Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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72 Wahrheit und Se<strong>in</strong><br />
das Bestehende: Zahl und Raum. Nach <strong>die</strong>sen Grundarten des<br />
Se<strong>in</strong>s können wir Bereiche kennzeichnen, obwohl der Aspekt<br />
von Bereichen nicht wesentlich und primär ist. Das Existierende,<br />
das Lebende, das Vorhandene, das Zuhandene s<strong>in</strong>d nicht<br />
nebene<strong>in</strong>andergeschobene Bereiche, sondern nur methodische<br />
Auffassungsbegriffe. Vollkommen verschieden von <strong>die</strong>ser Auffassung<br />
von Natur ist »Natur« im S<strong>in</strong>ne von Kosmos oder als<br />
Gegenbegriff zu Kunst; <strong>die</strong>ses Problem hat e<strong>in</strong>e ganz andere<br />
Stelle.<br />
b) Das Se<strong>in</strong> bei ... als Existenzbestimmung des Dase<strong>in</strong>s<br />
Die Beantwortung der Frage, was das Wesen der Wahrheit sei,<br />
hängt davon ab, wie weit es uns gel<strong>in</strong>gt, das Dase<strong>in</strong> selbst, d.h.<br />
uns selbst <strong>in</strong> unserer Existenz, so ursprünglich aufzuklären, daß<br />
wir aus dem Wesen unserer eigenen Existenz sehen, <strong>in</strong>wiefern<br />
zu ihr wesensmäßig so etwas wie Wahrheit gehört.<br />
Se<strong>in</strong> bei ... ist e<strong>in</strong>e Art zu se<strong>in</strong>, <strong>die</strong> dem zukommt, was existiert,<br />
das eben <strong>die</strong>se spezifische Grundart zu se<strong>in</strong> hat, welche<br />
Grundart zu se<strong>in</strong> sich, wenn auch nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>sicht, <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong>sem Se<strong>in</strong> bei ... dokumentiert. Wenn <strong>die</strong>ses e<strong>in</strong> Modus der<br />
Existenz des Dase<strong>in</strong>s ist, dann muß <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Möglichkeit <strong>die</strong>ses<br />
Existenzmodus sich aufklären und nur dadurch aufklären<br />
lassen, daß wir <strong>die</strong> Existenz des Dase<strong>in</strong>s, d. h. das Dase<strong>in</strong> als<br />
solches h<strong>in</strong>reichend begreifen. Das Dase<strong>in</strong> ist aber nichts anderes,<br />
als was wir bisher »Subjekt« nannten, Subjekt, das zu<br />
Objekten <strong>in</strong> der besagten Beziehung steht.<br />
Haben wir nun lediglich e<strong>in</strong> anderes Wort für dasselbe Seiende<br />
gesetzt, Dase<strong>in</strong> statt Subjekt, oder was ist gewonnen? Wir<br />
sehen, daß wir nicht e<strong>in</strong>fach mit der Subjekt-Objekt-Beziehung<br />
operieren können, solange nicht klar ist, was hier >Subjekt< besagt.<br />
Dies erfahren wir aber nur, wenn wir <strong>die</strong> Subjektivität des<br />
Subjekts zum Problem machen, d. h. fragen, was das Dase<strong>in</strong> als<br />
Seiendes <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ursprünglichen Verfassung bestimmt, was<br />
<strong>die</strong>ses Seiende als solches ist, <strong>die</strong>ses Seiende, von dem wir bereits<br />
§ 12. Das ursprüngliche Wesen der Wahrheit 73<br />
festgestellt haben, es existiert so, daß es <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Existenz sich<br />
bei anderem Seienden aufhält. Wir müssen <strong>die</strong>ses Se<strong>in</strong> bei ...<br />
als Existenzbestimmung festhalten und fragen: Wie muß <strong>die</strong><br />
Existenz von Dase<strong>in</strong> überhaupt bestimmt werden, daß <strong>in</strong> der<br />
ursprünglichen Verfassung <strong>die</strong>ses Seienden <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Möglichkeit<br />
e<strong>in</strong>es solchen Se<strong>in</strong>s bei ... ans Licht kommt? Wir können<br />
und dürfen nicht irgende<strong>in</strong>en Begriff vom Subjekt voraussetzen<br />
und daraus <strong>die</strong> Aussage und <strong>die</strong> Subjekt-Objekt-Beziehung erklären,<br />
sondern umgekehrt: Was wir zunächst als Phänomen<br />
festgenommen haben, das müssen wir als e<strong>in</strong>e Bestimmung des<br />
Dase<strong>in</strong>s festhalten und gemäß <strong>die</strong>ser Bestimmung, <strong>die</strong>sem Se<strong>in</strong><br />
bei ... , nun das Dase<strong>in</strong> selbst, <strong>die</strong> Subjektivität des Subjekts,<br />
bestimmen.<br />
Aber <strong>die</strong>se Aufhellung des Se<strong>in</strong>s bei ... , d. h. <strong>die</strong>ser Rückgang<br />
auf das Dase<strong>in</strong>, geschieht <strong>in</strong> der leitenden Absicht, das ursprüngliche<br />
Wesen der Wahrheit zu f<strong>in</strong>den und um daraus das<br />
Wesen der Wissenschaft als e<strong>in</strong>er Art von Wahrheit zu verstehen.<br />
Bei der Erörterung der Krisis der Wissenschaft ergab sich,<br />
daß ungeklärt ist, welche Stellung <strong>die</strong> Wissenschaft <strong>in</strong> der Existenz<br />
des Menschen, d. h. im Dase<strong>in</strong> selbst, hat. Die Frage nach<br />
der Wissenschaft bzw. Wahrheit führt uns zurück auf <strong>die</strong> eigen-<br />
tümliche Frage nach uns selbst. Das ist aber zunächst nur e<strong>in</strong>e<br />
vorgreifende und allgeme<strong>in</strong>e Kennzeichnung des Horizonts, <strong>in</strong><br />
den wir nun h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>fragen und der mit dem zunehmend bestimmteren<br />
Fragen sich mehr und mehr aufklärt.<br />
Damit wir aber <strong>die</strong>sen Horizont für <strong>die</strong> nähere Aufklärung<br />
des Se<strong>in</strong>s bei ... konkret <strong>in</strong> gewissen Hauptstrukturen sehen,<br />
müssen wir den Ausgang unseres Fragens nach der <strong>in</strong>neren<br />
Möglichkeit des Se<strong>in</strong>s bei ... als Existenzmodus noch konkreter<br />
bestimmen. Aber was läßt sich darüber noch mehr sagen?<br />
Kehren wir zurück zu unserer Aussage »Diese Kreide ist<br />
weiß«. Dieses Aussagen über ... ist vollzogen und nur vollziehbar<br />
auf dem Grunde dessen, daß wir uns schon aufhalten bei der<br />
Kreide. Wenn wir <strong>die</strong>se Aussage über <strong>die</strong> Kreide vollziehen und<br />
sie dabei gewissermaßen <strong>in</strong>s Auge fassen, halten wir uns dabei