Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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374 Das Problem der Weltanschauung<br />
ausgesprochenen Pflege der Literatur zusammengeht, e<strong>in</strong>e ausgesprochene<br />
Tendenz gegen alle Barbarismen, e<strong>in</strong> ~<strong>in</strong>n für<br />
Niveau und Haltung <strong>in</strong> dem spezifisch aesthetischen S<strong>in</strong>n des<br />
Geschmacks. Auch <strong>die</strong>se Form zeigt sich <strong>in</strong> den verschiedensten<br />
Formen; gegenüber dem psychologischen Anthropologismus<br />
können wir sie als e<strong>in</strong>en aesthetischen Humanismus bezeichnen.<br />
3. In der Weltanschauung als Haltung hat das freie Wählen,<br />
<strong>die</strong> Entscheidung e<strong>in</strong>e gewisse leitende Rolle. Dar<strong>in</strong> liegt, daß<br />
der Wählende auf sich selbst als Instanz zurückkommt. Gegenüber<br />
den äußeren Umständen, Gelegenheiten und Lagen des<br />
Dase<strong>in</strong>s beansprucht <strong>die</strong> Bes<strong>in</strong>nung e<strong>in</strong>en gewissen Vorzug. Die<br />
Innerlichkeit erfährt e<strong>in</strong>e Pflege, nicht <strong>in</strong> psychologischer Erörterung,<br />
nicht <strong>in</strong> aesthetischer Gestaltung, sondern im Ernst der<br />
Ges<strong>in</strong>nung und der Bekümmerung um sich selbst. Die Existenz<br />
des e<strong>in</strong>zelnen Ich ist nicht nur der Ort der Entscheidungen,<br />
sondern es selbst das Entscheidende. Diese Form der Haltung<br />
verb<strong>in</strong>det sich leicht, ja erwächst immer wieder im engsten<br />
Bunde mit e<strong>in</strong>er bestimmten Religion, z. B. der christlichen Religiosität.<br />
Auch hier zeigt sich das Hereiuspielen der ersten<br />
Grundform der Weltanschauung; zwar werden <strong>die</strong> Heilsmittel<br />
und -wege - Gnadenvermittlung, Sakramente - nicht gebraucht,<br />
aber es bleibt, ja verstärkt sich <strong>die</strong> Bekümmerung um<br />
das Seelenheil. Hier ist ke<strong>in</strong> Anthropologismus, auch ke<strong>in</strong> Humanismus,<br />
aber doch steht der Mensch im Zentrum h<strong>in</strong>sichtlich<br />
des Heils se<strong>in</strong>er Existenz. Der Ausdruck »Existenzialismus« beg<strong>in</strong>nt<br />
heute üblich zu werden. Meist ist <strong>die</strong>ser Existenzialismus<br />
religiös betont; er ist im Entscheidenden gefördert durch e<strong>in</strong>e<br />
bestimmte Form der Erneuerung Kierkegaardscher Gedanken.<br />
Wir haben also drei Formen der Entartung der Weltanschauung<br />
als Haltung: Betulichkeit, Gebärde und Innerlichkeit -<br />
Subjektivismus <strong>in</strong> verschiedenen Abwandlungen. Diese drei<br />
Formen der Entartung der Weltanschauung als Haltung gehen<br />
faktisch immer mit, können sich dabei vermischen ~nd damit<br />
<strong>die</strong> Unechtheit und Ratlosigkeit noch steigern. In e<strong>in</strong>er solchen<br />
Situation bef<strong>in</strong>den wir uns heute .. Darauf ist hier nicht weiter<br />
§ 42. Weltanschauung als Haltung 375<br />
e<strong>in</strong>zugehen. - Sofern"nun aus ganz anderen Motiven [... J* aus<br />
dem Grundproblem der <strong>Philosophie</strong> und ihres Wissens heraus<br />
das Dase<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ausgezeichnete Funktion erhält und <strong>die</strong>se konkret<br />
dargestellt wurde,wird sie zwangsläufig - <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>die</strong>ser<br />
Formen umgesetzt - <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schublade untergebracht und<br />
dann unschädlich.<br />
Für uns ist wichtig: In <strong>die</strong>sen entarteten Formen der Haltung<br />
bekundet sich jeweils e<strong>in</strong> gewisser Vorrang des Dase<strong>in</strong>s; das<br />
weist darauf h<strong>in</strong>, daß zum Wesen <strong>die</strong>ser Weltanschauung als<br />
Haltung e<strong>in</strong> Wesentlichwerden des Selbst gehört. Alle<strong>in</strong> das<br />
E<strong>in</strong>fache ist klar zu sehen, daß, wenn das Selbst wesentlich wird,<br />
es zunächst gar nicht wichtig ist, welche Betulichkeit dem Menschen<br />
gegenüber <strong>in</strong> Szene gesetzt, welche Gebärde ihm angedichtet<br />
[?] und welche Existenz für ihn erdacht wird, sondern<br />
wesentlich ist offenbar das Se<strong>in</strong> des Selbst und <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />
<strong>die</strong>ses geschehen zu lassen.<br />
In all <strong>die</strong>sen Formen der Haltung ist das menschliche Leben<br />
im Grunde verstanden als e<strong>in</strong> Geschäft, das entweder durch<br />
psychologische Betulichkeit oder neuhumanistische Gebärde<br />
oder aber durch <strong>die</strong> widers<strong>in</strong>nige Zappelei e<strong>in</strong>es sogenannten<br />
existenziellen Denkens <strong>in</strong> Gang gehalten werden soll. Was für<br />
den vorliegenden Zusammenhang e<strong>in</strong>er allgellle<strong>in</strong>en Charakteristik<br />
der Haltung wichtig bleibt, 'ist, zu sehen, daß zum Wesen<br />
der Weltanschauung als Haltung gehört, daß das Dase<strong>in</strong> ausdrücklich<br />
wird, »ausdrücklich« nicht prilllär <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>n, daß es<br />
beachtet, beobachtet und besonders bekannt werde, sondern<br />
Ausdrücklichkeit als e<strong>in</strong> Charakter se<strong>in</strong>es Se<strong>in</strong>s. Das Se<strong>in</strong> des<br />
Dase<strong>in</strong>s bekommt für es e<strong>in</strong>e Schärfe.<br />
Wo mythisches Dase<strong>in</strong> nur noch <strong>in</strong> der schwachen Er<strong>in</strong>nerung<br />
und Übermalung der Haltung, ausdrücklich aber nicht <strong>die</strong><br />
Existenz des Menschen bestimmt, da gilt das Leben des Menschen<br />
nur soweit, als es jeweils <strong>in</strong> sich Dase<strong>in</strong> aufbr<strong>in</strong>gt.<br />
Die Grundverfassung des Dase<strong>in</strong>s liegt aber <strong>in</strong> der Transzen -<br />
* [E<strong>in</strong> Wort unleserlIch.]