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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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360 Das Problem der Weltanschauung<br />

im Seienden hat. Damit ist nun schon e<strong>in</strong>e Fülle von Wesenszusammenhängen<br />

gegeben: Der Halt wird gefunden im übermächtigen<br />

Seienden selbst; es ist das Halt und Geborgenheit<br />

Gebende. Das Sichhalten als Haltnehmen ist demnach e<strong>in</strong><br />

schutzbedürftiges Sichstellen unter <strong>die</strong> Übermacht des Seienden;<br />

dabei geht der Schrecken vor <strong>die</strong>sem Seienden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>s mit<br />

der Besänftigung, Verehrung, dem Dienst und dem Verhältnis<br />

zu ihm - Opfer -, zugleich zeigt sich <strong>die</strong> Tendenz, se<strong>in</strong>er doch<br />

irgendwie Herr zu werden durch Zauber, Gebet und dergleichen.<br />

Das Sichhalten im In-der-Welt-se<strong>in</strong> als solche Bergung zeitigt<br />

demnach e<strong>in</strong>en ganzen Umkreis von Betätigungen, <strong>die</strong> ganz<br />

bestimmten Regelungen <strong>in</strong> Ritus und Kultus unterstehen. Der<br />

Ritus selbst schlägt sich nieder <strong>in</strong> Vorschriften, Satzungen, Lehren,<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong> heiligen Büchern niedergelegt s<strong>in</strong>d oder <strong>in</strong> mündlicher<br />

geheimer Tradition weitergegeben werden. Die Bergung<br />

des Dase<strong>in</strong>s, und was zu ihr gehört, wird selbst e<strong>in</strong>e gleichsam<br />

objektiv vorhandene Macht, Sitte und Brauch, und zwar kommt<br />

das ganze Dase<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Geschehen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Botmäßigkeit<br />

<strong>die</strong>ser Bergung. Diese geschieht mit ihrem Dase<strong>in</strong>. Das zeigt<br />

sich vor allem <strong>in</strong> der Ordnung und Funktion von Tag und Nacht,<br />

von den Jahreszeiten und Festen, <strong>in</strong> den Riten bezüglich Geburt,<br />

Heirat, Tod, Krankheit, Krieg, Jagd, Feldbestellung,<br />

Schiffahrt. Das Halt-gew<strong>in</strong>nen besagt demnach das Siche<strong>in</strong>fügen<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong>se Ordnungen und Satzungen, Mittun <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen<br />

magischen Handlungen, Gebrauchmachen und Durchherrschtse<strong>in</strong><br />

von ihren Wirkungen.<br />

Durch <strong>die</strong> verschiedenartige Charakteristik der Transzen -<br />

denz haben wir gesehen, daß das Seiende, das wir Dase<strong>in</strong><br />

nennen, angesichts des Ganzen des Seienden offenbar wird.<br />

Das Dase<strong>in</strong> ist <strong>die</strong>ser eigentümliche Ort für <strong>die</strong> Ganzheit des<br />

Seienden, <strong>die</strong> wir auch das Unbed<strong>in</strong>gte nennen können. Mit<br />

anderen Worten: Das Dase<strong>in</strong> hat <strong>in</strong> sich selbst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Existenz<br />

immer e<strong>in</strong>e bestimmte Idee des Göttlichen, und sei es<br />

auch nur des Götzen. Wenn wir-sagen, das Dase<strong>in</strong> ist se<strong>in</strong>em<br />

§ 41. Zwei Grundmäglichkeiten der Weltanschauung 361<br />

Wesen nach <strong>die</strong>ser eigentümliche Ort des Unbed<strong>in</strong>gten, so ist<br />

damit nicht gesagt, daß das Dase<strong>in</strong> als <strong>die</strong>ser Ort des Unbed<strong>in</strong>gten<br />

das Unbed<strong>in</strong>gte selbst ist. Man kann <strong>die</strong>se Zusammenhänge<br />

nur klar sehen und sich vor psychologischen<br />

Mißverständnissen hüten, wenn man aus der Grundverfassung<br />

des Dase<strong>in</strong>s, der Transzendenz spricht. Sofern wir vom Dase<strong>in</strong><br />

als Ort des Unbed<strong>in</strong>gten handeln, das man als das Göttliche<br />

bezeichnet, liegt es nahe, ßiese Zusammenhänge, auch den<br />

Ursprung der Religion, sogar das mythische Dase<strong>in</strong>, von bestimmten<br />

Erkenntnissen über Gott, von theologischen Theorien<br />

aus zu <strong>in</strong>terpretieren.<br />

So ist auch Schell<strong>in</strong>g, e<strong>in</strong>er der wenigen Philosophen, der sich<br />

e<strong>in</strong>e große ursprüngliche E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> das mythische Dase<strong>in</strong> erarbeitet<br />

hat, der Gefahr nicht entgangen, <strong>die</strong> Interpretation<br />

allzu sehr an theologischen Grundbegriffen zu orientieren.<br />

Schell<strong>in</strong>g hat <strong>in</strong> gewissem S<strong>in</strong>ne recht, wenn er sagt, daß im<br />

Anfang des mythischen Dase<strong>in</strong>s e<strong>in</strong> Monotheismus steht, der<br />

e<strong>in</strong>e Göttervielheit nicht ausschließt, sondern sie gerade hervorbr<strong>in</strong>gt.<br />

Aus <strong>die</strong>ser Göttervielheit entsteht durch e<strong>in</strong>en Prozeß<br />

des Verfalls dann erst Vielgötterei und <strong>in</strong>nerhalb <strong>die</strong>ser der<br />

Monotheismus im theistischen S<strong>in</strong>ne. Aber <strong>die</strong>se Probleme<br />

müssen aus der Sphäre der Theismen und der theologischen<br />

Orientierung herausgenommen werden, um den metaphysischen<br />

Charakter <strong>die</strong>ser Zusammenhänge zu erfassen. Es handelt<br />

sich hier um e<strong>in</strong> Geschehen des Dase<strong>in</strong>s selbst, und zwar solches,<br />

das <strong>in</strong> jedem Dase<strong>in</strong> mit- und nachgeschieht, auch wenn <strong>die</strong><br />

bestimmten Formen der geschichtlichen Ausprägung wirkungslos<br />

oder gar unbekannt geworden s<strong>in</strong>d.<br />

In <strong>die</strong>ser Grundform des In-der-Welt-se<strong>in</strong>s und se<strong>in</strong>er Weltanschauung<br />

ist der Wurzel boden zu sehen, <strong>in</strong> dem der Ursprung<br />

der Mythen faktischer Religionen geschieht, worauf hier nicht<br />

e<strong>in</strong>zugehen ist. Nur das muß angemerkt werden: Es kann sich<br />

hier - bei <strong>die</strong>ser Grundform der Weltanschauung und bei jeder<br />

- nach all dem, was wir pr<strong>in</strong>zipiell über das Dase<strong>in</strong> sagten, nicht<br />

um sogenannte psychologische Vorkommnisse handeln; es wäre

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