Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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t 50 Wesensbereich der Wahrheit - Wesen der Wissenschaft<br />
3. So ergeben sich zwei Grundweisen von Unverborgenheit<br />
des Seienden, Wahrheit als Erschlossenheit und als Entdeckt_<br />
heit. Sie s<strong>in</strong>d auch dem <strong>in</strong> ihm offenbaren Seienden <strong>in</strong> ganz<br />
verschiedener Weise zugeordnet.<br />
4. Diese Verschiedenheit der Zuordnung von Wahrheit <strong>in</strong><br />
Bezug auf Dase<strong>in</strong> und Vorhandenes geht darauf zurück, daß<br />
auch <strong>die</strong> Wahrheit des Vorhandenen, Entdecktheit, <strong>in</strong> der Erschlossenheit<br />
gründet, <strong>die</strong> ihrerseits zur Se<strong>in</strong>sverfassung des<br />
Dase<strong>in</strong>s gehört. Entdecktheit von Vorhandenem ist nur möglich<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>s mit, d. h. als zugehörig zur Erschlossenheit e<strong>in</strong>es Dase<strong>in</strong>s.<br />
5. Weil aber Da-se<strong>in</strong> wesenhaft erschlossenes ist, muß das<br />
Zusammen von Dase<strong>in</strong> und Dase<strong>in</strong> je e<strong>in</strong> Mite<strong>in</strong>ander se<strong>in</strong>.<br />
Dase<strong>in</strong> ist qua Da-se<strong>in</strong> wesenhaft Mitse<strong>in</strong> mit ... Erst auf dem<br />
Grunde <strong>die</strong>ses Mit des je e<strong>in</strong>zelnen Dase<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> verschiedenen<br />
Weisen des Zue<strong>in</strong>ander, Füre<strong>in</strong>ander, Gegen- und Ohnee<strong>in</strong>ander<br />
möglich.<br />
6. Weil aber <strong>die</strong> Entdecktheit wesensmäßig je erschlossene<br />
ist (und nur so se<strong>in</strong> kann, was sie ist), ist Unverborgenheit des<br />
Vorhandenen etwas, waS> das Dase<strong>in</strong> notwendig immer schon<br />
weg gegeben hat. Entdecktheit ist <strong>in</strong> der Offenheit des Dase<strong>in</strong>s<br />
geteilt mit ... , auch ohne daß e<strong>in</strong> Teilhaber faktisch zugegen ist.<br />
Durch <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen sechs Thesen zusammengezogene Interpretation<br />
der Wahrheit werden wir <strong>in</strong>stand gesetzt, das Wesen<br />
der Wahrheit schon grundsätzlicher, wenngleich immer noch<br />
nicht h<strong>in</strong>reichend radikal und universal zu bestimmen. Wir<br />
formulieren <strong>die</strong>se Bestimmungen <strong>in</strong> zwei weiteren Thesen:<br />
7. Das Dase<strong>in</strong> ist wesenhaft <strong>in</strong> der Wahrheit. (Vgl. unten<br />
S.204f.)<br />
8. Die Wahrheit existiert, d. h. ihre Se<strong>in</strong>sart ist <strong>die</strong> Existenz<br />
und das ist <strong>die</strong> Weise, <strong>in</strong> der so etwas wie Dase<strong>in</strong> ist.<br />
BeideThesen gehören aufs <strong>in</strong>nigste zusammen, besagen aber<br />
nicht dasselbe. Zunächst s<strong>in</strong>d sie nur so weit zu erläutern, als e,<br />
für <strong>die</strong> nächste Absicht gefordert ist, um dann sogleich <strong>die</strong> Wesensbestimmung<br />
der Wissenschaft zu versuchen.<br />
Ad 7. Der Satz kann zunäclrst bedeuten: Das Dase<strong>in</strong> ist im<br />
,~21. Zusammenfassung der Interpretation der Wahrheit 151<br />
. der Wahrheit, im Besitz der letzten und ersten entschei-<br />
Besltz ..' .<br />
d E 'rkenntnisse. Doch das 1st lllcht gememt. DIe These soll<br />
deD eD<br />
h darüber sagen, was das Dase<strong>in</strong> an Wahrheiten faktisch<br />
Me t5 . . .<br />
besltz<br />
. t<br />
, .<br />
sondern darüber, daß dIe Semsverfassung des Dasems<br />
der Ort des Wesens von Wahrheit ist. Die Wahrheit bedeutet<br />
hlE'r nicht das entscheidende Wahre und alles Wahre zusammen,<br />
sondern soviel wie Wesen der Wahrheit qua Unverborgenheit.<br />
Der Satz me<strong>in</strong>t: Das Dase<strong>in</strong> hält sich als solches <strong>in</strong> Unverborenheit<br />
von Seiendem, zu welchem Seienden zum<strong>in</strong>dest Vor<br />
~andenes, Zuhandenes, anderes Dase<strong>in</strong> und das jeweilige<br />
Dase<strong>in</strong> als eigenes gehört. Aufgebrochenheit des Da, Unverborgenheit<br />
von Seiendem gehört zum Wesen des Se<strong>in</strong>s <strong>die</strong>ses<br />
Seienden.<br />
Damit ist noch nicht gesagt, <strong>in</strong> welcher Weise <strong>die</strong>ses grundsätzlich<br />
mit der Existenz von Dase<strong>in</strong> offenbare Seiende eigens<br />
erfaßt oder auch nur <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Se<strong>in</strong>sart ausdrücklich unterschieden<br />
und geschieden ist. Daher ist mit dem Satz als e<strong>in</strong>er<br />
VVesensaussage nichts darüber ausgemacht, welche bestimmten<br />
Wahrheiten, <strong>in</strong> welcher Weise und <strong>in</strong> welcher Rechtfertigung<br />
und E<strong>in</strong>sicht gewonnen s<strong>in</strong>d.<br />
Bei <strong>die</strong>ser Gelegenheit können wir uns kurz <strong>die</strong> Zweideutigkeiten<br />
notieren, <strong>die</strong> im Begriff» Wahrheit« liegen und oft <strong>die</strong><br />
Diskussionen irreführen. Erstens kann <strong>die</strong> Wahrheit heißen: <strong>die</strong><br />
Wahrheit über etwas, d.h. e<strong>in</strong>e Wahrheit, das Wahre darüber.<br />
Zweitens kann <strong>die</strong> Wahrheit auch heißen: alles, was es an Wahrem<br />
gibt, das Ganze des Wahren. In <strong>die</strong>ser Bedeutung ist das<br />
VVort genommen, wenn man sagt: Gott ist <strong>die</strong> Quelle aller Wahrheit.<br />
Drittens besagt <strong>die</strong> Wahrheit das Wesen des Wahren als<br />
\'\ahren. In <strong>die</strong>sem dritten S<strong>in</strong>n gebrauchen wir das Wort Wahrhpit,<br />
wenn wir sagen, das Dase<strong>in</strong> ist se<strong>in</strong>em Wesen nach <strong>in</strong> der<br />
\'\dhrheit.<br />
Der Satz könnte aber ferner bedeuten: Das Dase<strong>in</strong> ist <strong>in</strong> der<br />
\\ahrheit und demnach außerhalb des Irrtums. Auch <strong>die</strong>se IntprprE'tation<br />
des Satzes trifft nicht se<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung. Weder sagt<br />
dpr Satz, das Dase<strong>in</strong> sei faktisch außerhalb des Irrtums, noch