Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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168 Wesensbereich der Wahrheit - Wesen der Wissenschaft<br />
des heutigen Dase<strong>in</strong>s aus dem Wege gehen, statt <strong>die</strong> freien 1\ f<br />
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zu hören oder erst das Gehör dafür zu bilden.<br />
Der ßioS; frEO>Qrp;LXOS; als Problem erfordert mehrere Fragen: 1<br />
Wie entstand <strong>die</strong>se Dase<strong>in</strong>sgrundhaltung? 2. Wie vollzog sich'<br />
<strong>die</strong> Selbstauslegung <strong>die</strong>ses ßioS;? 3. Welche Auffassung Von Leben,<br />
Dase<strong>in</strong>, Existenz liegt der Entstehung und Auslegun<br />
zugrunde? 4. Wie wird <strong>die</strong>ser ßioS; gegen andere abgegrenzt, un~<br />
welche Rangstellung hat er unter den übrigen? 5. Welches s<strong>in</strong>d<br />
<strong>die</strong> besonderen metaphysischen Voraussetzungen für <strong>die</strong> Auffassung<br />
<strong>die</strong>ses ßios; als des höchsten?<br />
Im Folgenden kann aus den fünf Fragen nur <strong>die</strong> Hauptsache<br />
geklärt werden. Zuvor s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige unumgängliche Worterläuterungen<br />
nötig, <strong>die</strong> schon F<strong>in</strong>gerzeige geben für das Sachverständnis.<br />
frEO>Ql]"tLXOS; ßioS;, vita contemplativa ist <strong>die</strong> betrachtende<br />
Grundhaltung des Dase<strong>in</strong>s. BioS; heißt »Leben«, daher das<br />
Wort »Biologie«; von ~o>Tj leitet sich »Zoologie« ab. Der Mensch<br />
ist das ~0ov Myov fXOV, das animal rationale. Bios; und ~O>tl nennen<br />
beide das Leben, aber oft hat ßioS; e<strong>in</strong>e betonte Bedeutung:<br />
Biographie, Lebensgeschichte, »Leben« nicht im biologischzoologischen<br />
S<strong>in</strong>ne, sondern qua »Dase<strong>in</strong>«, Existenz. BioS; 'Il]ooD.<br />
das »Leben Jesu« ist e<strong>in</strong>e Erzählung, Darstellung de; Geschichte<br />
se<strong>in</strong>es Lebens. In unserem Falle geht es nicht um <strong>die</strong><br />
Erzählung der Lebensgeschichte und nicht um <strong>die</strong>se selbst als<br />
faktische mit all ihren Vorkommnissen und Umständen, sondern<br />
um <strong>die</strong> Grundrichtung e<strong>in</strong>es Dase<strong>in</strong>s, sofern es durch e<strong>in</strong>e<br />
wesentliche Haltung, <strong>die</strong> es sich selbst geben kann, sich bestimmt,<br />
um e<strong>in</strong>e mögliche Grundhaltung menschlicher Exi<br />
stenz. Konstitutiv für <strong>die</strong>sen ßios; ist <strong>die</strong> :rtQOUiQEOLS;, Anticipation.<br />
<strong>die</strong> freie Vorwegnahme e<strong>in</strong>er bestimmten Möglichkeit des Dase<strong>in</strong>s.<br />
Zum Dase<strong>in</strong> gehören mehrere ßim und <strong>die</strong> Möglichkeit<br />
der Wahl zwischen verschiedenen Grundrichtungen.<br />
eEO>Qrp;LXOS;, frEO>QOS;, frEO>Qiu verweist etymologisch auf {}Eu und<br />
.fog (6QQOS; den Zuschauer bei etwas,<br />
was e<strong>in</strong>en Anblick bietet, z. B. den Festbesucher der Olympl<br />
sehen Spiele; frEO>QElv ist ansQElv das Schauen und Betrachten der s<strong>in</strong>nlirhen<br />
und übers<strong>in</strong>nlichen Welt. Der Begriff der platonischen<br />
Idee ist aus <strong>die</strong>ser Grundhaltung der theoria, des frEO>QELV, herausgewachsen.<br />
ewgl]"tLXOS; wird noch nicht von Platon gebraucht,<br />
erst von Aristoteles als das so sich verhalten können,<br />
(!leses Betrachten als Möglichkeit.<br />
Bloc; {tEWgTj1:LXOS; ist also e<strong>in</strong>e neue Grundhaltung des menschlichen<br />
Dase<strong>in</strong>s als verweilendes Betrachten des Ganzen der<br />
VYelt. Aristoteles gibt frEO>Qta den S<strong>in</strong>n des »theoretischen« (im<br />
griechischen S<strong>in</strong>ne) Verhaltens. Das Wort frEO>Ql]"tLXOS; ist se<strong>in</strong>e<br />
Prägung. Er sieht <strong>in</strong> der frEO>Qiu <strong>die</strong> eigentliche Lebensbewegtheit,<br />
den re<strong>in</strong>sten S<strong>in</strong>n der EVEQYELU, d. h. <strong>die</strong> »erste« Bewegung<br />
als solche, 1:0 frELoV'. Das Worauf ist das ad.<br />
Es ist charakteristisch für <strong>die</strong> Etymologie der antiken Philologen<br />
nach Aristoteles 2 , daß sie frEOS; und frEO>Qiu auf das Betrachten<br />
der göttlichen D<strong>in</strong>ge, auf das Überwältigende, auf Gott,<br />
frEOC;, bezogen haben. Der aristotelische Gottesbegriff selbst wird<br />
bald nach Aristoteles religiös-ethisch umgedeutet bzw. er gibt<br />
dafür <strong>die</strong> kategoriale Struktur her._Die Entwicklung von frEO>Qiu<br />
III der antiochenischen skeptischen Schule führt daI1-n dazu, daß<br />
»theoretisch« jetzt nicht nur gegen »praktisch« unterschieden<br />
wird, sondern gegen glaubensmäßige Deutung, d. h. verstanden<br />
als »aus bloßer Vernunft«. So ist <strong>die</strong> Etymologie, <strong>die</strong> Alexandros<br />
,\ phrodisias gibt, verständlich und e<strong>in</strong> wichtiges Dokument der<br />
Bedeutungsgeschichte des aristotelischen Gottesbegriffes wie<br />
des S<strong>in</strong>ns von frE:ffiQiu: "to YUQ frEO>QElv / XUL a:rt' uu"tou "tOU OVO!lu"tOS;<br />
/)~AOV / OlC; fon :rtEQL "ttlV "tWV frEiO>v Ö'I\'LV"tE XUL YVWOLV' / Ol]!lULVEL YUQ "to<br />
j I I["rmann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und<br />
'\'·"tsch. Erster Band, 4. Aufl., Berl<strong>in</strong> 1922. S. 582. Vgl. ferner <strong>die</strong> Berichte über<br />
"~xdgoraS (Leben und Lehre). A.a.O., S. 575 ff.<br />
)1 - \lpxandros Aphrodisias, In Aristot. analytica priora I, ed. Wallies, pag. 5,<br />
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