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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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194 Wesensbereich der Wahrheit - Wesen der Wissenschaft<br />

z.B.). Dem, was <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Begriffen geme<strong>in</strong>t ist, wird selbst<br />

nicht weiter nachgefragt; <strong>in</strong> den Def<strong>in</strong>itionen kommen <strong>die</strong>se<br />

Grundbegriffe vor, aber <strong>die</strong> Def<strong>in</strong>ition selbst gibt nur Rahmen<br />

und Regel für <strong>die</strong> Erforschung des betreffenden Seienden.<br />

Wenn wir e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Bestimmung aus der Physik vornehmen:<br />

s = c· t (Weg gleich Geschw<strong>in</strong>digkeit mal Zeit), so ist<br />

das e<strong>in</strong>e bestimmte Umgrenzung dessen, was <strong>in</strong> der Physik als<br />

Weg verstanden wird. Auf <strong>die</strong> Frage: was ist e<strong>in</strong> Weg? wird nicht<br />

irgende<strong>in</strong>e Überlegung über <strong>die</strong> Möglichkeit des Durchmessens<br />

e<strong>in</strong>es Raumes angestellt, sondern der Weg wird h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er<br />

räumlich-quantitativen Erstreckung def<strong>in</strong>iert, weil von<br />

vornhere<strong>in</strong> der Körper, der e<strong>in</strong>en Weg durchläuft, als quantitativ<br />

bestimmbares D<strong>in</strong>g gefaßt ist, das den Ort verändert. Umgekehrt<br />

können wir c durch den Quotienten s/t bestimmen. Wenn wir<br />

t = 1 setzen, haben wir den Begriff der Geschw<strong>in</strong>digkeit. Schon<br />

daß wir <strong>die</strong> Def<strong>in</strong>ition der Zeit durch e<strong>in</strong>en Quotienten bzw. e<strong>in</strong><br />

Produkt ausdrücken, zeigt, daß von vornhere<strong>in</strong> der Naturvorgang<br />

als homogene E<strong>in</strong>heit bewegter materieller D<strong>in</strong>ge gefaßt<br />

ist. Wenn der Physiker über se<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition, <strong>die</strong> für se<strong>in</strong>e physikalische<br />

Fragestellung notwendig ist, h<strong>in</strong>ausgeht, dann ist auch<br />

<strong>die</strong> weiterdr<strong>in</strong>gende Bestimmung dessen, was er def<strong>in</strong>iert, von<br />

dem Blickpunkt aus bestimmt, der hier durch <strong>die</strong> mathematische<br />

Physik gegeben ist. Das ist bei Newton <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Pr<strong>in</strong>cipia (1714),<br />

S. 7 und 5 zu sehen: Tempora et spatia sunt sui ipsorum et rerum<br />

omnium quasi loca. In tempore quoad ord<strong>in</strong>em successionis, <strong>in</strong><br />

spatio quod ord<strong>in</strong>em situs locantur universa. De illorum essentia<br />

est, ut s<strong>in</strong>t loca, et loca primaria moveri absurdum est ... Tempus,<br />

spatium, locus et motus sunt omnibus notissima. Tempus absolutum,<br />

verum et mathematicum, <strong>in</strong> se et natura sua si ne relatione<br />

ad externum quodvis, aequabiliter fluit, alioque nom<strong>in</strong>e dicitur<br />

duratio. 2 »Die Zeiten und <strong>die</strong> Räume s<strong>in</strong>d gleichsam <strong>die</strong> Platzhalter<br />

ihrer selbst und aller D<strong>in</strong>ge, <strong>in</strong> der Zeit werden alle D<strong>in</strong>ge<br />

z Isaac Newton, Philosophiae naturalis pr<strong>in</strong>cipia mathematica. Amsterdam<br />

1714. -<br />

§ 26. Se<strong>in</strong>sverständnis im wissenschaftlichen Entwwf 195<br />

untergebracht im H<strong>in</strong>blick auf <strong>die</strong> Ordnung des Nache<strong>in</strong>ander,<br />

1m Raum dagegen im Blick auf <strong>die</strong> Ordnung der gegenständlichen<br />

Lage.«<br />

Daraus ergibt sich, daß Raum wie Zeit als das genommen<br />

werden, wor<strong>in</strong>nen <strong>die</strong> Gegenstände als bewegte geordnet werden,<br />

und zwar so, daß sie mathematisch bestimmbar s<strong>in</strong>d. Dies<br />

wirkt noch <strong>in</strong> der kantischen These nach: Zeit und Raum s<strong>in</strong>d<br />

das Wor<strong>in</strong>nen der Ordnung.<br />

Newton fügt allerd<strong>in</strong>gs noch bei, es gehört zum Wesen von<br />

Raum und Zeit, daß sie loca, Örter, gewissermaßen Platzhalter<br />

s<strong>in</strong>d, aber solche Plätze, Me<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> selbst nicht mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

anderen s<strong>in</strong>d, sondern sie s<strong>in</strong>d das Medium für sich selbst. Weil<br />

sie <strong>die</strong> loca primaria, <strong>die</strong> letzten und äußersten Me<strong>die</strong>n s<strong>in</strong>d,<br />

können sie selbst nicht mehr bewegt werden, obzwar gerade <strong>die</strong><br />

Zeit duTch den gleichmäßigen Fluß des Nache<strong>in</strong>ander gekennzeichnet<br />

ist. Newton sagt: tempus aequabiliter fluit, <strong>die</strong> Zeit<br />

flIeßt gleichmäßig. Er leitet <strong>die</strong> Bestimmung <strong>die</strong>ser Grundbegriffe<br />

wie tempus, spatium, locus damit e<strong>in</strong>, daß er sagt, das s<strong>in</strong>d<br />

solche Gegenstände, <strong>die</strong> allen am bekanntesten s<strong>in</strong>d; sie werden<br />

von ihm nur soweit def<strong>in</strong>iert, als sie im Rahmen des Grundansatzes<br />

e<strong>in</strong>er Natur als e<strong>in</strong>es Bewegungszusammenhanges ausgewählter<br />

D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Frage kommen.<br />

Dergleichen wird nur so weit und <strong>in</strong> der Form erörtert, daß<br />

vorweg ausgemacht ist für jede konkrete naturwissenschaftliche<br />

Frage, was da unter Natur und Naturvorgang verstanden wird.<br />

Das Wesen von Natur wird <strong>in</strong> gewisser vorgängiger Weise umgrenzt;<br />

aber <strong>die</strong>se Se<strong>in</strong>sverfassung des Seienden (Natur) ist<br />

nicht eigens Gegenstand e<strong>in</strong>es Fragens. Aber wie wird denn von<br />

der Zeit und dem Raum Gebrauch gemacht? Im Wandel des<br />

Se<strong>in</strong>sverständnisses, im Übergang vom Erfassen der Gebrauchsdmge<br />

zum Erfassen von Natur, vollzieht sich e<strong>in</strong> vorgängiger<br />

Entwurf der Se<strong>in</strong>sverfassung, aber so, daß <strong>die</strong> Se<strong>in</strong>sverfassung<br />

nicht Gegenstand wird, also e<strong>in</strong> ungegenständlicher Entwurf<br />

der Se<strong>in</strong>sverfassung.

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