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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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218 Zum Unterschied von Wissenschaft und <strong>Philosophie</strong><br />

erste, aber mit Bedacht haben wir drei Wege angesetzt. Das<br />

Durchmessen der heiden anderen kann uns erst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>s mit dem<br />

jetzt durchlaufenen <strong>in</strong>s Ziel br<strong>in</strong>gen.<br />

Etwas Wesentliches aber ist ans Licht gekommen: <strong>Philosophie</strong>ren<br />

ist als Ausbildung des Se<strong>in</strong>sverständnisses Transzen<strong>die</strong>ren,<br />

d.h. Geschehen-lassen dessen, was Existenz im _Grunde<br />

ermöglicht. <strong>Philosophie</strong>ren ist e<strong>in</strong> Existieren aus dem Wesensgrunde<br />

des Dase<strong>in</strong>s. <strong>Philosophie</strong>ren heißt: Wesentlich werden <strong>in</strong><br />

der Transzendenz. Denn nur <strong>die</strong> Transzendenz ermöglicht u.a.<br />

den Entwurf des Se<strong>in</strong>s. Dieser bedarf daher wesenhaft der Transzendenz<br />

als Horizont des Entwerfens. Die Frage nach dem Se<strong>in</strong><br />

bedarf des transzendentalen Horizontes.<br />

(Das fordert aber, <strong>die</strong> Transzendenz <strong>in</strong> ihrem Wesen zu enthüllen.<br />

Transzendenz ist das Grundwesen des Dase<strong>in</strong>s selbst, des<br />

Seienden, das wir selbst s<strong>in</strong>d. Demnach bedarf es e<strong>in</strong>er Enthüllung<br />

der Se<strong>in</strong>sverfassung des Dase<strong>in</strong>s und des Wesens der<br />

Existenz. Nun läßt sich zeigen: Die ursprüngliche Se<strong>in</strong>sverfassung<br />

des Dase<strong>in</strong>s und d. h. zugleich der Grund der <strong>in</strong>neren<br />

Möglichkeit der Transzendenz ist <strong>die</strong> Zeitlichkeit. Also muß <strong>die</strong><br />

Zeit den transzendentalen Horizont bestimmen für <strong>die</strong> Grundfrage<br />

des <strong>Philosophie</strong>rens, <strong>die</strong> Frage nach dem Se<strong>in</strong>. Die Fundamentalfrage<br />

der <strong>Philosophie</strong> ist <strong>die</strong> nach Se<strong>in</strong> und Zeit.<br />

Daher ist der erste Teil der so betitelten Untersuchung überschrieben:<br />

»Die Interpretation des Dase<strong>in</strong>s auf <strong>die</strong> Zeitlichkeit<br />

und <strong>die</strong> Explikation der Zeit als des transzendentalen Horizontes<br />

der Frage nach dem Se<strong>in</strong>.«)'<br />

Im Rohen m<strong>in</strong>destens muß jetzt e<strong>in</strong>sichtig geworden se<strong>in</strong>,<br />

<strong>in</strong>wiefern <strong>die</strong> entscheidende These, <strong>die</strong> <strong>in</strong> der ersten Stunde<br />

<strong>die</strong>ser Vorlesung ausgesprochen wurde, zurecht besteht: Wir haben<br />

nicht und nie den Standort außerhalb der <strong>Philosophie</strong>,<br />

sondern existieren schon immer, weil wesenhaft, <strong>in</strong> ihr, sofern<br />

I Anm. d. Hg.: Dieser Absatz f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> den Nachschriften ke<strong>in</strong>e Entsprechung.<br />

Auch <strong>die</strong> eckigen Klammern im Manuskript deuten darauf h<strong>in</strong>, daß<br />

Heidegger <strong>die</strong>sen Absatz nicht vorgetragen hat.<br />

§ JO. Der unterschiedliche Fragebereich 219<br />

wir 'ehen als Menschen transzen<strong>die</strong>ren. <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

ist daher nicht H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>führen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gebiet außerhalb<br />

der übrigen, sondern E<strong>in</strong>leiten, <strong>in</strong> Gang br<strong>in</strong>gen des <strong>Philosophie</strong>rens.<br />

Das besagt jetzt: ausdrückliches Geschehenlassen der<br />

Transzendenz, Bereitung und B<strong>in</strong>dung dessen, was unser Wissen<br />

trägt, Mitfragen nach dem Wesen des Se<strong>in</strong>s. Aber <strong>die</strong>ses bisherige<br />

E<strong>in</strong>leiten ist nur e<strong>in</strong> erster Anlauf - im Durchgang durch<br />

e<strong>in</strong>e' Erhellung des Wesens der Wissenschaft.<br />

Jetzt muß auch deutlich geworden se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>wiefern der Begriff<br />

e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen <strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong> Unbegriff ist, gleich<br />

dem Gedanken e<strong>in</strong>es »rundlichen Kreises«. Wissenschaft ist positive<br />

Erkenntnis, d. h. 1. auf Seiendes gerichtet, 2. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>s damit<br />

notwendig je auf e<strong>in</strong>en Bezirk des Seienden. <strong>Philosophie</strong> aber ist<br />

beides gerade nicht, 1. nicht auf Seiendes, sondern auf das Se<strong>in</strong><br />

gerichtet, 2. nicht auf e<strong>in</strong>en Bezirk, auch nicht auf alle zusammen,<br />

sondern wenn auf Seiendes, dann von der Frage nach dem<br />

Se<strong>in</strong> her, auf das Seiende im Ganzen. E<strong>in</strong>e Wissenschaft vom<br />

Seienden im Ganzen aber ist wesenhaft unmöglich. Warum?<br />

Das' wird später klar, auf dem zweiten Weg.<br />

Doch <strong>Philosophie</strong>ren unterscheidet sich nicht e<strong>in</strong>fach nur<br />

von der Wissenschaft, sondern mehr noch: Was das Wesen der<br />

Wissenschaft ermöglicht, nämlich <strong>die</strong> Positivität, das liegt <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Transzen<strong>die</strong>ren, und <strong>die</strong>ses als solches ist <strong>Philosophie</strong>ren.<br />

Im Transzen<strong>die</strong>ren hat <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> ursprünglich und ausdrücklich<br />

das, was der Wissenschaft nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>sicht<br />

zukommt, und zwar so, daß sie dessen, was ihr Wesen trägt,<br />

selbst nicht mächtig ist.<br />

Wenn anders das Wesen der Wissenschaft als der Positivität<br />

im Transzen<strong>die</strong>ren liegt, dann ist <strong>Philosophie</strong>ren als Transzen<strong>die</strong>ren<br />

wissenschaftlicher, als je e<strong>in</strong>e Wissenschaft nur se<strong>in</strong><br />

kann. So ist das Beiwort »wissenschaftlich« zu <strong>Philosophie</strong> nicht<br />

nur überflüssig - das könnte noch h<strong>in</strong>gehen -, sondern e<strong>in</strong><br />

'V1ißverständnis, und zwar e<strong>in</strong> solches, das e<strong>in</strong>er grundsätzlichen<br />

Unklarheit über das Wesen der Wissenschaft und erst recht das<br />

Wesen der <strong>Philosophie</strong> entspr<strong>in</strong>gt.

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