Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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206 Zum Unterschted von Wtssenschaft und <strong>Philosophie</strong><br />
delns und zweitens doch zugleich e<strong>in</strong> Handeln, das sich etwas<br />
gibt, sich etwas zu verstehen gibt, h<strong>in</strong>nimmt und d.h. sich daran<br />
hält. Handeln, Tun heißt hier aber nicht ontisch herstellen,<br />
sondern übersteigend zeigen. Dieses Entwerfen von Se<strong>in</strong> haben<br />
wir uns näher gebracht durch e<strong>in</strong>e Kennzeichnung des Wandels<br />
vorwissenschaftlich-ontischer Wahrheit zu wissenschaftlich ontischer,<br />
d.h. positiver. Wir sagten, <strong>die</strong> Positivität der Wissenschaft<br />
werde ermöglicht durch <strong>die</strong>ses spezifische Se<strong>in</strong>lassen; e<strong>in</strong><br />
solches Se<strong>in</strong>lassen liegt aber <strong>in</strong> jedem Verhalten zu Seiendem.<br />
E<strong>in</strong> Entwurf ist nicht erst bei der Ausbildung von Wissenschaft<br />
Voraussetzung, sondern jederzeit und überall, wo und wenn Dase<strong>in</strong><br />
zu Seiendem sich verhält. Das geschieht aber im Dase<strong>in</strong><br />
nicht gelegentlich und zuweilen, sondern wesenhaft und ständig,<br />
sofern Dase<strong>in</strong> faktisch existiert. Dar<strong>in</strong> liegt: Das Dase<strong>in</strong> ist<br />
als solches entwerfend. Dieser Entwurf - ergab sich ferner - ist<br />
vorgängiger. Dase<strong>in</strong> muß sich schon dergleichen wie Se<strong>in</strong> zu<br />
verstehen gegeben haben, um sich zu Seiendem verhalten zu<br />
können.<br />
Der Entwurf ist <strong>in</strong> gewisser Weise früher, er geht voraus, und<br />
das Seiende offenbart sich uns derart, daß wir - verhüllterweise<br />
- von dem schon verstandenen Se<strong>in</strong> her erst auf solches stoßen,<br />
was wir nun erst, eben im Lichte des Se<strong>in</strong>sverständnisses, als<br />
Seiendes begegnen lassen. Aus dem vorweg verstandenen Se<strong>in</strong><br />
kommen wir allererst auf Seiendes zurück, genauer: Sofern wir<br />
uns ständig schon zu Seiendem verhalten, s<strong>in</strong>d wir immer schon<br />
<strong>in</strong> und aus e<strong>in</strong>em vorgängigen Se<strong>in</strong>sentwurf auf Seiendes zurückgekommen.<br />
Im vorgängigen Entwurf von Se<strong>in</strong> übersteigen wir zuvor<br />
schon immer das Seiende. Nur aufgrund <strong>die</strong>ser Erhöhung, e<strong>in</strong>es<br />
solchen Überstiegs wird Seiendes als Seiendes offenbar. Sofern<br />
aber der Se<strong>in</strong>sentwurf zum Wesen des Dase<strong>in</strong>s gehört, muß auch<br />
schon immer <strong>die</strong>ser Überstieg des Seienden geschehen se<strong>in</strong> und<br />
im Grund des Dase<strong>in</strong>s geschehen.<br />
Wir bezeichnen <strong>die</strong>ses vorgängige Übersteigen von Seiendem<br />
mit dem Fremdwort traI1$cendere und nennen den Über-<br />
§ 28. Ontische und ontologische Wahrheit 207<br />
stIeg <strong>die</strong> Transzendenz. Das Dase<strong>in</strong> als solches ist transzen<strong>die</strong>rend<br />
- transzendent. Das Grundwesen der Se<strong>in</strong>sverfassung des<br />
Seienden, das wir je selbst s<strong>in</strong>d, ist der Überstieg von Seiendem.<br />
VIit <strong>die</strong>sem Überstieg, der Transzendenz, liegt im Dase<strong>in</strong> als<br />
solchem e<strong>in</strong>e ureigene Erhöhung se<strong>in</strong>er selbst. Nur weil <strong>in</strong> der<br />
Existenz des Dase<strong>in</strong>s wesenhaft <strong>die</strong>se Erhöhung liegt, kann das<br />
existierende Dase<strong>in</strong> fallen, und d.h. <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Weise zu se<strong>in</strong><br />
durch das bestimmt se<strong>in</strong>, was wir (»Se<strong>in</strong> und Zeit«) das Verfallen<br />
nennen.<br />
Wenn nun <strong>die</strong> ontologische Wahrheit im eigentlichen S<strong>in</strong>ne<br />
als vorgängiger Entwurf von Se<strong>in</strong> ihrerseits nur möglich ist auf<br />
dem Grunde des Überstiegs, d. h. der Transzendenz des Dase<strong>in</strong>s,<br />
dann gründet <strong>die</strong> ontologische Wahrheit <strong>in</strong> der Transzendenz,<br />
d. h. sie ist transzendental. Hierunter verstehen wir erstens alles,<br />
was zur Transzendenz als solcher gehört; zweitens nennen wir<br />
transzendental all das, was se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Möglichkeit nach auf<br />
Transzendenz zurückweist. Was transzendental besagt, ist nur zu<br />
erörtern, wenn das Wesen der Transzendenz bestimmt ist.<br />
Bei Kant geschieht das <strong>in</strong> gewissem S<strong>in</strong>ne beiläufig und ohne<br />
Klarheit über <strong>die</strong> Voraussetzungen und Erfordernisse e<strong>in</strong>er zurE'lchenden<br />
Aufhellung des Wesens der Transzendenz. »Transzendent«<br />
heißt für Kant: »überfliegend«. Es wird gebraucht<br />
von Begriffen (Vorstellungen), <strong>die</strong> <strong>die</strong> Möglichkeit der Erfahrung,<br />
der ontischen Erkenntnis, übersteigen, und zwar zu Unrecht<br />
überschreiten, <strong>die</strong> etwas über das Seiende an sich<br />
ausmachen, ohne daß es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er entsprechenden Anschauung<br />
gegeben wäre (wobei »an sich« hier heißt: relativ auf Gott).<br />
»Transzendental« dagegen ist e<strong>in</strong>e Art von Erkenntnis, <strong>in</strong> der es<br />
»Begriffe« gibt, <strong>die</strong> sich nicht auf Gegenstände - an sich -<br />
beZIehen, sondern auf <strong>die</strong> Möglichkeit der ontischen Erkenntms,<br />
auf <strong>die</strong> Möglichkeit der synthetischen Erkenntnisse apriori,<br />
emer wesenhaft zur ontischen Erkenntnisart gehörenden Erkenntnis;<br />
hier geht es also um <strong>die</strong> <strong>in</strong> ihre Schranken gewiesene<br />
Erkenntnis des Seienden bzw. deren Ermöglichung, und das<br />
heIßt eben positiv: E<strong>in</strong>schränkung.