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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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30 Die Fra{!;e nach dem Wesen der Wissenschaft<br />

SIe ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise verschärft, daß e<strong>in</strong>sichtig wird, WIe unmöglich<br />

von Anfang an <strong>die</strong> romantischen Versuche se<strong>in</strong> müssen,<br />

Wissenschaft von außen her und gar durch e<strong>in</strong>e künstliche<br />

Überwältigung und Überw<strong>in</strong>dung mit Weltanschauung und<br />

dergleichen umbilden zu wollen.<br />

Seitdem <strong>die</strong> Krisis sich <strong>in</strong> Broschüren öffentlich breitmachte,<br />

ist noch nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Jahrzehnt verflossen, - und alles ist<br />

ruhig geworden und fährt im alten Geleise - doch nicht im<br />

alten; denn ohne über Sie heute aburteilen und unsere Generation<br />

als besser kennzeichnen zu wollen: Die Intensität und der<br />

Ernst der wissenschaftlichen Arbeit war e<strong>in</strong>e andre, anders geartete,<br />

mögen heute vielleicht auch ebenso gute Exam<strong>in</strong>a<br />

bestanden werden wie früher. Aber ob <strong>die</strong> Krisis öffentlich <strong>in</strong><br />

Broschüren abgehandelt wird oder nicht, ist unwesentlich. Sie<br />

ist auch da, wenn es sche<strong>in</strong>t, als sei alles <strong>in</strong> Ordnung.<br />

Die an dritter Stelle genannte Krisis gibt uns <strong>die</strong> H<strong>in</strong>weisung<br />

darauf, daß das Wesen der Wissenschaft offenbar im Zusammenhang<br />

des menschlichen Dase<strong>in</strong>s als solchen und aus dessen<br />

Grundverfassung begriffen werden muß, daß demnach alle Def<strong>in</strong>itionen<br />

der Wissenschaft, <strong>die</strong> nicht <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Richtung geschöpft<br />

s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wesentlichen versagen. Es folgt hieraus,<br />

daß <strong>die</strong> Wissenschaft nicht irgend e<strong>in</strong> Gebilde ist, zu dem es<br />

dann auch noch natürlich e<strong>in</strong> persönliches Verhältnis gibt, das<br />

man aber am besten dem E<strong>in</strong>zelnen überläßt.<br />

Gewiß muß das faktische konkrete Verhältnis zu e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Wissenschaft jeweils der E<strong>in</strong>zelne entscheiden, aber<br />

das ist nur vollziehbar im Umkreis von Möglichkeiten, <strong>die</strong> sagen,<br />

wie überhaupt der Spielraum aussieht, <strong>in</strong>nerhalb dessen<br />

der E<strong>in</strong>zelne <strong>in</strong> echter Weise sich so oder so entscheidet.<br />

b) Die Krisis der Wissenschaft h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Stellung<br />

im Ganzen des geschichtlich-gesellschaftlichen Dase<strong>in</strong>s<br />

Die an zweiter Stelle genannte Krisis betrifft <strong>die</strong> Stellung der<br />

Wissenschaft im Ganzen des geschichtlich-gesellschaftlichen<br />

§ 8. Frage nach der Wissenschaft aus ihrer Krisis 31<br />

Dase<strong>in</strong>s. Es wurde schon angedeutet, daß man seit e<strong>in</strong>iger Zeit<br />

deutlicher spürt, wie der Zusammenhang zwischen der Wissenschaft<br />

und e<strong>in</strong>em wirksamen Bildungsideal abgerissen ist. Es ist<br />

nicht mehr ohne weiteres klar, auf welche Weise nicht nur<br />

Resultate der Wissenschaft, sondern <strong>die</strong> wissenschaftliche Bildung<br />

selbst über- und h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geleitet werden soll <strong>in</strong> das ungestörte<br />

Wachstum e<strong>in</strong>er echten Bildung der menschlichen<br />

Geme<strong>in</strong>schaften. Die Ratlosigkeit gegenüber der Wissenschaft<br />

und ihrer Funktion im Ganzen der »Kultur« ist um so aufdr<strong>in</strong>glicher,<br />

als <strong>die</strong> Bildungs- und Dase<strong>in</strong>smächte, <strong>die</strong> noch weith<strong>in</strong><br />

im 19. Jahrhundert, wenn auch oft nur noch als gute Konvention,<br />

<strong>die</strong> Existenz bestimmten, - das klassische Bildungsideal,<br />

das durch Namen wie Goethe und Schiller gekennzeichnet ist,<br />

und <strong>die</strong> christliche Religiosität, welcher Konfession auch immer,<br />

- daß <strong>die</strong>se beiden geschichtlichen Kräfte ihre Wirkungsmöglichkeit<br />

weitgehend e<strong>in</strong>gebüßt haben.<br />

Da nun <strong>die</strong> Wissenschaft sich selbst <strong>in</strong> ihrer Eigenbedeutung<br />

fraglich geworden ist und e<strong>in</strong> Bildungsideal und e<strong>in</strong>e ursprüngliche<br />

Zwecksetzung nicht mehr besteht, fällt sie gleichsam <strong>in</strong>s<br />

Leere. Freilich fürchten wir uns davor, <strong>die</strong>se Lage uns rücksichtslos<br />

e<strong>in</strong>zugestehen. In allen wesentlichen Lagen, <strong>die</strong> kritisch<br />

werden können, versucht der Mensch, sich durch <strong>die</strong><br />

Flucht <strong>in</strong> <strong>die</strong> Konvention oder den Ersatz zu retten. Warum jetzt<br />

das unentwegte und wahllose Bemühen um Popularisierung der<br />

Wissenschaften? Volksbildungs bestrebungen, <strong>die</strong> aus sozialen<br />

Rücksichten erforderlich se<strong>in</strong> mögen, s<strong>in</strong>d dafür je nur Veranlassungen<br />

und günstige Gelegenheiten. Wenn <strong>die</strong>se Tendenz zur<br />

Popularisierung von den Wissenschaften selbst ausgeht und von<br />

ihnen emsig betrieben wird - viele Gelehrte arbeiten nur noch<br />

an Handbüchern und Sammlungen oft dritter und vierter Güte<br />

(symptomatisch) -, dann muß sie auch <strong>in</strong> den Wissenschaften<br />

selbst ihren Grund haben. Dieser Grund ist e<strong>in</strong> doppelter: 1. <strong>die</strong><br />

<strong>in</strong>nere Not, <strong>die</strong> Bedeutungslosigkeit der Wissenschaft, 2. der<br />

Mangel.<br />

Diese Tendenz zur Popularisierung soll e<strong>in</strong>er deutlich gespür-

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