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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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56 Die Frage nach dem Wesen der Wissenschaft<br />

ich aussage. Diese Beziehung besteht auch, ob ich sage »<strong>die</strong><br />

Kreide ist weiß« oder »<strong>die</strong>ses materielle D<strong>in</strong>g ist leicht«. Die<br />

prädikative Beziehung hat also e<strong>in</strong>e gewisse Unabhängigkeit<br />

von dem, was jeweils über e<strong>in</strong>en Gegenstand ausgesagt wird<br />

und <strong>die</strong>ses vom Sachgehalt Freie, <strong>die</strong>ses durch das Material de:<br />

Aussagegegenstandes nicht Bestimmte nennt man das Formale.<br />

Weil nun <strong>die</strong>se Beziehung Auskunft über den Sachgehalt dessen<br />

gibt, was der Gegenstand ist, nennt man sie auch <strong>die</strong> materiale<br />

Wahrheit im Unterschied zu der formalen Wahrheit. Aber man<br />

kann <strong>die</strong> prädikative Beziehung nur unter derjenigen Voraussetzung<br />

formale Wahrheit nennen, daß <strong>die</strong> Wahrheit, wie <strong>in</strong> der<br />

traditionellen Logik, primär überhaupt der Prädikation, der<br />

Aussage, dem Urteil zukommt. Diese »formale Wahrheit« bezeichnen<br />

wir aber besser als »Richtigkeit«, um den Irrtum<br />

abzuwehren, als sei <strong>die</strong> Wahrheit doch primär <strong>in</strong> der Prädikation<br />

zu Hause. Insofern sich das Prädikat auf das Subjekt richtet,<br />

untersteht <strong>die</strong>ses Sichrichten des Prädikats auf das Subjekt, ganz<br />

unabhängig von der möglichen Wahrheit oder Unwahrheit, bestimmten<br />

Regeln, und zwar den Regeln der sogenannten formalen<br />

Logik. Wie wir im Satz prädikative und veritative<br />

Beziehung scheiden, so muß man <strong>die</strong> Regeln der Richtigkeit im<br />

Satz, <strong>die</strong> sagen, was se<strong>in</strong> muß, daß sich überhaupt e<strong>in</strong> p auf e<strong>in</strong> S<br />

beziehen kann, und <strong>die</strong> Forderungen und Normen der Wahrheit<br />

der Aussage vone<strong>in</strong>ander scheiden.<br />

Diese Überlegungen haben nun zunächst das E<strong>in</strong>e ergeben,<br />

daß <strong>die</strong> Aussage <strong>in</strong> sich schon e<strong>in</strong>e Mannigfaltigkeit von Beziehungen<br />

birgt, und daß demnach <strong>die</strong> Zuweisung der Wahrheit<br />

als Charakter der Aussage schwankend und unsicher ist. Wie<br />

kommt es nun dazu, daß <strong>die</strong> Wahrheit primär dem Satz zugesprochen<br />

wird, und warum ist <strong>die</strong>se Zuweisung der Wahrheit als<br />

Charakter des Satzes so selbstverständlich? Inwiefern entspr<strong>in</strong>gt<br />

gerade aus <strong>die</strong>ser Zuweisung der Wahrheit zum Satz <strong>die</strong> Verwirrung,<br />

<strong>in</strong> der sich heute noch alle Erkenntnistheorie und<br />

Logik bewegt, e<strong>in</strong>e Verwirrung, <strong>die</strong> durch ke<strong>in</strong>e neuerfundene<br />

Theorie zu entwirren ist, sondel"n lediglich dadurch, daß man<br />

§ 10. Wahrheit als Satzwahrheit 57<br />

auf den Crsprung und <strong>die</strong> Quelle der Fehl<strong>in</strong>terpretation zurückl1eht.<br />

,., \Yarum ist es natürlich, vom Satz auszugehen, wenn man <strong>die</strong><br />

Frage nach dem Wese~ der Wahr~eit s~ellt? Daß Wahrheit <strong>in</strong><br />

ende<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>ne mIt ErkenntnIs, mIt Denken zusammen-<br />

Irg . .<br />

hängt, ist schon früh 'deuthch. Um das Wesen der WahrheIt zu<br />

erfassen, wird man' versuchen, <strong>in</strong> der Erkenntnis, <strong>in</strong> deren Begriff<br />

schon Wahrheit liegt, - denn e<strong>in</strong>e falsche Erkenntnis ist<br />

"ben ke<strong>in</strong>e Erkenntnis - das Wahrheitsmoment und damit <strong>die</strong><br />

Wahrheitsstruktur zu f<strong>in</strong>den.<br />

c) Ansatz des Wahrheitsproblems <strong>in</strong> der Antike<br />

Die Frühzeit des <strong>Philosophie</strong>rens <strong>in</strong> ihrer ursprünglichen und<br />

frischen S<strong>in</strong>nlichkeit strebt danach, <strong>die</strong> Frage nach der Wahrheit,<br />

<strong>die</strong> der Erkenntnis zugehört, <strong>in</strong> derjenigen Gestalt zum<br />

Gegenstand zu machen, <strong>die</strong> unmittelbar s<strong>in</strong>nlich für jedermann<br />

zugänglich ist - und das ist das ausgesprochene Wort. Das hörbare<br />

und geschriebene Wort ist es also, das unmittelbar <strong>die</strong><br />

Wahrheit und <strong>die</strong> Erkenntnis präsentiert. Dabei ist noch zu beachten,<br />

daß <strong>die</strong> Griechen, wie alle südlichen Völker, viel stärker<br />

<strong>in</strong> der öffentlichen Sprache und Rede leben, als wir es gewohnt<br />

s<strong>in</strong>d. Denken heißt für sie eigentlich öffentlich diskutieren.<br />

Weder das Buch noch gar <strong>die</strong> Zeitung spielten e<strong>in</strong>e Rolle. Das<br />

Denken als Ause<strong>in</strong>andersetzen, als Entscheiden über Wahrheit<br />

und Falschheit, ist öffentliches Gespräch. Daher ist <strong>die</strong> gesprochene<br />

Rede, der-ausgesprochene Satz gewissermaßen <strong>die</strong> Wirklichkeit<br />

der Wahrheit, das Handgreifliche, <strong>in</strong> dem sich <strong>die</strong><br />

Wahrheit präsentiert; sie ist im A6yo~ wirklich.<br />

Dieser Ansatz des Wahrheitsproblems f<strong>in</strong>det sich ganz deutlidl<br />

<strong>in</strong> der vorplatonischen <strong>Philosophie</strong>, bei Platon, auch noch<br />

bei Aristoteles. Weil <strong>die</strong> Frage nach dem Wesen der Wahrheit<br />

und der Erkenntnis im gesprochenen Wort ansetzt, d.h. im A6yo~,<br />

dpshal b ist <strong>die</strong> Erkenntnis des Wesens der Wahrheit <strong>die</strong> Erkpnntnis<br />

des Logos, d.h. Logik. Man wird also den spezifischen

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