Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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282 Weltanschauung und Weltbegrif.f<br />
Pr<strong>in</strong>zipien nennen wollen« (A 299, B ~56). Die Bestimmung Von<br />
Verstand und Vernunft <strong>in</strong> der »Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft« ist<br />
schwankend. Und was heißt »Pr<strong>in</strong>zip«? Der Ausdruck ist nach<br />
Kant »zweideutig« (A ~OO; B ib.). »E<strong>in</strong> jeder allgeme<strong>in</strong>er Satz, er<br />
mag auch sogar aus Erfahrung (durch Induktion) hergenommen<br />
se<strong>in</strong>, kann zum Obersat7. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vernunftschlusse <strong>die</strong>nen; er ist<br />
darum aber nicht selbst e<strong>in</strong> Pr<strong>in</strong>cipium« (A ~OO, B ~56). Vergleiche:<br />
Alle Menschen s<strong>in</strong>d sterblich; A. ist e<strong>in</strong> Mensch; A. ist<br />
sterblich. Jeder Vernunftschluß ist »e<strong>in</strong>e Form der Ableitung<br />
e<strong>in</strong>er Erkenntnis aus e<strong>in</strong>em Pr<strong>in</strong>cip«; (A ~OO, B ~57). Der allgeme<strong>in</strong>e<br />
Satz fungiert als Pr<strong>in</strong>zip, woraus geschlossen wird, d. h. <strong>in</strong><br />
dem Obersatz des Schlusses, Pr<strong>in</strong>cip, ist festgelegt bzw. gesucht<br />
»<strong>die</strong> allgeme<strong>in</strong>e Bed<strong>in</strong>gung ihres Urteils (des Schlußsatzes) ... «<br />
(A ~07, B ~64).<br />
Die Absicht der Vernunft <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Schlüssen geht also dah<strong>in</strong>:<br />
» ... zu dem bed<strong>in</strong>gten Erkenntnisse des Verstandes "das Unbed<strong>in</strong>gte<br />
zu f<strong>in</strong>den, womit <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heit desselben vollendet wird«<br />
(ebd.). Der Schluß als Weise des Denkens wird so als e<strong>in</strong>e formale<br />
Grundtendenz zum Unbed<strong>in</strong>gten genommen. Also nicht jeder<br />
allgeme<strong>in</strong>e Satz ist schlechth<strong>in</strong> und eigentlich Pr<strong>in</strong>zip. Selbst <strong>die</strong><br />
Grundsätze des re<strong>in</strong>en Verstandes s<strong>in</strong>d nicht eigentlich Pr<strong>in</strong>zipien,<br />
sondern fungieren nur als solche, z.B. der Satz der Kausalität:<br />
»Daß alles, was geschieht, e<strong>in</strong>e Ursache habe, kann gar nicht<br />
aus dem Begriffe dessen, was überhaupt geschieht, geschlossen<br />
werden« (A ~Ol, B ~57). Diese Sätze, obzwar apriori, s<strong>in</strong>d immer<br />
auf re<strong>in</strong>e Anschauung bezogen. »Schlechth<strong>in</strong> Pr<strong>in</strong>zipien« s<strong>in</strong>d<br />
»synthetische Erkenntnisse aus Begriffen« (A ~Ol, B 358). Diese<br />
Begriffe müssen also apriori das Unbed<strong>in</strong>gte enthalten, dasjenige,<br />
<strong>in</strong> dem sich <strong>die</strong> je bed<strong>in</strong>gte E<strong>in</strong>heit der Verstandeserkenntnis<br />
schlechth<strong>in</strong> vollendet; <strong>die</strong>se Begriffe der absoluten Totalität aber<br />
s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Ideen.<br />
So ist denn <strong>die</strong> Idee als re<strong>in</strong>er Vernunftbegriff »ke<strong>in</strong> anderer<br />
