Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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364 Das Problem der Weltanschauung<br />
ihrer Zugänglichkeit und <strong>in</strong> ihrer Nutzung, <strong>die</strong> sich gleichsam<br />
vor das schieben, wozu sie selbst <strong>die</strong>nen. Denn ihre Herrschaft<br />
und ihr Gebrauch gibt ihnen Öffentlichkeit, d.h. aber, sie präsentieren<br />
sich als Seiendes, wie das andere, darauf sie bezogen<br />
s<strong>in</strong>d, und sofern sie das »Nächste« s<strong>in</strong>d, gilt ihnen das Interesse.<br />
Sie werden Selbstzweck, ihre Pflege und ihr Gebrauch nimmt<br />
alles <strong>in</strong> Anspruch. Wesentlich wird jetzt nicht mehr, ob der<br />
Zauber wirkt und se<strong>in</strong>e Wirkung erfahren und geglaubt wird,<br />
sondern daß er der Vorschrift gemäß durchgeführt wird und se<strong>in</strong><br />
Gebrauch <strong>in</strong> Anspruch genommen wird. Die Bergung verliert<br />
ihre eigentliche Funktion des Haltens und Haltgebens; sie wird<br />
Betrieb.<br />
Was besagt das für <strong>die</strong> betreffende Wel~schauung? Das<br />
Sichhalten im In-der-Welt-se<strong>in</strong> wird nunmehr zu e<strong>in</strong>em bestimmten<br />
Gestalten desselben; es ist nicht mehr entscheidend<br />
<strong>die</strong> Geborgenheit des Dase<strong>in</strong>s, sondern daß <strong>die</strong> Bergung funktioniert,<br />
<strong>in</strong> Ansehen und Macht bleibt. Mit <strong>die</strong>ser Verfestigung<br />
der Organisation der Bergung geht zusammen e<strong>in</strong>e Wirkungslosigkeit<br />
der Geborgenheit. Die Un-geboFgenheit schw<strong>in</strong>det,<br />
aber nicht auf Grund e<strong>in</strong>er Bergung, sondern mit der Entartung<br />
<strong>die</strong>ser, d.h. beide s<strong>in</strong>d verändert, s<strong>in</strong>d sche<strong>in</strong>bar weder Haltlosigkeit<br />
noch Haltbedürftigkeit, weil weder Ungeborgenheit<br />
noch Bergung. Aber gerade <strong>die</strong>se Indifferenz, d.h. e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere<br />
Leere des Dase<strong>in</strong>s, ist eben <strong>die</strong> unheimliche Situation, <strong>in</strong> der<br />
sich e<strong>in</strong> Umschlag vorbereitet. Das ist das Eigentümliche, daß<br />
mit der Herrschaft des Betriebs <strong>die</strong> Ungeborgenheit des Dase<strong>in</strong>s<br />
schw<strong>in</strong>det und das Dase<strong>in</strong> sich selbst verliert.<br />
E<strong>in</strong>e neue und ganz andere Halt-Iosigkeit meldet sich, <strong>die</strong><br />
zwar Illeist und langeh<strong>in</strong> noch niedergehalten wird dadurch,<br />
daß <strong>die</strong> veräußerlichte und zum Betrieb gewordene Weltanschauung<br />
sich zu erneuern, aufzubessern, an Bedürfnisse anzugleichen<br />
sucht und so Mischbildungen zeitigt, <strong>die</strong> freilich den<br />
<strong>in</strong>neren Zerfall nur beschleunigen. Die Herrschaft des B,etriebs<br />
macht e<strong>in</strong>e neue Halt-Iosigkeit offenbar, und das heißt, sie gibt<br />
widerwillen Anweisung auf bislang nicht offenbare Möglich-<br />
§ 41. Zwei Grundmäglichkeiten der Weltanschauung 365<br />
keiten des Halt-nehmens. Die Indifferenz der Haltlosigkeit und<br />
des Haltes, <strong>die</strong> Herrschaft des Betriebs macht offenkundig, daß<br />
<strong>die</strong> Mittel und Wege der Bergung versagen, wenn <strong>die</strong> Ungeborgenheit<br />
als solche nicht mehr selbst im Dase<strong>in</strong> da ist, sondern<br />
gleichsam zugedeckt durch den Betrieb. Das Nichtmehrdase<strong>in</strong><br />
der Ungeborgenheit des Dase<strong>in</strong>s besagt aber, daß es sich selbst<br />
verloren hat. Es däffiIllert <strong>die</strong> Erkenntnis, daß schon <strong>in</strong> jenem<br />
Kusgeliefertse<strong>in</strong> an <strong>die</strong> Übermacht des Seienden und <strong>in</strong> jenem<br />
sogenannten Haltgew<strong>in</strong>nen, d. h. <strong>in</strong> der Ungeborgenheit als<br />
Bergung zeitigend, e<strong>in</strong> ursprüngliches Se<strong>in</strong> des Dase<strong>in</strong>s umwillen<br />
se<strong>in</strong>er selbst lag, das ihm freilich gleichsam, und zwar <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er echten Weise, abgenommen war durch <strong>die</strong> ursprünglich<br />
gezeitigte Bergung.<br />
Nunmehr ist das Dase<strong>in</strong> zwar auch ausgeliefert, aber an den<br />
Betrieb, und so, daß <strong>die</strong> Ungeborgenheit sche<strong>in</strong>bar geschwunden<br />
ist. Das Ausgeliefertse<strong>in</strong> an den Betrieb heißt aber, daß das<br />
Dase<strong>in</strong> überhaupt nicht mehr eigentlich sich <strong>in</strong> sich selbst hält,<br />
d. h. daß es sich vordem schon, wenngleich dunkel, sich <strong>in</strong> sich<br />
selbst gehalten und trotz allem auf sich selbst gestellt hatte. Mit<br />
dem Schw<strong>in</strong>den der Ungeborgenheit und Illit der Veräußerlichung<br />
der Bergung zum Betrieb stellt sich notwendig das e<strong>in</strong>,<br />
was wir als Leere des Dase<strong>in</strong>s bezeichnen, als Verlorenheit, Sichentgleiten<br />
- das Dase<strong>in</strong> selbst wird Opfer des Betriebs: Überall,<br />
wo Betrieb das Wesentliche ist, ist versteckterweise e<strong>in</strong>e Leere<br />
des Dase<strong>in</strong>s da, <strong>die</strong> eben durch <strong>die</strong> Geschäftigkeit des Betriebs<br />
ständig:beseitigt werden soll.<br />
Aber <strong>die</strong> Frage ist wieder, wie kommt es hier überhaupt zum<br />
Offenbarwerden des sich <strong>in</strong> sich selbst Haltens? Es kommt durch<br />
den Betrieb selbst; er bekundet als Geschäftigkeit e<strong>in</strong>e gewisse<br />
freie Möglichkeit des Dase<strong>in</strong>s, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Verhalten (sich auf sich<br />
selbst zu stellen), und <strong>die</strong>ses weckt zugleich <strong>die</strong> Er<strong>in</strong>nerung an<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit des <strong>in</strong> sich selbst sich Haltens.<br />
So offenbart der Betrieb das Fehlen des eigentlichen Esselbst-se<strong>in</strong>s<br />
des Dase<strong>in</strong>s, was wir bezeichnen als Haltung, und<br />
Zwar <strong>in</strong> doppelter Weise: 1. Offenbarwerden des Sich-entglei-