Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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184 Wesensbereich der Wahrheit - Wesen der Wissenschaft<br />
»Handeln« und »Aktivität« sei lediglich oder vorwiegend da,<br />
wo Betrieb gemacht wird, das Geschäft geht, Gewalt sich durchsetzt,<br />
und weil wir verlernen, daß <strong>die</strong> Ehrfurcht vor den D<strong>in</strong>gen<br />
e<strong>in</strong>e weit höhere Kraft der Zuwendung verlangt als alles Überrennen<br />
und Nivellieren.<br />
So bedarf am Ende gerade <strong>die</strong>ses Se<strong>in</strong>lassen des Seienden, bei<br />
dem es e<strong>in</strong>zig um <strong>die</strong> Unverborgenheit des Seienden geht, e<strong>in</strong>er<br />
besonderen »Anstrengung«, wenn anders nicht schon das bloße<br />
»Aussetzen« (Nichtstun) das Seiende an ihm selbst offenbar<br />
werden läßt. Das bloß betrachtende Verweilen ist also ke<strong>in</strong> quietistisches<br />
Verhalten. Doch was heißt das, daß wir das Seiende <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em ausgezeichneten S<strong>in</strong>n als das se<strong>in</strong> lassen sollen, was es ist?<br />
Wir können es doch nicht vernichten, und wenn das nicht möglich<br />
ist, dann hat auch das Se<strong>in</strong>-lassen ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n. Daß das<br />
Seiende ist, was und wie es ist, hat es ja nicht durch unsere<br />
Gnade. Es liegt schon vor, ist e<strong>in</strong> positum, und wir können es<br />
nur vorf<strong>in</strong>den. Was heißt dann noch: se<strong>in</strong> lassen?<br />
Es ist <strong>die</strong>selbe Frage, <strong>die</strong> wir schon oben stellten, als wir<br />
fragten: Was muß geschehen, damit <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> der gekennzeichneten<br />
neuen Weise offenbar werden sollen? Die D<strong>in</strong>ge<br />
zeigten sich nicht mehr als Acker, Fundament und Brückenpfeiler,<br />
sondern als materielle Körper, Massenpunkte, <strong>die</strong> <strong>in</strong><br />
bestimmten Beziehungen stehen. Das Seiende zeigt sich <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em anderen Licht; das heißt, was das Seiende ist, ist jetzt<br />
anders bestimmt; es ist nicht mehr Acker, Fundament, Pfeiler,<br />
sondern »e<strong>in</strong>fach« materielles D<strong>in</strong>g. Dieses Was aber enthält <strong>in</strong><br />
sich e<strong>in</strong>e Reihe von Bestimmtheiten: materielles, bewegliches<br />
D<strong>in</strong>g, bewegt im S<strong>in</strong>ne der Veränderung des Ortes <strong>in</strong> der Zeit. In<br />
e<strong>in</strong>s mit <strong>die</strong>ser anderen Bestimmung des Wasse<strong>in</strong>s geht auch<br />
e<strong>in</strong>e andere Fassung des Wie: es ist nicht mehr zuhanden für <strong>die</strong><br />
praktisch-technische Bearbeitung, sondern - außerhalb <strong>die</strong>sere<strong>in</strong>fach<br />
nur vorhandener materieller Körper, das Seiende qua<br />
Natur. Das Wasse<strong>in</strong> und Wiese<strong>in</strong> der D<strong>in</strong>ge ist anders bestimmt;<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zusammengehörigkeit bezeichnen wir es kurz als das<br />
Se<strong>in</strong> des jeweiligen Seienden":"<br />
, § 26. Der Wandel des Se<strong>in</strong>sverständnisses<br />
im wissenschaftlichen Entwurf.<br />
Die neue Bestimmung des Seienden als Natur<br />
In welcher Weise vollzieht sich aber <strong>die</strong>se andersartige Bestimmung<br />
des Seienden? Wir sahen schon, mit ihr geht e<strong>in</strong>e merkwürdige<br />
Erweiterung des Bezirks zusammen, der nicht mehr<br />
auf <strong>die</strong>' nächsten Gebrauchsd<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>geschränkt ist; sondern<br />
Widerstand, Druck, Gewicht, Schwere werden von allen materiellen<br />
D<strong>in</strong>gen ausgesagt.<br />
Erwä'Chst nun <strong>die</strong> neue Bestimmung des Seienden als Natur<br />
durch <strong>die</strong> Erweiterung des Bezirks, oder ist umgekehrt <strong>die</strong> Erweiterung<br />
des Bezirks e<strong>in</strong>e notwendige Folge der neuen Bestimmung<br />
des Seienden? Offenbar gilt das letztere. Bloße Erweiterung<br />
des Erfahrungsbezirks führt stets nur zu Gebrauchsd<strong>in</strong>gen;<br />
aber <strong>in</strong> der besonderen Bestimmung qua Natur geschieht doch<br />
etwas anderes. Noch so viele Gebrauchsd<strong>in</strong>ge vergleichend kämen<br />
wir nie auf »Natur«, es sei denn, daß wir <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge im<br />
vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> schon so nehmen. Wie vollzieht sich aber dann <strong>die</strong>se<br />
neue Bestimmung des Seienden, wenn sie nicht erst aus der<br />
Erweiterung erwächst, sondern ihr sogar voraufgeht? Sie kann<br />
ihr doch nicht so voraufgehen, daß erst alles Seiende qua Naturd<strong>in</strong>ge<br />
verglichen wird; denn <strong>die</strong>ses Vergleichen setzt ja schon<br />
<strong>die</strong> neue Bestimmung voraus. Nur <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Licht wäre e<strong>in</strong><br />
solches Vergleichen möglich, wenn es überhaupt möglich wäre.<br />
Wenn wir deutlich zu machen versuchen, wie <strong>die</strong>se Neubestimmung<br />
des Seienden vorausgeht, müssen wir zuvor noch<br />
schärfer sehen, was da geschieht. Es ist e<strong>in</strong>e Bestimmung des<br />
Seienden qua Natur. Wir br<strong>in</strong>gen nicht neues Seiendes h<strong>in</strong>zu,<br />
wir wenden uns nicht anderen D<strong>in</strong>gen zu, sondern <strong>die</strong> schon<br />
offenbaren selbst werden neu bestimmt, und zwar h<strong>in</strong>sichtlich<br />
ihres Was- und Wie-se<strong>in</strong>s, h<strong>in</strong>sichtlich des Se<strong>in</strong>s. Das vorliegende<br />
Seiende wird nicht mehr als zuhandenes Gebrauchsd<strong>in</strong>g<br />
(Kreide), nicht mehr als Gegenstand der technischen Bearbeitung<br />
und Pflege genommen, sondern als vorhandener materiel-