als der von der Totalität der Bed<strong>in</strong>gungen zu e<strong>in</strong>em gegebenen<br />
Bed<strong>in</strong>gten. Da nun das Unbed<strong>in</strong>gte alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> Totalität der Bed<strong>in</strong>gungen<br />
möglich macht, und: umgekehrt <strong>die</strong> Totalität der<br />
§ J4. Kants Weltbegrif.f 28~<br />
Bed<strong>in</strong>gungen jederzeit selbst unbed<strong>in</strong>gt ist, so kann e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>er<br />
Vernunftbegriff überhaupt durch den Begriff des Unbed<strong>in</strong>gten,<br />
sofern er e<strong>in</strong>en Grund der Synthesis des Bed<strong>in</strong>gten enthält, erklärt<br />
werden« (A 322, B 379). »Man sieht leicht, daß <strong>die</strong> re<strong>in</strong>e<br />
Vernunft nichts anderes zur Absicht habe, als <strong>die</strong> absolute Totalität<br />
der Synthesis auf der Seite der Bed<strong>in</strong>gungen ..., und daß sie<br />
mit der absoluten Vollständigkeit von Seiten des Bed<strong>in</strong>gten nichts<br />
zu schaffen habe. Denn nur alle<strong>in</strong> jener bedarf sie, um <strong>die</strong> ganze<br />
Reihe der Bed<strong>in</strong>gungen vorauszusetzen und sie dadurch dem<br />
Verstande apriori zu geben« (A ~~6, B ~93). »Wenn sie [<strong>die</strong> Vernunftbegriffe,<br />
<strong>die</strong> Ideen] das Unbed<strong>in</strong>gte enthalten, so betreffen<br />
sie etwas, worunter alle Erfahrung gehört, welches selbst aber<br />
niemals e<strong>in</strong> Gegenstand der Erfahrung ist: etwas, worauf <strong>die</strong><br />
Vernunft <strong>in</strong> ihren Schlüssen aus der Erfahrung führt, und wonach<br />
sie den Grad ihres empirischen Gebrauchs schätzet und abmisset,<br />
niemals aber e<strong>in</strong> Glied der empirischen Synthesis ausmacht«<br />
(A 311, B ~67/8).<br />
Kant nennt daher <strong>die</strong> Ideen, weil sie den Vernunftschlüssen<br />
als solchen entsprechende Begriffe s<strong>in</strong>d, »geschlossene Begriffe«<br />
im Unterschied von den re<strong>in</strong>en Verstandesbegriffen, <strong>die</strong> »bloß<br />
reflektierte« s<strong>in</strong>d; sie enthalten »nichts weiter, als <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heit<br />
der Reflexion über <strong>die</strong> Ersche<strong>in</strong>ungen, <strong>in</strong>sofern sie notwendig zu<br />
e<strong>in</strong>em möglichen empirischen Bewußtse<strong>in</strong> gehören sollen«<br />
(A 310, B 367). »Ideen« s<strong>in</strong>d »geschlossene Begriffe, deren Gegenstand<br />
empirisch gar nicht gegeben werden kann ...« CA 3~3,<br />
B ~90). Ideen - noch ursprünglicher und re<strong>in</strong>er entspr<strong>in</strong>gend aus<br />
Vernunft - dokumentieren selbst <strong>die</strong> Vernunft ursprünglicher.<br />
Wir fassen <strong>die</strong>se allgeme<strong>in</strong>e Charakteristik des kantischen Begriffes<br />
der Idee <strong>in</strong> fünf Punkten zusammen.<br />
1. Idee ist e<strong>in</strong>e »Vorstellungsart« (A ~19f., B ~76f.). Sie untersteht<br />
also der allgeme<strong>in</strong>en Gattung» Vorstellung überhaupt«<br />
(repraesentatio). Der Artcharakter der Idee als Vorstellungsart,<br />
<strong>die</strong> spezifische Weise des Vorstellens CtöEIv), wird aus folgender<br />
"Stufenleiter« sichtbar, <strong>die</strong> Kant a.a.O. kurz darstellt.