Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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66 Die Frage nach dem Wesen der Wissenschaft<br />
mitbetroffen wird, was sich <strong>die</strong>sem Ansatz zufolge ergibt: <strong>die</strong><br />
ganze Mannigfaltigkeit der Beziehungen zwischen Subjekt und<br />
Objekt. - Alle<strong>in</strong> auf <strong>die</strong>se Fragwürdigkeit des Ansatzes können<br />
wir uns jetzt nicht berufen, wo wir positiv zeigen sollen, warum<br />
er fragwürdig ist.<br />
Nun ist aber doch <strong>die</strong>ser Beziehungszusammenhang (aussagendes<br />
Subjekt, Vorstellung, Bedeutung, Objekt) so e<strong>in</strong>leuchtend,<br />
er hat sich so natürlich ergeben, daß man immer wieder<br />
auf ihn zurückkommt.<br />
Und doch, was so e<strong>in</strong>leuchtet, ist bloßer Sche<strong>in</strong>! Die <strong>in</strong> der<br />
lebendig vollzogenen Aussage liegende Beziehung auf das Objekt<br />
hat durchaus nicht den Charakter, wie ihn <strong>die</strong> Theorie von<br />
<strong>die</strong>sem Beziehungszusammenhang darlegt. Im Aussagen »Diese<br />
Kreide ist weiß« durchlaufen wir, <strong>die</strong> Aussagenden, nicht<br />
jenen Beziehungszusammenhang; wir richten uns nicht zuerst<br />
auf e<strong>in</strong>e oder zwei Vorstellungen, <strong>die</strong> wir dann verb<strong>in</strong>den, um<br />
durch <strong>die</strong>se Vorstellungsverb<strong>in</strong>dung h<strong>in</strong>durch uns schließlich<br />
auf <strong>die</strong> weiße Kreide zu beziehen, sondern umgekehrt und ganz<br />
anders: Vor dem Aussagen des Satzes s<strong>in</strong>d wir unmittelbar schon<br />
auf das D<strong>in</strong>g selbst, auf <strong>die</strong> weiße Kreide bezogen, und zwar<br />
nicht so, daß wir nur e<strong>in</strong>e» Vorstellung« <strong>in</strong> unserer Seele von ihr<br />
hätten, sondern - aussagend - halten wir uns schon bei der<br />
Kreide auf. Wir s<strong>in</strong>d schon bei der Kreide, bei ihr selbst als<br />
<strong>die</strong>sem vorhandenen D<strong>in</strong>g; aussagend me<strong>in</strong>en wir im vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
und direkt sie selbst. Wir, <strong>die</strong> Subjekte, beziehen uns direkt auf<br />
<strong>die</strong>ses Seiende (Kreide) selbst; wir s<strong>in</strong>d bei ihr. Unsere, des<br />
Subjekts, Beziehung zum Objekt ist e<strong>in</strong> unmittelbares »Se<strong>in</strong><br />
bei« der Kreide. Zunächst und natürlicherweise f<strong>in</strong>det sich gerade<br />
gar nichts von jenem verwickelten und problematischen<br />
Beziehungszusammenhang.<br />
Wir kommen nicht erst auf dem Wege über <strong>die</strong> Aussage und<br />
den Beziehungszusammenhang, <strong>in</strong> dem sie angeblich hängt, zur<br />
Kreide, sondern umgekehrt, nur <strong>in</strong>sofern wir schon bei der Kreide<br />
s<strong>in</strong>d, uns bei ihr aufhalten, kann sie mögliches Objekt der<br />
Aussage werden. Nur das, wobei wir schon s<strong>in</strong>d, können wir zu<br />
§ 11. Problem der Subjekt-Objekt-Beziehung 67<br />
e<strong>in</strong>em möglichen Worüber der Aussage machen. Die Aussage ist<br />
gar nicht <strong>die</strong> Art und Weise des Zugangs zu <strong>die</strong>ser Kreide. Nur<br />
weil wir schon vor dem Aussagen bei der Kreide s<strong>in</strong>d und nicht<br />
erst durch das Aussagen als solches zu ihr gelangen, deshalb und<br />
deshalb alle<strong>in</strong> kann <strong>die</strong> Aussage als prädizierende sich angleichen<br />
an das, was und wie das ist, worüber <strong>die</strong> Aussage ergehen<br />
soll.<br />
Wir sahen: Die Beziehung der Aussage als Aussage zu den<br />
Objekten sei gemäß der alten Def<strong>in</strong>ition der Wahrheit <strong>die</strong> adaequatio<br />
<strong>in</strong>tellectus ad rem, <strong>die</strong> Angleichung des denkenden<br />
Aussagens an ,<strong>die</strong> Sache. Diese Angleichung der Prädikation an<br />
das Objekt, adaequatio, wor<strong>in</strong> man traditionell <strong>die</strong> Wahrheit<br />
sieht, setzt aber zu ihrer <strong>in</strong>neren Möglichkeit voraus, daß wir<br />
vorgängig schon bei dem Seienden uns aufhalten, worüber e<strong>in</strong>e<br />
ihm sich angleichende Aussage vollzogen werden soll.<br />
Damit ist auch schon unsere zweite Frage entschieden: Konstituiert<br />
sich <strong>die</strong> Subjekt-Objekt-Beziehung <strong>in</strong> der Aussage, oder<br />
macht <strong>die</strong>se von jener nur Gebrauch? Wir sehen, das letzte ist<br />
der Fall. Das Aussagen über ... bewegt sich schon <strong>in</strong>nerhalb<br />
und gleichsam auf der Bahn unseres Aufenthaltes bei der Kreide.<br />
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