Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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308 Weltanschauung und In-der-Welt-se<strong>in</strong><br />
verständnisses <strong>in</strong> Rücksicht auf das Weltphänomen erfährt<br />
nicht nur <strong>die</strong>ses e<strong>in</strong>e Bestimmung, sondern umgekehrt wird das<br />
Se<strong>in</strong>sverständnis als Ganzes deutlicher <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zugehörigkeit<br />
zur Transzendenz. Aber trotzdem erschöpft sich Tran~zendenz<br />
nicht im Se<strong>in</strong>sverständnis.<br />
Wir wollen dabei von Kants kosmologischem Weltbegriff ausgehen.<br />
Er betrifft <strong>die</strong> Totalität des Vorhandenen, der Natur im<br />
weitesten S<strong>in</strong>ne. Dabei ist <strong>die</strong> Totalität der Se<strong>in</strong>sverfassung der<br />
Natur das Korrelat endlicher, und zwar theoretisch-wissenschaftlicher<br />
Erfahrung oder weitergehend mathematisch-physikalischer<br />
Erkenntnis. Daß <strong>in</strong> <strong>die</strong>se Richtung e<strong>in</strong>er Verengung<br />
des Weltbegriffs auf <strong>die</strong> Totalität der Natur das kantische Fragen<br />
geht, zeigt sich dar<strong>in</strong>, daß er e<strong>in</strong>en engeren von e<strong>in</strong>em weiteren<br />
Weltbegriff unterscheidet. Der engere bedeutet das mathematische<br />
Ganze des Großen und Kle<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der Welt, also <strong>die</strong> doppelt<br />
gerichtete Unendlichkeit zum unendlich Großen und unendlich<br />
Kle<strong>in</strong>en, d.h. e<strong>in</strong>e spezifisch mathematische, d.h. quantitative<br />
Idee.<br />
Der existenzielle Weltbegriff Kants ist freilich philosophisch<br />
<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise ausgearbeitet und zum Problem gemacht, aber<br />
er weist <strong>in</strong> <strong>die</strong> Richtung e<strong>in</strong>es Problems, sofern eben das Ganze<br />
dessen, was Kant das Spiel des Lebens nennt, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Se<strong>in</strong>sverfassung<br />
offenbar total anderen Charakter hat als <strong>die</strong>s Seiende<br />
Natur - aber damit nicht genug. Das faktische geschichtliche<br />
Dase<strong>in</strong> der Menschen unter- und mite<strong>in</strong>ander ist ja, wie wir<br />
früher sahen, immer und notwendig nicht nur e<strong>in</strong> Se<strong>in</strong> bei<br />
Vorhandenem, sondern auch bei Gebrauchsd<strong>in</strong>gen. Mit anderen<br />
Worten: Sofern das Dase<strong>in</strong> gleichursprünglich se<strong>in</strong>em Wesen<br />
nach Mitse<strong>in</strong> mit Anderen ist im Se<strong>in</strong> bei Vorhandenem und all<br />
das als Selbstse<strong>in</strong>, ist das Ganze der Se<strong>in</strong>sverfassung <strong>die</strong>ses so<br />
offenbaren Seienden im Ganzen grundsätzlich reicher und<br />
ursprünglicher als das, was <strong>in</strong> Kants kosmologischem Weltbegriff<br />
gedacht ist und im anthropologischen zum m<strong>in</strong>d~sten<br />
angezeigt ist.<br />
Wenn wir demnach h<strong>in</strong>reichend ursprünglich weit das neh-<br />
§ 36. Welt als »Spiel des Lebens« 309<br />
men, was im Dase<strong>in</strong> an Se<strong>in</strong> immer schon verstanden, obzwar<br />
nicht begriffen ist, und wenn wir das Ganze <strong>die</strong>ses verstandenen<br />
Se<strong>in</strong>s als Welt bezeichnen, s<strong>in</strong>d wir damit schon grundsätzlich<br />
über den kantischen Weltbegriff h<strong>in</strong>ausgegangen, und zwar<br />
nicht nur im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er bloßen Erweiterung und Vervollständigung<br />
der Se<strong>in</strong>sgebiete. Welt ist das Ganze der Se<strong>in</strong>sverfassung,<br />
nicht nur der Natur und des geschichtlichen Mite<strong>in</strong>ander<br />
und des eigenen Selbstse<strong>in</strong>s und der Gebrauchsd<strong>in</strong>ge, sondern<br />
<strong>die</strong> spezifische Ganzheit der Se<strong>in</strong>smannigfaltigkeit, <strong>die</strong> im Mitse<strong>in</strong><br />
mit Anderen, Se<strong>in</strong> bei ... und Selbstse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitlich verstanden<br />
ist. Aber Problem ist gerade <strong>die</strong> Ganzheit e<strong>in</strong>es solchen<br />
auf das Dase<strong>in</strong> wesenhaft orientierten Ganzen; sie ist nicht gewonnen<br />
dadurch, daß wir etwa neben Kants Ontologie der<br />
Natur im weitesten S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>e solche des geschichtlichen Dase<strong>in</strong>s,<br />
der Gebrauchsd<strong>in</strong>ge oder der Subjektivität setzen; mit all<br />
dem ist das wesentliche Problem schon hoffnungslos verloren.<br />
Was bestimmt werden muß, ist <strong>die</strong> spezifische Ganzheit des<br />
ganzen Se<strong>in</strong>s, das je im Dase<strong>in</strong> verstanden ist, <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Organisation<br />
<strong>die</strong>ser Se<strong>in</strong>sganzheit, <strong>die</strong> wir nicht von theoretisch<br />
ausgebildeten Ontologien her als e<strong>in</strong>e Aufschichtung und e<strong>in</strong><br />
Nebene<strong>in</strong>ander von Regionen fassen dürfen. 2<br />
§ 36. Welt als »Spiel des Lebens«<br />
Wir sahen: Kant spricht, wenn er den existenziellen Weltbegriff<br />
erläutern, bzw. mehr vorphilosophisch überhaupt se<strong>in</strong>e Bedeutung<br />
kennzeichnen will, vom »Spiel des Lebens«. Er folgt da<br />
dem Sprachgebrauch, <strong>in</strong> dem jederzeit, wenn wir nur e<strong>in</strong> Ohr<br />
dafür haben, <strong>Philosophie</strong> beschlossen liegt, gleichsam noch gebundene<br />
<strong>Philosophie</strong>. Wie sollte es auch anders se<strong>in</strong>, wenn<br />
<strong>Philosophie</strong>ren zum Wesen des Dase<strong>in</strong>s gehört und <strong>in</strong> der Spra-<br />
2 Die spezifische Ganzheit <strong>die</strong>ser metaphysischen apriorischen Spielregeln,<br />
<strong>die</strong> Je e<strong>in</strong> faktisches Spiel des Lebens möglich machen.