganzen des<br />
SeIenden.<br />
So 1st 1m vorwissenschaftlichen Dase<strong>in</strong> Vorhandenes, Zuhandenes,<br />
Mitdase<strong>in</strong> anderer, Selbstdase<strong>in</strong> offenbar, und all das<br />
durchwaltet vom Seienden im Ganzen und se<strong>in</strong>en je verschieden<br />
gefaßten mythischen Mächten (vgL Mana-Vorstellung). Das vorwIssenschaftliche<br />
Dase<strong>in</strong> hat so se<strong>in</strong>e spezifische Wahrheit.<br />
VVenn nun Wissenschaft e<strong>in</strong>e Art von Wahrheit ist und wenn sie<br />
vorwlssenschaftliche Wahrheit voraussetzt, so muß sich mit ihr<br />
und dureh sie e<strong>in</strong> Wandel der Wahrheit vollziehen. Das Wesen<br />
der WIssenschaft wird demnach sichtbar, wenn wir den Umschlag<br />
vom vorwissenschaftlichen Dase<strong>in</strong> zum wissenschaft<br />
IU'hen ms Auge fassen. Wenn wir nach <strong>die</strong>sem Umschlag als<br />
PlrlPm Wandel der Wahrheit des Dase<strong>in</strong>s fragen, dann fragen wir<br />
nd( h der Entstehung der Wissenschaft. Doch untersuchen wir<br />
na ht, WIe e<strong>in</strong>zelne Wissenschaften im Verlaufe der Geschichte<br />
pntstanden s<strong>in</strong>d und sich ausgebildet haben. Wir fragen auch