Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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46 Die Frage nach dem Wesen der Wissenschaft<br />
§ 10. Wahrheit als Satzwahrheit<br />
Wahrheit ist von Haus aus Urteils-, Aussagewahrheit. Urteile und<br />
Aussagen drücken sich sprachlich <strong>in</strong> Sätzen aus. Wahrheit ist<br />
Satzwahrheit. »Diese Lampe brennt«, »Diese Kreide ist weiß« ,<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fache Beispiele für e<strong>in</strong>e Satzwahrheit. E<strong>in</strong>zelne Worte<br />
und Wortzusammenstellungen wie »<strong>die</strong>se Lampe« oder »<strong>die</strong>se«<br />
oder »brennt« können weder wahr noch falsch se<strong>in</strong>, sondern nur<br />
der Satz im Ganzen, d.h. <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dung des Prädikats »brennt«<br />
mit dem Subjekt »<strong>die</strong> Lampe«. Diese Überlegung ist e<strong>in</strong>leuchtend.<br />
Die Wahrheit liegt <strong>in</strong> Vorstellungsverb<strong>in</strong>dungen, nicht <strong>in</strong><br />
isolierten Vorstellungen. Daß <strong>die</strong> Wahrheit ihren Ort <strong>in</strong> der Aussage,<br />
im Satz habe, ist um so weniger von Zweifeln berührt, als<br />
sich dafür sogar Platon und Aristoteles als Kronzeugen anrufen<br />
lassen. Seither ist <strong>die</strong>se Auffassung der Wahrheit unerschütterlich<br />
geblieben, sie gehört zu dem ganz Wenigen, was <strong>in</strong> der<br />
Geschichte der <strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong>mütig festgehalten wird.<br />
Unsere späteren Überlegungen werden an <strong>die</strong>sem Problem<br />
zentral orientiert se<strong>in</strong>. Deshalb seien kurz e<strong>in</strong>ige Belege für<br />
<strong>die</strong>se wichtige Auffassung der Wahrheit als Satzwahrheit gegeben:<br />
Aristoteles, De <strong>in</strong>terpretatione, 4,17a 1 sqq.: EcrU ÖE 'A.oyoC;<br />
a:n:ae; JlEV 0l1JlavtLxoe;, ... u:n:Omatura<br />
ventatis <strong>in</strong> universum seu connexio <strong>in</strong>ter term<strong>in</strong>os enuntiationis,<br />
aut etiam Aristoteles observavit«.1 Leibniz nennt also <strong>die</strong><br />
Wahrheit des Satzes hier connectio, das ist e<strong>in</strong>fach <strong>die</strong> late<strong>in</strong>ische<br />
Loersetzung von ouv6-EOLe;. Die Wahrheit ist connectio von<br />
zweI Begriffen 'oder Ausdrücken. Die Wahrheit gehört zur enuntlatio,<br />
zur Aussage.<br />
Schließlich sei auf e<strong>in</strong>en Beleg aus Kant, Logikvorlesung<br />
§ 17, verwiesen: »E<strong>in</strong> Urteil ist <strong>die</strong> Vorstellung der E<strong>in</strong>heit des<br />
Bewußtse<strong>in</strong>s verschiedener Vorstellungen oder <strong>die</strong> Vorstellung<br />
des Verhältnisses derselben, sofern sie e<strong>in</strong>en Begriff ausmachen.«2<br />
Kant sagt auch ganz kurz: Ich denke = ich urteile = ich<br />
verb<strong>in</strong>de, nämlich Prädikat und Subjekt. Im Verb<strong>in</strong>den ist also<br />
nach der allgeme<strong>in</strong>en Auffassung der Ort der Wahrheit.<br />
, Opuseules et fragments <strong>in</strong>edits de Leibniz, ed. Louis Couturat. Paris 1903,<br />
p '}18/9 Pnmae veritates. Phil. VIII,' 6.<br />
2 lmmanuel Kants gesammelte Schriften. Hrsg. von der Königlich preußi<br />
"hpn '\kademie der Wissenschaften. Bd. IX, Berl<strong>in</strong> 1923, S. 101.