Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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164 Wesensberach der Wahrhelt - Wesen der Wtssenschaft<br />
nicht historisch nach den faktischen Veranlassungen, Motiven<br />
und den verschiedenen Sta<strong>die</strong>n der faktischen Ausbildung e<strong>in</strong>er<br />
Wissenschaft, ebenso wenig wie nach den Ursachen des faktl<br />
schen Stehenbleibens oder gar des Verfalls e<strong>in</strong>zelner Diszipl<strong>in</strong>en<br />
Nach der Entstehung der Wissenschaft fragen, heißt für Uns<br />
jetzt: Was gehört zur <strong>in</strong>neren Möglichkeit dessen, was wir WI S<br />
senschaft nennen? Was muß notwendig geschehen, damit W IS<br />
senschaft werden kann, ganz abgesehen davon, wie sie faktisch<br />
im e<strong>in</strong>zelnen gerade ist?<br />
Dieser Umschlag vom vorwissenschaftlichen Dase<strong>in</strong> zum<br />
wissenschaftlichen läßt sich sche<strong>in</strong>bar leicht bestimmen; WIr<br />
brauchen nur Ausgangs- und Endstellung <strong>die</strong>ses Geschehens<br />
mite<strong>in</strong>ander zu vergleichen, d. h. was uns am nächsten liegt, das<br />
vorwissenschaftliche Dase<strong>in</strong> von unserem wissenschaftlichen<br />
aus abzuschätzen. Wenn wir auch das vorwissenschaftliche Dase<strong>in</strong><br />
nur <strong>in</strong> der Rekonstruktion gew<strong>in</strong>nen, so verfügen wir doch<br />
über das wissenschaftliche, sofern wir selbst <strong>in</strong> unserem faktIschen<br />
Dase<strong>in</strong> als e<strong>in</strong> solches bestimmt s<strong>in</strong>d. Aber hier schleIcht<br />
sich leicht e<strong>in</strong>e Täuschung e<strong>in</strong>. Denn damit, daß unser Dasem<br />
faktisch durch <strong>die</strong> Wissenschaft bestimmt ist, ist ja noch nicht<br />
verbürgt, daß wir auch wüßten und begriffen, was Wissenschaft<br />
heißt. Das, was wir heute so nennen, mag <strong>in</strong> der Tat echte<br />
Wissenschaft se<strong>in</strong>; doch gibt sie nicht ohne weiteres den Begnff<br />
der Wissenschaft her. Vielleicht ist e<strong>in</strong>e gewisse Kenntnis der<br />
Wissenschaft erforderlich, um ihr Wesen zu bestimmen; aber<br />
<strong>die</strong>se Kenntnis reicht <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise aus. So s<strong>in</strong>d wir bezüglich<br />
des wissenschaftlIchen Dase<strong>in</strong>s im Grunde nicht besser gestellt<br />
als h<strong>in</strong>sichtlich des vorwissenschaftlichen, ja, vielleicht liegt dIe<br />
Gefahr der Fehl<strong>in</strong>terpretation des Wesens des wissenschafth<br />
chen Dase<strong>in</strong>s noch näher, gerade weil wir selbst als solches<br />
bestimmt s<strong>in</strong>d. Die Gefahr besteht, daß wir gewisse äußere und<br />
aufdr<strong>in</strong>gliche Kennzeichen der Wissenschaft für ihr Wesen hai<br />
ten. Wir müssen das Wesen der Wissenschaft und des wissen<br />
schaftlichen Dase<strong>in</strong>s nicht m<strong>in</strong>der konstruieren als das des<br />
vorwIssenschaftlichen Dase<strong>in</strong>s..-<br />
§ 22. Bestimmung des Wesens der Wtssenschaft 165<br />
Das Ist ewe merkwürdige Situation: Was wir vergleichen<br />
11 n<br />
haben wir gar nicht; für <strong>die</strong> Betrachtung <strong>die</strong>ses Um<br />
\\ 0 e ,<br />
,C hlags vom vorwissenschaftlichen zum wissenschaftlichen Da-<br />
,eIn haben wIr weder <strong>die</strong> Ausgangs- noch <strong>die</strong> Endstellung. Ich<br />
mache Jetzt nur beiläufig auf das ganz Eigentümliche unserer<br />
Lage und unseres' Vorgehens aufmerksam; wir wollen darüber<br />
nlcht weIter reflektieren, sondern wirklich vorgehen und das<br />
\uffallende wagen, durch Vergleichung dessen, was wir im<br />
(Jrunde noch nicht haben, das zu Vergleichende gew<strong>in</strong>nen.<br />
Bel der Vergleichung von vorwissenschaftlichem und von<br />
\\ Issenschafthchem Dase<strong>in</strong> liegt offensichtlich e<strong>in</strong>s zutage: Das<br />
\ orwlssenschaftliche Dase<strong>in</strong> beruht h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er Wahrheit,<br />
d h. der Art der Unverborgenheit des Seienden, weitgehend<br />
auf naIven Irrtümern, Aberglaube, Willkür und UnbeholfenheIt.<br />
Erst <strong>die</strong> Wissenschaft br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> echte Wahrheit über<br />
das SeIende. E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Beispiel kann das klar machen, etwa<br />
dIe Art und Weise, wie <strong>die</strong> Sonne entdeckt ist. Für <strong>die</strong> Griechen<br />
der Fruhzelt war sie der Gott Helios, der Gott, der auf se<strong>in</strong>em<br />
feungen Wagen durch den Himmelsraum fährt und im Okeanos<br />
versmkt Spater verliert <strong>die</strong>se Deutung an Kraft, <strong>die</strong> Sonne wird<br />
('me ScheIbe, <strong>die</strong> ihre Bahn zieht. Bald zeigt sich <strong>die</strong> Scheibe als<br />
"me feunge Kugel, e<strong>in</strong> Ball, der sich um <strong>die</strong> Erde bewegt. Danach<br />
wIrd umgekehrt <strong>die</strong> Erde e<strong>in</strong>e Kugel, <strong>die</strong> sich um <strong>die</strong><br />
:,onne als Zentrum bewegt, und schließlich ist <strong>die</strong>ses Sonnensystem<br />
nur e<strong>in</strong>es unter vielen anderen. Unsere Sonne wurde<br />
dann weitgehend durch das Sonnenspektrum erforscht.<br />
Wo Ist nun <strong>die</strong> Wahrheit? Vermag gerade <strong>die</strong> heutige Physik<br />
und Astronomie zu behaupten, sie entdecke den Kosmos so, wie<br />
er seI) Wo hegt das Kriterium dafür, daß <strong>die</strong> heutige Auffassung<br />
dpr Sonnensysteme <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zig wahre sei, daß sie mith<strong>in</strong> wahrer<br />
'PI als dIe fruhere und gar <strong>die</strong> mythische? Aber sprechen wir<br />
tlIcht auch noch vom Untergang der Sonne? Ist das nur e<strong>in</strong>e<br />
!{('dewelse? Sehen wir sie nicht wirklich untergehen, und behprr~cht<br />
dIese Unverborgenheit der Sonne nicht unser alltägllc<br />
hes Dasem?