Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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290 Weltanschauung und Weltbegriff<br />
endlichen Substanzen existieren solche, <strong>die</strong> <strong>die</strong> anderen s<strong>in</strong>nlich-vernünftig<br />
vorstellen, d.h. als Ersche<strong>in</strong>ungen <strong>in</strong> der Totalität<br />
e<strong>in</strong>er Welt erkennen.<br />
Mit der Vorstellung »Welt« als Idee ist zwar e<strong>in</strong>e unbed<strong>in</strong>gte<br />
Totalität gedacht mit Rücksicht auf Ersche<strong>in</strong>ungen, aber eben<br />
mit Rücksicht auf <strong>die</strong>se, nicht <strong>die</strong> unbed<strong>in</strong>gte Totalität des Seienden,<br />
sofern es auch Gegenstand e<strong>in</strong>er unbed<strong>in</strong>gten, Erkenntnis,<br />
d. h. der schöpferischen Anschauung Gottes ist, <strong>in</strong>tuitus<br />
orig<strong>in</strong>arius. Welt: der Titel für endliche menschliche Erkenntnis,<br />
<strong>die</strong> Art des Erkennens, <strong>die</strong> Charakteristik des Erkennbaren<br />
- gegenüber ihr: Ideal.<br />
f) Idee und Ideal. Die volle Bestimmtheit<br />
des Weltbegriffs als transzendentales Ideal<br />
Wenn wir so <strong>die</strong> unbed<strong>in</strong>gte Ganzheit des Seienden an sich<br />
setzten, dann überstiegen wir nicht nur - wie im Weltbegriff -<br />
<strong>die</strong> empirische E<strong>in</strong>heit der Ersche<strong>in</strong>ungen, wir verabsolutierten<br />
nicht nur vorweg <strong>die</strong> Gegenständlichkeit der ,Ersche<strong>in</strong>ungen,<br />
sondern wir träten überhaupt aus der Ersche<strong>in</strong>ung und ihrem<br />
Bezug zum Seienden heraus und versetzten uns ganz <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
Vorstellung des schöpferischen Wesens selbst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er schöpferischen<br />
E<strong>in</strong>heit und Ganzheit mit dem von ihm Erkannten. Mit<br />
<strong>die</strong>sem Vorstellen des eigentlich Unbed<strong>in</strong>gten aber übersteigen<br />
wir völlig <strong>die</strong> Endlichkeit, und »so werden <strong>die</strong> Ideen transzen -<br />
dent« (A 565, B 593) schlechth<strong>in</strong>; wir übersteigen nicht nur<br />
<strong>in</strong>nerhalb der endlichen Erkenntnis das <strong>in</strong> ihr Gegebene als<br />
solches, sondern treten aus der endlichen Erkenntnis überhaupt<br />
heraus, »außer aller möglichen Erfahrung«, auch nicht mehr<br />
Ersche<strong>in</strong>ungen betreffend, obzwar übersteigend wie Welt. »Sobald<br />
wir aber das Unbed<strong>in</strong>gte (um das es doch eigentlich zu tun<br />
ist) <strong>in</strong> demjenigen setzen, was ganz außerhalb der S<strong>in</strong>nenwelt,<br />
mith<strong>in</strong> außer aller möglichen Erfahrung ist, so werden <strong>die</strong><br />
Ideen transzendent.« (ebd.) Wir übersteigen nicht nur Gegenstände<br />
der endlichen Erkenntnis,"'Sondern <strong>die</strong>se als solche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>s<br />
§ 34. Kants Weltbegriff 291<br />
mit ihrem Bezug zu Seiendem; positiv: Wir setzen nicht nur<br />
Seiendes an sich, sondern notwendig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>s damit <strong>die</strong> Vorstellung<br />
e<strong>in</strong>er absoluten Erkenntnis. Hieraus erwächst e<strong>in</strong>e Idee<br />
ganz eigener Art, <strong>die</strong> Kant das Ideal nennt und <strong>in</strong> folgender<br />
Weise gegen Kategorien und Ideen im weiteren S<strong>in</strong>ne abgrenzt.<br />
Kategorien haben objektive Realität, d.h. ihre Sachhaltigkeit<br />
läßt sich, und zwar apriori <strong>in</strong> den Objekten (der apriorischen<br />
Anschauung Zeit) <strong>in</strong> concreto darstellen, d.h. aus dem, worauf<br />
<strong>die</strong>se Begriffe ihrem vollen Gebrauch nach bezogen s<strong>in</strong>d; freilich<br />
als re<strong>in</strong>e Verstandesbegriffe genommen, isoliert-logisch,<br />
s<strong>in</strong>d'auch sie schon nicht mehr <strong>in</strong> concreto darstellbar, aber doch<br />
als apriori ersche<strong>in</strong>ungsbezogen (A 567, B 595). »Ideen aber<br />
s<strong>in</strong>d noch weiter von der objektiven Realität entfernt, als Kategorien;<br />
denn es kann ke<strong>in</strong>e Ersche<strong>in</strong>ung gefunden werden, an<br />
der sie sich <strong>in</strong> concreto vorstellen ließen.« (ebd.) »Aber noch<br />
weiter, als <strong>die</strong> Idee, sche<strong>in</strong>t dasjenige von der objektiven Realität<br />
entfernt zu se<strong>in</strong>, was ich das Ideal nenne, und worunter ich<br />
<strong>die</strong> Idee, nicht bloß <strong>in</strong> concreto, sondern <strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuo, d. i. als e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>zelnes, durch <strong>die</strong> Idee alle<strong>in</strong> bestimmbares, oder gar bestimmtes<br />
D<strong>in</strong>g, verstehe« (A 568, B 596). Ideal: das Vorgestellte<br />
selbst, »das D<strong>in</strong>g« absolut vor-gestellt als e<strong>in</strong>zelnes bestimmtes,<br />
dasjenige, was dem vollen Gehalt der Idee entspricht, <strong>in</strong> Gedanken<br />
als seiend, und zwar e<strong>in</strong>zelnes vorgestellt.<br />
Das Ideal ist dann a) Idee <strong>in</strong> concreto, d.h. der Vorstellungsgehalt<br />
der Idee ist als das Seiende selbst schlechth<strong>in</strong> vorgestellt,<br />
dar<strong>in</strong> sie sich darstellen mußte, b) <strong>die</strong>ses Seiende als e<strong>in</strong>zelnes,<br />
alle<strong>in</strong> durch <strong>die</strong> Idee bestimmtes D<strong>in</strong>g: das Korrelat e<strong>in</strong>er absoluten<br />
Anschauung - Ur-bild; das seiende unbed<strong>in</strong>gte Ganze,<br />
das Ganze des an sich Seienden <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er seienden Ganzheit.<br />
Formaler Gegenstand des Ideals ist daher nichts anderes als<br />
der <strong>in</strong>t'uitus orig<strong>in</strong>arius als seiender <strong>in</strong> seiender E<strong>in</strong>heit mit dem<br />
m ihm Angeschauten. - Der Charakter der Idee gesprengt, ke<strong>in</strong><br />
Begriff, der immer »Allgeme<strong>in</strong>heit«; formal dargebracht als<br />
repraesentatio s<strong>in</strong>gularis.<br />
Kant bemerkt nun schon bei der Kennzeichnung des Welt-