31.10.2013 Aufrufe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

146 Wahrheit - Dase<strong>in</strong> - Mit-se<strong>in</strong><br />

das Dase<strong>in</strong>, sowohl das als Ich fungierende als auch das Du, als<br />

Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> bestimmt ist, ja noch mehr: Sogar <strong>die</strong> Selbsterfassung<br />

e<strong>in</strong>es Ich und der Begriff von Ichheit erwächst erst auf<br />

dem Grunde des Mite<strong>in</strong>ander, aber nicht als Ich-Du-Beziehung.<br />

Es ist gleich irrig, das Mite<strong>in</strong>ander erst von e<strong>in</strong>em Ichrumpf<br />

aus entstehen zu lassen, wie zu me<strong>in</strong>en, <strong>die</strong> Ich-Du-Beziehung<br />

sei <strong>die</strong> Basis, um von ihr aus das Dase<strong>in</strong> als solches zu bestimmen;<br />

statt des egoistischen solipsistischen Ansatzes e<strong>in</strong> Altruismus<br />

- so wird der Fehler nur verdoppelt, und es gibt e<strong>in</strong>en<br />

Solipsismus zu zweien. Ebenso irrig ist es, das Mite<strong>in</strong>ander als<br />

alle<strong>in</strong>iges Pr<strong>in</strong>zip anzusehen.<br />

In se<strong>in</strong>em Wesen ist das Seiende, das wir je s<strong>in</strong>d, der Mensch,<br />

e<strong>in</strong> Neutrum. Wir nennen <strong>die</strong>ses Seiende: das Dase<strong>in</strong>. Aber zum<br />

Wesen <strong>die</strong>ses Neutrums gehört es, daß es, sofern es je faktisch<br />

existiert, notwendig se<strong>in</strong>e Neutralität gebrochen hat, d.h. das<br />

Dase<strong>in</strong> ist als faktisches je entweder männlich oder weiblich, es<br />

ist Geschlechtswesen; das schließt e<strong>in</strong> ganz bestimmtes Mitund<br />

Zue<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> sich e<strong>in</strong>. Die Grenze und Weite der Auswirkung<br />

<strong>die</strong>ses Charakters ist faktisch je verschieden; es läßt sich<br />

nur zeigen, welche Möglichkeiten der menschlichen Existenz<br />

nicht notwendig durch das Geschlechtsverhältnis oestimmt<br />

s<strong>in</strong>d. Alle<strong>in</strong>, gerade <strong>die</strong>ses Geschlechtsverhältnis ist nur möglich,<br />

weil das Dase<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er metaphysischen Neutralität<br />

schon durch das Mite<strong>in</strong>ander bestimmt ist. Wäre nicht schon<br />

jedes Dase<strong>in</strong>, das faktisch je männlich oder weiblich ist, se<strong>in</strong>em<br />

Wesen nach mite<strong>in</strong>ander, dann bliebe e<strong>in</strong> Geschlechtsverhältnis<br />

als menschliches schlechth<strong>in</strong> unmöglich.<br />

Es ist daher der gröbste Widers<strong>in</strong>n, der sich ausdenken läßt,<br />

wenn man versucht, das Mite<strong>in</strong>ander als Wesensbestimmung<br />

des Dase<strong>in</strong>s umgekehrt aus dem Geschlechtsverhältnis zu erklären.<br />

Ludwig Feuerbach hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bl<strong>in</strong>den und unzureichenden<br />

Opposition gegen den deutschen Idealismus <strong>die</strong>sen<br />

Irrtum aufgebracht, e<strong>in</strong>en Irrtum, den man heute zu erneuern<br />

versucht, der aber nicht dadurch zur Wahrheit wird, daß man<br />

<strong>die</strong> groben Materialismen Feueri>achs mit Hilfe der heutigen<br />

§ 20. Geme<strong>in</strong>schaft auf dem Grunde des Mite<strong>in</strong>ander 147<br />

Phänomenologie schmackhafter zu machen sucht. Die Grundthese<br />

der Feuerbachsehen Anthropologie, se<strong>in</strong>er Lehre vom<br />

:vIenschen, lautet: Der Mensch ist, was er ißt. Diese These hat<br />

etwas Richtiges - aber immer, wenn etwas Halbwahres zu<br />

e<strong>in</strong>em universalen Pr<strong>in</strong>zip erklärt wird, entsteht Verwirrung.<br />

Zum Wesen des Menschen gehört <strong>die</strong>se gebrochene Neutralität<br />

se<strong>in</strong>es Wesens, d. h. aber, <strong>die</strong>ses Wesen kann nur primär von<br />

der Neutralität aus zum Problem gemacht werden, und nur mit<br />

Bezug auf <strong>die</strong>se Neutralität ist der Bruch der Neutralität selbst<br />

möglich. In <strong>die</strong>sem Problem ist <strong>die</strong> Geschlechtlichkeit nur e<strong>in</strong><br />

Moment und.zwar nicht das Primäre (Geworfenheit). Weil nun<br />

das Dase<strong>in</strong> als leibliches existiert, unterliegt <strong>die</strong> faktische Erfassung<br />

des anderen durch den e<strong>in</strong>en und des e<strong>in</strong>en durch den<br />

anderen bestimmten Bed<strong>in</strong>gungen; aber <strong>die</strong> leiblich mitbed<strong>in</strong>gten<br />

Bezüge des Erfassens von Dase<strong>in</strong> und Dase<strong>in</strong> konstituieren<br />

nicht das Mite<strong>in</strong>ander, sondern setzen es voraus und s<strong>in</strong>d ihrerseits<br />

dadurch bestimmt.<br />

Um nun von Anfang deutlich zu machen, daß das Mite<strong>in</strong>ander<br />

primär weder auf dem Wege über e<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>zeltes Ich<br />

zustande kommt, noch aus dem Ich-Du-Verhältnis erklärt werden<br />

kann, wurde <strong>die</strong> Analyse im Se<strong>in</strong> bei e<strong>in</strong>em Vorhandenen<br />

angesetzt. Aber wenn das Se<strong>in</strong> bei ... e<strong>in</strong> Wesensmoment des<br />

Mite<strong>in</strong>ander ist, dann muß das Se<strong>in</strong> bei ... auch bestimmend<br />

bleiben für <strong>die</strong> verschiedenen faktischen Möglichkeiten des<br />

Mite<strong>in</strong>ander, der Geme<strong>in</strong>schaft beispielsweise.<br />

Wir wissen zur Genüge, daß z.B. echte und große Freundschaft<br />

weder dadurch entsteht noch dar<strong>in</strong> besteht, daß e<strong>in</strong> Ich<br />

und e<strong>in</strong> Du <strong>in</strong> ihrer Ich-Du-Beziehung e<strong>in</strong>ander rührselig anschauen<br />

und sich mit ihren belanglosen Seelennöten unterhalten,<br />

sondern daß sie wächst und standhält <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er echten<br />

Leidenschaft für e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Sache, was nicht ausschließt,<br />

sondern vielleicht fordert, daß jeder je se<strong>in</strong> verschiedenes Werk<br />

hat und verschieden zu Werke geht. Es sei nur an <strong>die</strong> Freundschaft<br />

zwischen Goethe und Schiller er<strong>in</strong>nert.<br />

Andererseits ist nicht entscheidend, was e<strong>in</strong>er treibt, sondern

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!