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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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222 Zum Unterschied von Wissenschaft und <strong>Philosophie</strong><br />

überhaupt erst ermöglicht. Was aber der Wissenschaft <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

ihrer selbst gibt - und nicht nur ihr - ist etwas Höheres<br />

und Ursprünglicheres. Deshalb kann <strong>Philosophie</strong> nicht von dem<br />

her wesensmäßig bestimmt werden, was ihr gerade den Ursprung<br />

verdankt.<br />

Es war daher das Ziel der Erörterung des Verhältnisses von<br />

Wissenschaft und <strong>Philosophie</strong>, aufzuzeigen aus dem <strong>in</strong>neren<br />

Wesen der Wissenschaft selbst, daß <strong>in</strong> ihr e<strong>in</strong>e notwendige<br />

Grenze liegt, e<strong>in</strong>e Grenze aber, durch <strong>die</strong> <strong>die</strong> Wissenschaft gerade<br />

<strong>in</strong> ihrem Wesen begrenzt, d. h. ermöglicht wird; e<strong>in</strong>e<br />

Begrenzung ferner, <strong>die</strong> sich vollzieht <strong>in</strong> dem, was wir dann als<br />

<strong>Philosophie</strong> angesprochen haben.<br />

Es galt daher zunächst, um im Wesen der Wissenscb.aft <strong>die</strong><br />

notwendige Grenze zu sehen, <strong>die</strong>ses Wesen selbst zu bestimmen,<br />

ausgehend vom traditionellen Wissenschaftsbegriff: Begründungszusammenhang<br />

wahrer Sätze. Das führte zur Erörterung<br />

des Wesens der Wahrheit. Satzwahrheit ist e<strong>in</strong> abgeleitetes Phänomen<br />

gegenüber der ursprünglichen Wahrheit im S<strong>in</strong>ne der<br />

Unverborgenheit von Seiendem, <strong>die</strong> zum Wesen des Dase<strong>in</strong>s<br />

selbst gehört. Über <strong>die</strong> Idee der Wahrheit als Offenbarkeit von<br />

Seiendem <strong>in</strong> dem doppelten S<strong>in</strong>ne des Entdecktse<strong>in</strong>s von Vorhandenem<br />

und der Erschlossenheit des Dase<strong>in</strong>s wurden wir<br />

h<strong>in</strong>aus- und zurückgeführt zu e<strong>in</strong>er ursprünglicheren Wahrheit,<br />

der Unverborgenheit des Se<strong>in</strong>s. Dase<strong>in</strong> ist immer schon und<br />

notwendig <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser urspünglichsten Wahrheit; das wurde demonstriert<br />

am Se<strong>in</strong>sverständnis. Se<strong>in</strong>sverständnis als Grundverfassung<br />

des Dase<strong>in</strong>s ist ebenso selbstverständlich wie rätselhaft.<br />

Aber von hier aus zeigt sich uns Wesen und Genesis der Wissenschaften<br />

als Erkenntnis von Seiendem, und zwar je e<strong>in</strong>es<br />

schon offenbaren Vorliegenden und notwendig gebietsmäßig<br />

umgrenzten. Positivität gründet im vorgängigen, ungegenständlichen,<br />

feldabsteckenden Entwurf der Se<strong>in</strong>sverfassung.<br />

E<strong>in</strong>e bestimmte wissenschaftliche Untersuchung bewegt sich<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es bestimmten Problems, e<strong>in</strong>er bestimmten Frage<br />

an das, was zum Thema gemacht wird. Thematisierung, The-<br />

§ 31. Se<strong>in</strong>sverständnis und ontologische Differenz 223<br />

mastellung setzt Gegebenheit e<strong>in</strong>es Gegenstandes voraus. E<strong>in</strong><br />

Gegenstand ist mir aber als Gegenstand nur gegeben im Akt der<br />

Vergegenständlichung. Etwas vergegenständlichen kann ich<br />

nur, wenn <strong>die</strong>ses Etwas mir zuvor schon als Offenbares vorliegt;<br />

offenbares vorliegendes Seiendes kann aber als Seiendes nur<br />

offenbar vorliegen, wenn zuvor schon <strong>die</strong>ses Seiende <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Seih, auf se<strong>in</strong> Se<strong>in</strong> h<strong>in</strong> verstanden, d. h. entworfen ist. So sehen<br />

wirte<strong>in</strong>e ganz bestimmte Stufenfolge <strong>in</strong>nerhalb der Struktur der<br />

Wissenschaft. Das zentrale Phänomen ist <strong>die</strong>ser Entwurf der<br />

Se<strong>in</strong>sverfassung.<br />

Das entscheidende Phänomen, auf das wir damit gestoßen<br />

s<strong>in</strong>d, ist das Urfaktum im Wesen des Dase<strong>in</strong>s selbst, daß wir so<br />

etwas wie Se<strong>in</strong> verstehen, oder schärfer gesagt, daß wir den<br />

Unterschied von Seiendem und Se<strong>in</strong> des Seienden vollziehen.<br />

Se<strong>in</strong>sverständnis ist nichts anderes als <strong>die</strong> Möglichkeit des Vollzugs-<br />

<strong>die</strong>ses Unterscheidens von Seiendem und Se<strong>in</strong> oder kurz<br />

gesagt <strong>die</strong> Möglichkeit der ontologischen Differenz.<br />

Wir zeigten schließlich, <strong>die</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>es solchen Unterscheidens<br />

von Seiendem und Se<strong>in</strong> beruht auf dem, was wir als<br />

Transzendenz bezeichnen. Wenn anders Dase<strong>in</strong> <strong>in</strong> der ursprünglichsten<br />

Wahrheit sich hält, muß es als solches transzen<strong>die</strong>ren;<br />

nur als solches kann es sich überhaupt zu Seiendem verhalten<br />

und nur deshalb von Seiendem als anderem sich selbst als Seiendes<br />

unterscheiden und es selbst als Seiendes se<strong>in</strong>, existieren.<br />

Selbstse<strong>in</strong> qua Existenz ist nur auf dem Grunde der Transzendenz<br />

möglich. Hier eröffnet sich e<strong>in</strong>e neue und fundamentale<br />

Möglichkeit des Fragens: Transzen<strong>die</strong>ren als Se<strong>in</strong>sverstehen<br />

und Se<strong>in</strong>sbegreifen. Dieses Transzen<strong>die</strong>ren als ausdrückliches<br />

ist nichts anderes als <strong>Philosophie</strong>ren. So lautete <strong>die</strong> 12. These:<br />

Transzen<strong>die</strong>ren ist <strong>Philosophie</strong>ren. Transzendenz ist aber Wesensverfassung<br />

des Dase<strong>in</strong>s; ausdrückliches Transzen<strong>die</strong>ren qua<br />

<strong>Philosophie</strong>ren ist Wesentlichwerden des Dase<strong>in</strong>s <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Existenz,<br />

In allem Wesentlichen aber - das ist se<strong>in</strong>e Auszeichnung -<br />

gibt es ke<strong>in</strong>en Fortschritt und demnach auch ke<strong>in</strong>e Entwertung.

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