Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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250 Weltanschauung und Weltbegriff<br />
taphysica generalis und der Metaphysica specialis, ist '~estellt<br />
und beantwortet <strong>in</strong> der »Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft«, und zwar<br />
<strong>in</strong> der »Elementarlehre«. Diese zerfällt <strong>in</strong> transzendentale Aesthetik<br />
und transzendentale Logik, <strong>die</strong> letzte <strong>in</strong> Analytik und<br />
Dialektik. Die transzendentale Aesthetik und transzendentale<br />
Analytik s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> neue und erste eigentliche Bestimmung der<br />
Metaphysica generalis (Ontologie), <strong>die</strong> transzendentale Dialektik<br />
<strong>die</strong> der Metaphysica specialis.<br />
Die »Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft« ist e<strong>in</strong>e Grundlegung der<br />
Metaphysik. Sie ist weder deren Zertrümmerung noch - was der<br />
Neukantianismus sagt - e<strong>in</strong>e Erkenntnistheorie der mathematischen<br />
Naturwissenschaften, sondern, wie Kant selbst sagt <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Brief bei Übersendung des eben erschienenen Werkes an<br />
se<strong>in</strong>en Freund Marcus Herz 1781: <strong>die</strong> Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft<br />
ist <strong>die</strong> Metaphysik von der Metaphysik. Es ist das Problem, das,<br />
seitdem Aristoteles <strong>die</strong> Abhandlungen niedergeschrieben hat,<br />
<strong>die</strong> wir als Metaphysik rund E kennen, nicht mehr von der<br />
Stelle gekommen ist, ja, was noch verhängnisvoller war, überhaupt<br />
nicht mehr als Problem lebendig war und <strong>die</strong> Schärfe<br />
e<strong>in</strong>er wirklichen Frage hatte. Zwar wurden e<strong>in</strong>zeln'e metaphysische<br />
Fragen wiederholt gestellt, z.B. bei Leibniz <strong>die</strong> Frage<br />
nach der Substanz, ja, sogar schon <strong>die</strong> nach e<strong>in</strong>er neuen Grundlegung<br />
der prima philosophia bei Descartes - und doch f<strong>in</strong>det<br />
sich <strong>die</strong> Frage nach der Metaphysik als solcher, ihrem Wesen,<br />
Ursprung und ihrer Notwendigkeit erst bei Kant.<br />
Jede echte Wiederaufnahme solcher Grundprobleme ist e<strong>in</strong>e<br />
radikalisierende Verwandlung dessen, was zur Erörterung steht;<br />
<strong>in</strong> und durch <strong>die</strong> kantische (und jede) Grundlegung der Metaphysik<br />
verwandelt sich deren Wesen. Das besagt aber für unsere<br />
besondere Frage: Das Problem der Metaphysica generalis und<br />
zugleich das der Metaphysica specialis, der Kosmologie, verwandelt<br />
sich und damit das Problem des Weltbegriffes. Nach<br />
dem, was über <strong>die</strong> »Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft« angedeutet<br />
wurde, heißt das: das Problem des Weltbegriffs wird allererst<br />
gestellt.<br />
§ 34. Kants Weltbegriff 251<br />
Bevor wir versuchen, <strong>in</strong> Kürze das Problem des Weltbegriffs<br />
auS der Fragestellung der »Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft« zu entwickeln,<br />
bedarf es e<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>weisung auf <strong>die</strong> Abhandlung Kants,<br />
<strong>die</strong> den Übergang darstellt zwischen der vorkritischen Periode<br />
se<strong>in</strong>es Denkens und dem Ersche<strong>in</strong>en der »Kritik der re<strong>in</strong>en<br />
Vernunft«. Es ist <strong>die</strong> Abhandlung von 1770: »De mundi sensibilis<br />
atque <strong>in</strong>telligibilis forma et pr<strong>in</strong>cipiis.« Mit <strong>die</strong>ser Schrift<br />
hat sich Kant als ordentlicher Professor der Logik und Metaphysik<br />
an der Universität Königsberg e<strong>in</strong>geführt. Wie schon der<br />
Titel anzeigt, kommt der Begriff »mundus« zur Erörterung. Im<br />
ersten Abschnitt, sectio I, behandelt Kant den Weltbegriff im<br />
allgeme<strong>in</strong>en: De notione mundi generatim. Vergleiche <strong>in</strong>sbesondere<br />
§ 2: »Momenta, <strong>in</strong> mundi def<strong>in</strong>itione attendenda, haec<br />
sunt: 1. materia, 2. forma, 3. universitas.«2<br />
Ad 1. Unter materia ist nach dem gefragt, woraus e<strong>in</strong>e Welt<br />
besteht. Kant antwortet: »Materia (<strong>in</strong> sensu transcendentali)<br />
h.e. partes, quae hic sumuntur esse substantiae.«~ Welt besteht<br />
aus ,für sich bestehenden, seienden D<strong>in</strong>gen. Der Plural ist zu<br />
beachten. »Verum vis vocis mundi, quatenus usu vulgari celebratur,<br />
ultro no bis occurrit. Nemo enim accidentia, tanquam<br />
partes, accenset mundo, sed, tanquam determ<strong>in</strong>ationes, statui.<br />
H<strong>in</strong>c mundus sic dictus egoisticus, qui absolvitur unica substantia<br />
simplici, cum suis accidentibus, parum apposite vocatur<br />
mundus, nisi forte imag<strong>in</strong>arius.«4 In wenig angebrachter Weise<br />
wird sie »Welt« genannt; e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zig existierendes Wesen ist<br />
ke<strong>in</strong>e Welt.<br />
Ad 2. Welches ist <strong>die</strong> Form dessen, was wir mundus nennen,<br />
d.h. wie ist <strong>die</strong> Mehrheit von Substanzen als solche bestimmt?<br />
Forma mundi »consistit <strong>in</strong> substantiarum coord<strong>in</strong>atione, non<br />
subord<strong>in</strong>atione. Coord<strong>in</strong>ata enim se <strong>in</strong>vicem respiciunt ut complementa<br />
ad totum, subord<strong>in</strong>ata ut causaturn et causa, s. gene-<br />
, A.a.O., Band 11. Vorkritische Schnften, hrsg. von Artur Buchenau. Berl<strong>in</strong><br />
1912. S. 402 ff.<br />
3 A.a.O., S. 405.<br />
4 Ebd.