Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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318 Weltanschauung und In-der-Welt-se<strong>in</strong><br />
und der ganze Reichtum dessen, was <strong>die</strong>se Idee <strong>in</strong> sich schließt,<br />
ist Denken. Bedenken wir, daß <strong>in</strong> Hegels »Logik« alle wesentlichen<br />
Motive der abendländischen Metaphysik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er großen<br />
Idee konzentriert s<strong>in</strong>d, daß Se<strong>in</strong>sverständnis, vernünftiges Denken<br />
<strong>in</strong> der Gesetzlichkeit derselben, und zwar <strong>in</strong> der frühen<br />
Form der Dialektik unterstellt ist, dann will es merkwürdig<br />
ersche<strong>in</strong>en, das Se<strong>in</strong>sverständnis auf den schwankenden Boden<br />
e<strong>in</strong>es Spiels zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Gleichwohl ist notwendig, aus e<strong>in</strong>em wesentlichen Grunde<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Richtung zu fragen, und zwar weil <strong>in</strong> der bisherigen<br />
Metaphysik e<strong>in</strong>e wesentliche Verengung und Veräußerlichung<br />
des Se<strong>in</strong>sproblems liegt. 3 Dieser Grund wird uns deutlich, und<br />
er erhält se<strong>in</strong>e Wirkungskraft, wenn wir uns <strong>die</strong> Frage vorlegen:<br />
Wie kommt es gerade zu <strong>die</strong>ser Korrelation von Se<strong>in</strong> und Denken,<br />
Se<strong>in</strong> und Vernunft? Man könnte darauf h<strong>in</strong>weisen, daß <strong>die</strong><br />
antike <strong>Philosophie</strong> mit e<strong>in</strong>er These beg<strong>in</strong>nt, <strong>die</strong> nichts anderes<br />
zum Ausdruck zu br<strong>in</strong>gen sche<strong>in</strong>t-als <strong>die</strong>se Korrelation von Se<strong>in</strong><br />
und Denken. Parmenides: »Denn e<strong>in</strong> und dasselbe ist Denken<br />
und Se<strong>in</strong>« (Diels, Fragment 5), beide gehören zusammen. Aber<br />
<strong>die</strong>ser H<strong>in</strong>weis genügt schon deshalb nicht, weil voEIv nicht<br />
ohne weiteres mit Kants oder Hegels Vernunftbegriff sich<br />
gleichsetzen läßt; vor allem aber, weil <strong>die</strong>se e<strong>in</strong>deutige Orientierung<br />
des Se<strong>in</strong>sproblems auf den A.6yo~ erst später e<strong>in</strong>setzte,<br />
und zwar aus zwei Hauptmotiven. Wenn nach dem Se<strong>in</strong> gesucht<br />
wird, gleichsam nach der greifbarsten Form desselben, dann<br />
drängt es sich auf <strong>in</strong> der Sprache, und zwar im »ist«, der Kopula;<br />
es ist gewissermaßen beheimatet im Satz - A.6yo~. Diese Gestalt<br />
des Se<strong>in</strong>s wird um so unbedenklicher aufgegriffen, als sie zugleich<br />
mitbekundet das Wahrse<strong>in</strong> im Unterschied vom Sche<strong>in</strong>. 4<br />
, Se<strong>in</strong>, Vernunft, ratio; alle nicht speZIfisch theoretischen rationalen Verhaltungen:<br />
irrational; mit <strong>die</strong>sem Unterschied wurde alles bestritten und<br />
freilich auch, wie mIt jeder DichotomIe, bestreitbar.<br />
• a ist b hat nicht nur <strong>die</strong> Bedeutung, daß b dem a als Pnidikat zukommt,<br />
sondern auch: a ist <strong>in</strong> der Tat und WahrheIt b. a ist b besagt zweitens das<br />
Wahrse<strong>in</strong> des b-se<strong>in</strong>s von a.<br />
§ J6. Welt als »Spiel des Lebens« 319<br />
Auf Grund <strong>die</strong>ses elementaren Tatbestandes, dem wir hier<br />
nicht weiter nachfragen können, kommt der Satz, A.6yo~, zu<br />
e<strong>in</strong>er ausgezeichneten Funktion im Problem des Se<strong>in</strong>s, bzw. <strong>die</strong><br />
Diszipl<strong>in</strong>, <strong>die</strong> den A.6yo~ zum Thema hat: <strong>die</strong> Rolle der Logik <strong>in</strong><br />
der Metaphysik.<br />
Nebenbei bemerkt: Dabei ist nicht zu bestreiten, daß hier e<strong>in</strong><br />
Zusammenhang besteht; Frage bleibt nur, ob e<strong>in</strong> ursprünglicher<br />
und der ursprünglichste für <strong>die</strong> Frage nach dem Se<strong>in</strong>. Zu<br />
bestreiten ist, daß der Satz auslegend, fun<strong>die</strong>rend ist.<br />
Aber was nun erst <strong>die</strong> Herrschaft des A.6yo~ und der Logik <strong>in</strong><br />
der Metaphysik befestigte, ist etwas anderes und sehr schwer zu<br />
sehen, vor allem <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Möglichkeit zu begründen und dementsprechend<br />
zu überw<strong>in</strong>den.<br />
Alles ausdrückliche Fragen nach dem Se<strong>in</strong> ist e<strong>in</strong> Übergang<br />
vom vulgären Se<strong>in</strong>sverständnis zu e<strong>in</strong>em Begreifen; alles Begreifen,<br />
wie der Name sagt, begriffliches Bestimmen. Das<br />
Begreifen des Se<strong>in</strong>s ist rationale, logische Determ<strong>in</strong>ation (zumal<br />
Erfahrung ausgeschlossen ist). Nun zeigt sich das Merkwürdige:<br />
Was als <strong>die</strong> Weise des Bestimmens des Se<strong>in</strong>s und se<strong>in</strong>er Strukturen<br />
fungiert, <strong>die</strong> begriffliche, rationale logische Erkenntnis,<br />
wird zugleich zu demjenigen Bezug umgedeutet, der ursprünglIch<br />
und alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Zugang zum Se<strong>in</strong> eröffnet. Die Weise des<br />
begrifflichen Bestimmens des Se<strong>in</strong>s wird zur Grundart des Verstehens<br />
von Se<strong>in</strong> überhaupt. Se<strong>in</strong>sverständnis ist, wenn man es<br />
uberhaupt als solches kennt, logisches Erfassen. Und so erst<br />
rückt das Se<strong>in</strong>sproblem völlig <strong>in</strong> den Bannkreis von Logik und<br />
Vernunft; es kommt noch h<strong>in</strong>zu, daß <strong>die</strong>se höchste Problematik<br />
des Se<strong>in</strong>s als strengste gesucht wird und der Rationalität der<br />
Mathematik angeglichen wird. Nicht ganz zu Unrecht hat man<br />
das Se<strong>in</strong>sproblem bei Platon »Logik des Se<strong>in</strong>s« genannt.<br />
Wie schwer es ist, aus <strong>die</strong>sem Kreis sich zu befreien, das wurde<br />
gelegentlich der Interpretation der »Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft«<br />
bzw. Kants Stellung zur transzendentalen E<strong>in</strong>bildungskraft<br />
kurz angedeutet; daß er vor ihr zurückweicht, hat se<strong>in</strong>en<br />
Grund <strong>in</strong> der selbstverständlichen Übermacht des Vernunft be-