Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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120 Wahrheit und Se<strong>in</strong><br />
Wenn aber das Dase<strong>in</strong> als solches wesenhaft <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Se<strong>in</strong><br />
als Mite<strong>in</strong>ander bestimmt ist, jedes Se<strong>in</strong> bei Vorhandenem e<strong>in</strong><br />
Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> ist, dann ist auch <strong>die</strong> Art und Weise, wie Unverborgenheit<br />
von Vorhandenem als e<strong>in</strong>e bestimmte Art von<br />
Wahrheit zum Dase<strong>in</strong> gehört, immer und notwendig e<strong>in</strong> Sichteilen<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> Wahrheit. Was ist aber dann <strong>die</strong> Wahrheit und wie<br />
ist sie, wenn ihre Zugehörigkeit zum Dase<strong>in</strong> bestimmt ist durch<br />
e<strong>in</strong> Sichteilen <strong>in</strong> Wahrheit?<br />
Wahrheit kommt dem Vorhandenen lediglich zu, gehört nicht<br />
zu se<strong>in</strong>em Wesen; Wahrheit gehört aber zum Wesen des Dase<strong>in</strong>s.<br />
Wir haben gefragt »wie?« und s<strong>in</strong>d zunächst sche<strong>in</strong>bar nicht weiter<br />
gekommen. Zwar gehört zu <strong>die</strong>sem Wie notwendig das Mite<strong>in</strong>ander,<br />
aber auch damit kommen wir nicht von der Stelle,<br />
solange Wahrheit selbst nicht ursprünglicher gefaßt wird. Unverborgenheit,<br />
wore<strong>in</strong> sich Dase<strong>in</strong> teilt, ist etwas wesenhaft Geme<strong>in</strong>sames,<br />
was zum Dase<strong>in</strong> gehört und <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem ihm Zugehören<br />
doch gerade nicht und nie se<strong>in</strong>, des E<strong>in</strong>zelnen, Eigentum ist.<br />
Aber <strong>in</strong>wiefern muß <strong>die</strong> Wahrheit noch ursprünglicher gefaßt<br />
werden? Wir sprachen von der Unverborgenheit von Vorhandenem.<br />
Unverborgenheit gehört nicht zum Vorhandenen als<br />
solchem, sondern kommt ihm lediglich zu. Wer läßt <strong>die</strong> Unverborgenheit<br />
dem Vorhandenen zukommen? Nun, das Se!ende, zu<br />
dessen Se<strong>in</strong> <strong>die</strong> Wahrheit gehört, das Dase<strong>in</strong>. Aber folgt daraus,<br />
daß <strong>die</strong> Wahrheit zum Wesen des Dase<strong>in</strong>s gehört, auch schon,<br />
daß das Dase<strong>in</strong> dem Vorhandenen <strong>die</strong> Wahrheit zukommen<br />
läßt? Wie soll das geschehen? Das Dase<strong>in</strong> entscheidet doch nicht<br />
darüber, was dem Seienden zukommen soll, sondern umgekehrt,<br />
das Dase<strong>in</strong> richtet sich gerade nach ihm.<br />
Wir haben schon darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß das Dase<strong>in</strong>, sofern<br />
es qua Dase<strong>in</strong> existiert, sich immer schon bei Vorhandenem im<br />
weiteren S<strong>in</strong>ne aufhält. Das Dase<strong>in</strong> ist nicht nur faktisch nicht,<br />
sondern se<strong>in</strong>em Wesen nach nie lediglich etwas <strong>in</strong> sich Beschlossenes,<br />
E<strong>in</strong>geschränktes <strong>in</strong> geschlossene Schranken, sondern es<br />
ist wesenhaft offen nach Vorhandenem. Das können wir auch so<br />
kennzeichnen: Dase<strong>in</strong> ist seirrem Wesen nach ent-deckend.<br />
§ 14. Teilen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Unverborgenheit des Seienden 121<br />
e) Das Entdeckendse<strong>in</strong> des Dase<strong>in</strong>s.<br />
Wahrheit von Vorhandenem und Zuhandenem als Entdecktheit<br />
Dase<strong>in</strong> als solches ent-deckt Vorhandenes, d. h. nicht, es macht<br />
gelegentlich <strong>die</strong> Entdeckung, daß es auch Vorhandenes gibt,<br />
sondern als Dase<strong>in</strong> hat es Vorhandenes immer schon ent-deckt,<br />
d. h. der Verdeckung entnommen. Sofern Dase<strong>in</strong> existiert, geschieht<br />
so etwas wie Ent-deckung von Vorhandenem. Auch das<br />
Dase<strong>in</strong>, das während der ganzen Dauer se<strong>in</strong>er Existenz nie e<strong>in</strong>e<br />
sogenannte »Entdeckung« macht, ist ent-deckend, sofern es sich<br />
bei Vorhandenem aufhält. Entdeckungen im engeren S<strong>in</strong>ne,<br />
z.B. e<strong>in</strong>er bisher unbekannten Insel, kann das menschliche Dase<strong>in</strong><br />
auch nur machen, weil es qua Dase<strong>in</strong> sich schon bei<br />
Seiendem aufhält, also z. B. das Meer befährt. Dase<strong>in</strong> ist, ob es<br />
»Entdeckungen« im engeren S<strong>in</strong>ne macht oder nicht, se<strong>in</strong>em<br />
Wesen nach ent-deckend; ihm begegnet schon immer Vorhandenes<br />
<strong>in</strong> Entdecktheit. Wir geben also der Unverborgenheit des<br />
Vorhandenen, d. h. der Wahrheit <strong>die</strong>ses Seienden von der Se<strong>in</strong>sart<br />
des Vorhandenen, e<strong>in</strong>e bestimmte Bezeichnung: Wahrheit<br />
von Vorhandenem ist Entdecktheit. Damit ist angedeutet: Nicht<br />
Jede Unverborgenheit von Seiendem ist Entdecktheit, sondern<br />
nur <strong>die</strong> Unverborgenheit desjenigen Seienden, das <strong>die</strong> Se<strong>in</strong>sart<br />
des Vorhandenen oder Zuhandenen hat. Die Entdecktheit<br />
(Cnverborgenheit) des Vorhandenen geschieht dadurch, daß<br />
Dase<strong>in</strong> existiert, und Entdecktheit von Vorhandenem ist nur,<br />
wenn und solange Dase<strong>in</strong> existiert, das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Existenz entdeckend<br />
ist.<br />
Sofern also Dase<strong>in</strong> existiert, ist Vorhandenes offenbar. Wir<br />
kommen immer wieder auf <strong>die</strong>sen Grundbestand des Wesens<br />
des Dase<strong>in</strong>s zurück, weil es von zentraler Bedeutung ist. Vorhandenes<br />
ist mit der Existenz von Dase<strong>in</strong> offenbar, das heißt<br />
aber nicht notwendig, daß es erfaßt ist oder gar, daß es als<br />
Vorhandenes begriffen werden müßte, sondern es heißt nur:<br />
Sofern Dase<strong>in</strong> existiert, ist es bei unverborgenem Seienden, das<br />
es nicht selbst ist, wie immer es von <strong>die</strong>ser Unverborgenheit