Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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170 Wesensbereich der Wahrheit - Wesen der Wissenschaft<br />
oQuv'tcdteLa. 3 In der Antiochenischen Exegetenschule (<strong>die</strong> selbs<br />
philosophisch wieder unter re<strong>in</strong> aristotelischem E<strong>in</strong>fluß stand;<br />
ist {tewQLa gleich iO"toQLa; io'toQLa: Kunde vom Seienden, nicht im<br />
besonderen S<strong>in</strong>ne des »Geschichtlichen«, auch Naturereignl' SSE'<br />
Erdbeben und dergleichen zählen dazu. .<br />
{tewQLa gleich io'tOQLa ist wissenschaftliche Tatsachenforschun<br />
im Gegensatz zu aAlTJyoQLa als heils geschichtlich-mystische I;.<br />
terpretation, Origenes. Typologie OXUl 'tWV J1.EA.A.OV'tWV opp. OW[!U<br />
(das Wirkliche)4.<br />
Die late<strong>in</strong>ische Übersetzung von {tELa ist vita contemplativa;<br />
templum, 'tEJ1.VELV, 'tEJ1.EVOS; (tempus) ist der abgegrenzte Bezirk als<br />
Standort des Augur, zugleich das Himmelsgewölbe, an dem er<br />
<strong>die</strong> Bezirke ausgrenzte und <strong>die</strong> Götterzeichen bestimmte. Con.<br />
templari heißt: »den heiligen Bezirk auf der Erde und am Hirn·<br />
mel mit dem Blick umfassen«. Später ist der Himmel nicht das<br />
Letzte, sondern Gott; darum heißt es nun: Betrachten und An·<br />
schauen Gottes, Versenkung <strong>in</strong> das Licht der Gottheit. Contern·<br />
plari wird zu e<strong>in</strong>em spezifisch religiösen und theologischen<br />
Ausdruck; vita comtemplativa und vita activa bezeichnen reh·<br />
giöse Verhaltungen.<br />
Thomas von Aqu<strong>in</strong>: Contemplatio aliquando capitur stricte<br />
pro actu <strong>in</strong>tellectus div<strong>in</strong>a meditantis et sic contemplatio est<br />
sapientiae actus, alio modo communiter pro omni actu, quo quis<br />
a negotiis exterioribus sequestratus soli deo vacat, quod quidern<br />
cont<strong>in</strong>git dupliciter, vel <strong>in</strong>quantum homo Deum loquentem <strong>in</strong><br />
3 A.a.O., Prooem., pag. 3, 19.<br />
• Vgl. H. Kihn, Über itEOlQIa und al.l.T]yoQla nach den verlorenen hermeneu·<br />
tischen Schriften der Antiochier. Theolog. Quartalsschrift LXII (1880), S<br />
531-558); vgL H. Kihn: Theodorus Magnesia und Innitius Afr. als Exegeten<br />
1880. Instituta regularia div<strong>in</strong>ae legis (Bdtg.·f.M.A.)<br />
Literatur: Paul Boesch, »itEOlQO,«. Untersuchungen zur Epangelie griech 1<br />
scher Feste. Diss. Berl<strong>in</strong> 1908. Franz Boll, Vita contemplativa. (Sitzungsber. d<br />
Heidelb. Akademie der Wissenschaften, Phil. hist. Klasse, Jg. 1920, Abh. 8, bes.<br />
S. 23 ff.) - Georg Curtius br<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en »Grundzügen der griechischen<br />
Etymologie« (4. Aufl., Leipzig 1873, 253) ita.F mit dem dorischen itii~aL<br />
itaEOf!UI, itEaofLUI »Staunen« <strong>in</strong> Verbimtung.<br />
,~2J. Wissenschaft als Grundhaltung der Existenz 171<br />
. . turis audit, quod fit per lectionem, vel <strong>in</strong>quantum Deo<br />
scnp . . 5<br />
. tur quod fit per oratlOnem.<br />
I oqUl , .,. .<br />
Die Betrachtung Wird emmal 1m strengen Smne gefaßt für<br />
denjenigen Akt des Intellekts, der, div<strong>in</strong>a meditantis, das Götthche<br />
bedenkt, wenn man so sagen will. So ist <strong>die</strong> contemplatio<br />
der eigentliche actus der Weisheit, der sapientia. In e<strong>in</strong>em weiteren<br />
S<strong>in</strong>ne aber. wird contemplatio für denjenigen Akt genom<br />
Dlen, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>er; frei geworden von den äußeren Geschäften,<br />
sich frei gibt, se<strong>in</strong>e Zeit, für Gott alle<strong>in</strong>. Im engeren wie im<br />
weiteren S<strong>in</strong>ne besagt contemplari betrachten, Meditation der<br />
göttlichen D<strong>in</strong>ge. Die letztere Bedeutung von contemplari kann<br />
wiederum e<strong>in</strong>e zweifache se<strong>in</strong>, Lesung der Schrift und Gebet.<br />
Vom Begrifflder contemplatio unterschied sich schon im Mittelalter<br />
derjenige Begriff, der <strong>in</strong> der Neuzeit zur Bezeichnung<br />
des Theoretischen, gebraucht wird, nämlich der Begriff der speculatio,<br />
speculari. Wenn im deutschen Idealismus Fichte, Schell<strong>in</strong>g,<br />
Hegel von der Spekulation sprechen, me<strong>in</strong>en sie nichts<br />
anderes als das theoretische Erkennen. Der Unterschied zwischen<br />
contemplatio und speculatio besteht dar<strong>in</strong>, daß <strong>in</strong> der<br />
contemplatio als' e<strong>in</strong>er religiösen Haltung Gott direkt betrachtet<br />
wird, während <strong>die</strong> speculatio dadurch ausgezeichnet ist, daß sie<br />
div<strong>in</strong>a <strong>in</strong> creaturis <strong>in</strong>spicit, d.h. das Göttliche betrachtet, soweit<br />
es sich im Geschaffenen bekundet, quasi <strong>in</strong> speculo, gleichsam<br />
wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Spiegel, als sei das Geschaffene e<strong>in</strong> Spiegel Gottes.<br />
Hier bekommt speculari, das auf das late<strong>in</strong>ische species, Anblick<br />
'- lauter Begriffe aus der Sphäre des Sehens - zurückgeht, obwohl<br />
noch auf göttliche D<strong>in</strong>ge orientiert, <strong>die</strong> Tendenz zu dem<br />
Jenigen Erkennen, das der Mensch von sich aus vollzieht, das<br />
also nicht primär durch den Glauben bestimmt ist. Spekulation<br />
heißt dann das freie Nachs<strong>in</strong>nen über <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge. Spekulativ<br />
wird später, so auch bei Kant, e<strong>in</strong>fach zur Bezeichnung für das<br />
I . Thomas von Aqu<strong>in</strong>, Scriptum super libros sententiarum magistri Petri<br />
.ombardl eplscopi Parisiensis (1253-1255). 4. sent., dist. 15, quaest. 4, art. 1,<br />
",IUtlO 2, dd primum.