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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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274 Weltanschauung und Weltbegriff<br />

Was für uns an <strong>die</strong>ser Vierteilung wichtig ist, ist <strong>die</strong> Scheidung<br />

<strong>die</strong>ser Grundsätze <strong>in</strong> mathematische und dynamische<br />

Grundsätze. Die mathematischen Grundsätze gehen auf <strong>die</strong> Anschauung,<br />

<strong>die</strong> dynamischen auf das Dase<strong>in</strong>. Kant bemerkt<br />

ausdrücklich: »Man wird aber wohl bemerken: daß ich hier<br />

ebensowenig <strong>die</strong> Grundsätze der Mathematik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Falle,<br />

als <strong>die</strong> Grundsätze der allgeme<strong>in</strong>en (physischen) Dynamik im<br />

andern, sondern nur <strong>die</strong> des re<strong>in</strong>en Verstandes im Verhältnis auf<br />

den <strong>in</strong>neren S<strong>in</strong>n (ohne Unterschied der dar<strong>in</strong> gegebenen Vorstellungen)<br />

vor Augen habe, dadurch denn jene <strong>in</strong>sgesamt ihre<br />

Möglichkeit bekommen. Ich benenne sie also mehr <strong>in</strong> Betracht<br />

der Anwendung, als um ihres Inhalts willen.« (A 162, B 201 f.)<br />

Er will sagen: Die Tafel der Grundsätze umgreift <strong>die</strong> ontologischen<br />

Erkenntnisse, d.h. <strong>die</strong> Erkenntnisse, <strong>die</strong> überhaupt bestimmen,<br />

was zum ontologischen Wesen der Natur gehört. Nun<br />

wissen wir aber, daß e<strong>in</strong> Seiendes, z.B. <strong>die</strong> Natur e<strong>in</strong>mal durch<br />

das Wesen = Wasse<strong>in</strong> = essentia bestimmt ist und zum andern<br />

durch <strong>die</strong> bestimmte Art des Wiese<strong>in</strong>s = existentia, <strong>in</strong> der kantischen<br />

Term<strong>in</strong>ologie durch das Dase<strong>in</strong>. Entsprechend <strong>die</strong>ser<br />

Doppelung <strong>in</strong> essentia und existentia muß auch das System der<br />

ontologischen Grundsätze <strong>in</strong> mathematische und dynamische<br />

Grundsätze gegliedert werden.<br />

Diese Ausdrücke mathematisch und dynamisch bedeuten ontologisch<br />

soviel wie essential und existential im S<strong>in</strong>ne von<br />

Leibniz. Ich erwähne <strong>die</strong>se Teilung deshalb, weil aus ihr erneut<br />

heraustritt, <strong>in</strong>wiefern <strong>die</strong> Tafel der Grundsätze nichts anderes ist<br />

als das Ganze der ontologischen Erkenntnisse der Natur oder <strong>die</strong><br />

Möglichkeit e<strong>in</strong>er Natur überhaupt. Wie aber <strong>die</strong> Natur von<br />

Kant gedacht ist <strong>in</strong> Korrelation der Erkenntnis, <strong>die</strong> er Erfahrung<br />

nennt, so ist <strong>die</strong> Herausarbeitung der Erkenntnis e<strong>in</strong>er Natur<br />

überhaupt zugleich <strong>die</strong> Umgrenzung des Wesens der Erfahrung.<br />

Mit <strong>die</strong>ser Herausstellung der Möglichkeit der Erfahrung und<br />

der Möglichkeit der Natur ist zunächst der positive Teil der<br />

Kritik als Grundlegung der metaphysica generalis abgeschlossen.<br />

§ J4. Kants Weltbegriff 275<br />

Gleichwohl stellt <strong>die</strong>ses Phänomen der Möglichkeit der Erfahrung<br />

<strong>in</strong> zwei Richtungen e<strong>in</strong> eigentümliches neues Problem,<br />

das wir nicht so sehr negativ wie Kant, sondern positiv formulieren.<br />

Zur Erfahrung, d. h. zur endlichen Erkenntnis gehört,<br />

daß das, was erkannt wird, uns affiziert. Zum Wesen der Erfahrung<br />

im S<strong>in</strong>ne der Affektion und Rezeptivität gehört <strong>die</strong><br />

Zufälligkeit. Jede Erfahrung ist zufällig, d. h. angewiesen auf<br />

das E<strong>in</strong>treten des bestimmten Faktums, daß wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Lage von bestimmten D<strong>in</strong>gen affiziert werden. Dar<strong>in</strong><br />

ist beschlossen, daß <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heit der Erfahrung immer vom jeweiligen<br />

empirischen Bestande dessen abhängig ist, was gerade<br />

zugänglich geworden ist. Diese empirische E<strong>in</strong>heit der Erfahrung<br />

jedoch ist selbst als E<strong>in</strong>heit nur denkbar, wenn sie bestimmt<br />

ist durch e<strong>in</strong>e höhere. Gerade <strong>die</strong> Möglichkeit der<br />

Erfahrung als E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>er bestimmten Erkenntnis schließt <strong>in</strong><br />

sich'<strong>die</strong> Frage, mit Bezug worauf <strong>die</strong> Möglichkeit der Erfahrung<br />

etwas Zufälliges, E<strong>in</strong>geschränktes sei, umgekehrt, welches <strong>die</strong><br />

höhere E<strong>in</strong>heit ist, <strong>in</strong>nerhalb deren jede empirische E<strong>in</strong>heit der<br />

Erfahrung sich bewegt.<br />

Es gibt ke<strong>in</strong>e apriorisch-ontische Erkenntnis, sondern nur<br />

ontologische, und <strong>die</strong>se unter bestimmten Bed<strong>in</strong>gungen, bzw.<br />

<strong>die</strong> rechtmäßige und echte, apriori auf das Seiende bezogene<br />

Erkenntnis ist <strong>die</strong> ontologische. Aber ist <strong>die</strong>se schon völlig bestimmt?<br />

Transzendentale Wahrheit und transzendentaler<br />

Sche<strong>in</strong> (Unwahrheit): Etwas, was sich ausgibt als ontisch-apriorische<br />

Erkenntnis und ke<strong>in</strong>e ist.<br />

c) Exkurs: Kants Dialektik<br />

Um den Sitz des Sche<strong>in</strong>s und den transzendentalen Sche<strong>in</strong> überhaupt<br />

erörtern zu können, bedarf es nicht nur der vorausgegangenen<br />

Analytik, sondern im Sche<strong>in</strong> selbst liegt etwas Positives,<br />

das sich ausgibt als ... und was nicht identisch ist mit den<br />

synthetischen Erkenntnissen apriori, sondern <strong>die</strong>sen selbst als<br />

Bed<strong>in</strong>gungen zugrunde liegt.

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