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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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256 Weltanschauung und Weltbegriff<br />

Seiendem. Die Frage nach der Möglichkeit der ontischen Erkenntnis<br />

wird so zur Frage nach der Möglichkeit der synthetischen<br />

Erkenntnis apriori, d.h. der ontologischen. Wie ist<br />

Erkenntnis von Se<strong>in</strong> möglich? Das Problem der Möglichkeit der<br />

Metaphysik wird zum Problem der Möglichkeit der Ontologie,<br />

d.h. der Metaphysica generalis. In der Bemühung um <strong>die</strong><br />

Grundlegung der eigentlichen Metaphysik (metaphysica specialis)<br />

wird Kant durch das Problem selbst auf <strong>die</strong> metaphysica<br />

generalis zurückgeworfen, und <strong>die</strong>se wird erstmals seit Aristoteles<br />

Problem. Das Grundproblem der »Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft«<br />

ist <strong>die</strong> Ontologie als solche; ganz und gar nicht ist sie e<strong>in</strong>e<br />

Erkenntnistheorie oder gar e<strong>in</strong>e Theorie der Naturwissenschaft,<br />

wie der Neukantianismus vorgeben will. Wenn es überhaupt um<br />

e<strong>in</strong>e Theorie der Erkenntnis geht, dann um e<strong>in</strong>e solche der<br />

ontologischen Erkenntnis; aber auch <strong>die</strong>se Fassung ist schief<br />

und wegführend vom zentralen Problem.<br />

Ad 3. Inwiefern ist <strong>die</strong> Wesensbestimmung der Metaphysik<br />

e<strong>in</strong>e Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft? Vernunft ist das Höchste im<br />

Menschen, das Vermögen, apriori zu erkennen; aber das Wesen<br />

<strong>die</strong>ser Erkenntnis ist zu umgrenzen; <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Umgrenzung erfolgt<br />

e<strong>in</strong>e Begrenzung gegenüber Anmaßungen und Grenzüberschreitungen;<br />

dafür ist <strong>die</strong> traditionelle Metaphysik e<strong>in</strong> Beispiel.<br />

Kritik ist also e<strong>in</strong>e Wesensumgrenzung, damit zugleich<br />

e<strong>in</strong>e Begrenzung, E<strong>in</strong>schränkung; daher ist sie zugleich polemisch<br />

gerichtet und von da mitbestimmt. Es ist e<strong>in</strong>e Kritik der<br />

endlichen menschlichen re<strong>in</strong>en Vernunft. Das »Geschäft <strong>die</strong>ser<br />

Kritik« ist, »das bisherige Verfahren der Metaphysik umzuändern«.<br />

Kant nennt <strong>die</strong> Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft auch e<strong>in</strong>en<br />

»Traktat von der Methode«, d.h. aber, sie »verzeichnet gleichwohl<br />

den ganzen Umriß... als auch den ganzen <strong>in</strong>neren<br />

Gliederbau derselben«.8 Methode me<strong>in</strong>t hier nicht Technik,<br />

8 Immanuel Kant, Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft. Nach der ersten und zweIten<br />

Orig<strong>in</strong>al-Ausgabe neu herausgegeben von Raymund Schmidt. LeipzIg 1926.<br />

Vorrede, B XXII f.<br />

§ J4. Kants Weltbegriff 257<br />

sondern <strong>die</strong> Frage nach der möglichen vollständigen Bestimmung<br />

e<strong>in</strong>es Gegenstandes, <strong>die</strong> grundsätzliche Frage nach <strong>die</strong>sem<br />

selbst.<br />

Ad 4. Welches ist der Ansatz und Aufriß der Grundlegung der<br />

\1etaphysik? Gefragt wird nach der Möglichkeit re<strong>in</strong>er Erkenntnis,<br />

der Erkenntnis überhaupt, nach Anschauung und<br />

Begriff und der E<strong>in</strong>heit beider, und zwar re<strong>in</strong>er Anschauung<br />

und re<strong>in</strong>er Begriffe. Das ist e<strong>in</strong>e transzendentale Frage.<br />

Wenn wir das Inhaltsverzeichnis der »Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft«<br />

uns ansehen, dann zeigt sich <strong>die</strong> Grunde<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong><br />

Elementarlehre und Methodenlehre. Die Elementarlehre entwickelt<br />

<strong>die</strong> Elemente, <strong>die</strong> Grundrnomente. Wir können uns auf<br />

<strong>die</strong>sen Teil beschränken. Die Elementarlehre, und zwar <strong>die</strong><br />

transzendentale Elementarlehre - transzendental ist hier wesentlich<br />

- hat zwei Teile. Der erste Teil ist <strong>die</strong> transzendentale<br />

Ästhetik, der zweite <strong>die</strong> transzendentale Logik. Wie es zu <strong>die</strong>ser<br />

Scheidung kommt, werden wir noch sehen. Die transzendentale<br />

Logik gliedert sich wiederum <strong>in</strong> zwei Abteilungen, deren erste<br />

<strong>die</strong> transzendentale Analytik ist. Die zweite Abteilung ist <strong>die</strong><br />

transzendentale Dialektik.<br />

Wenn wir das Schema der Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft so nehmen,<br />

ist ohne weiteres nicht zu sehen, wie <strong>die</strong>ses Werk mit dem<br />

Problem der traditionellen Metaphysik <strong>in</strong> Zusammenhang stehen<br />

soll. Wenn wir aber von vornhere<strong>in</strong> das Werk nicht nach der<br />

äußeren Disposition verstehen, sondern umgekehrt <strong>die</strong> Disposition,<br />

wie sie vorliegt, aus dem Grundproblem des Werkes<br />

heraus, dann wird ohne weiteres deutlich, um was es sich hier<br />

handelt. Was nämlich Kant <strong>in</strong> der transzendentalen Ästhetik,<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong> gewisser Weise noch auf <strong>die</strong> traditionellen Probleme h<strong>in</strong>weist,<br />

und <strong>in</strong> der transzendentalen Analytik behandelt, <strong>die</strong>ses<br />

Ganze ist nichts anderes als <strong>die</strong> Grundlegung der metaphysica<br />

generalis, und was er <strong>in</strong> der transzendentalen Dialektik behandelt,<br />

ist <strong>die</strong> Grundlegung und Kritik der metaphysica specialis.<br />

Daß gerade hier der Schnitt h<strong>in</strong>durchgeht, ist besonders merkwürdig<br />

für <strong>die</strong> kantische Fragestellung selbst und ist mit e<strong>in</strong>

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