31.10.2013 Aufrufe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

354 Das Problem der Weltanschauung<br />

schmälert werden darf, sagen: Weltanschauung ist ke<strong>in</strong> aus<br />

heterogenen Bestandteilen zusammengebautes psychisches Gebilde<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> sich abgekapselten Subjekt als Tatsache im<br />

Bewußtse<strong>in</strong>, sondern ist e<strong>in</strong> ursprünglich e<strong>in</strong>iges, obzwar nicht<br />

e<strong>in</strong>faches transzendentales Grundphänomen, d.h. zur Transzendenz<br />

des Dase<strong>in</strong>s gehörig und <strong>in</strong> der Weise <strong>die</strong>ses das Se<strong>in</strong> des<br />

Dase<strong>in</strong>s bestimmend.<br />

'<br />

§ 40. Wie verhält sich Weltanschauung zum <strong>Philosophie</strong>ren?<br />

a) Die vulgäre Form des Problems:<br />

Kann und soll <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong>e wissenschaftliche<br />

Weltanschauung ausbilden?<br />

Damit stehen wir vor der 7. Frage, auf deren Beantwortung alles<br />

abzielt: Wie verhält sich <strong>die</strong>se ursprüngliche Struktur des Dase<strong>in</strong>s,<br />

Weltanschauung als Sichhalten im In-der-Welt-se<strong>in</strong>, zum<br />

<strong>Philosophie</strong>ren, von dem wir schon angezeigt haben, daß es <strong>in</strong><br />

der Transzendenz als der Grundverfassung des Dase<strong>in</strong>s geschieht?<br />

Die These lautet:<br />

<strong>Philosophie</strong>ren ist ausdrückliches Transzen<strong>die</strong>rent Was das<br />

heißt, muß sich jetzt konkreter dadurch bestimmen lassen, daß<br />

wir aufklären, wie sich <strong>Philosophie</strong>ren zur Weltanschauung<br />

verhält, <strong>die</strong> ja doch e<strong>in</strong>e Wesensbestimmung des In-der-Weltse<strong>in</strong>s,<br />

der Transzendenz, ausmacht.<br />

Man könnte sagen: Transzen<strong>die</strong>ren heißt In-der-Welt-se<strong>in</strong>.<br />

Zum In-der-Welt-se<strong>in</strong> aber gehört jeweils e<strong>in</strong> bestimmter Modus<br />

des Sich-haltens <strong>in</strong> ihm, also kurz gesagt e<strong>in</strong>e Weltanschauung.<br />

Ausdrückliches Transzen<strong>die</strong>ren ist demnach e<strong>in</strong><br />

ausdrückliches Sichhalten im In-der-Welt-se<strong>in</strong> oder e<strong>in</strong> ausdrückliches<br />

Ausbilden e<strong>in</strong>er Weltanschauung. Wenn Transzen<strong>die</strong>ren<br />

heißt: In-der-Welt-se<strong>in</strong> und <strong>die</strong>ses je ist Sichhalten <strong>in</strong><br />

solchem, Weltanschauung, dann ist ausdrückliches Transzen<strong>die</strong>ren,<br />

d. h. <strong>Philosophie</strong>ren e<strong>in</strong> ausdrückliches Ausbilden von<br />

§ 40. Weltanschauung und <strong>Philosophie</strong>ren 355<br />

Weltanschauung. Da nun doch - nach der gewöhnlichen und<br />

immer wieder durchbrechenden Me<strong>in</strong>ung - <strong>Philosophie</strong> wissenschaftliche<br />

Erkenntnis ist, und zwar <strong>die</strong> höchste und erste,<br />

wissenschaftliche Erkenntnis aber auf Allgeme<strong>in</strong>gültigkeit,<br />

letzte Sicherheit und apodiktische Rechtf~rtigung des Erkennens<br />

abzielt, so muß <strong>Philosophie</strong>ren se<strong>in</strong> das wissenschaftliche<br />

Ausbilden e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>gültigen Weltanschauung. Demgemäß<br />

spricht auch Dilthey von der philosophischen Weltanschauung<br />

als dem »Unternehmen, <strong>die</strong> Weltanschauung zur<br />

Allgeme<strong>in</strong>gültigkeit zu erheben«!, und er bezeichnet <strong>die</strong>ses<br />

Unternehmen zugleich als das Wesen der Metaphysik. Das ist<br />

<strong>in</strong> der Tat <strong>die</strong> herrschende Me<strong>in</strong>ung, nur daß Dilthey <strong>die</strong> faktische<br />

Erfüllung <strong>die</strong>ser Aufgabe für unmöglich hält, und zwar<br />

weil <strong>die</strong> Metaphysik den Anforderungen der Wissenschaft<br />

nicht genügen kann. 2<br />

Die vulgäre Form des Problems »Weltanschauung und <strong>Philosophie</strong>«<br />

ist demnach: Kann und soll <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong>e<br />

wissenschaftliche Weltanschauung ausbilden oder nicht? Aber<br />

wir wollen uns nicht an <strong>die</strong>ses Problem halten, alle<strong>in</strong> schon<br />

deshalb nicht, weil es e<strong>in</strong>e schiefe Frage ist und das gar nicht<br />

trifft, was eigentlich geklärt se<strong>in</strong> will. Vielleicht soll weder <strong>die</strong><br />

<strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Weltanschauung ausbilden<br />

noch kann sie das; aber am Ende steht sie gleichwohl, ja gerade<br />

deshalb, weil sie weder soll nach, kann, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ureigenen<br />

Verhältnis zur Weltanschauung. Wir behalten das vulgäre Problem<br />

im Auge, zumal es verkoppelt ist mit der Frage <strong>Philosophie</strong><br />

und Wissenschaft; aber wir entwickeln jetzt <strong>die</strong> Antwort<br />

auf <strong>die</strong> Frage des Verhältnisses von Weltanschauung und <strong>Philosophie</strong><br />

systematisch aus der genaueren Interpretation von<br />

Weltanschauung und Transzendenz.<br />

<strong>Philosophie</strong>ren ist ausdrücklichesTranszen<strong>die</strong>ren. Zu Anfang<br />

der Vorlesung wurde gesagt, daß das Dase<strong>in</strong> als solches philo-<br />

1 A.a.O., S. 55 (V, S. 399).<br />

2 Vgl. a.a.O., S. 60 (V, S.404).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!