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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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362 Das Problem der Weltanschauung<br />

e<strong>in</strong> Mißverständnis, wollte man <strong>in</strong> dem Gesagten e<strong>in</strong>e psychologische<br />

Erklärung des Mythos der Religionen sehen.<br />

Worauf es uns hier alle<strong>in</strong> ankommt, ist, den Wesenscharakter<br />

des Haltes als Bergung bzw. <strong>die</strong> Art der Haltlosigkeit als Ungeborgenheit<br />

zu sehen. Sofern das In-der-Weltse<strong>in</strong> von <strong>die</strong>ser<br />

Ungeborgenheit durchherrscht bleibt, das In-der-Welt-se<strong>in</strong><br />

aber eo ipso e<strong>in</strong> In-der-Wahrheit-se<strong>in</strong> ist, hat hier auch <strong>die</strong><br />

Wahrheit e<strong>in</strong>en spezifischen Charakter. Wesentlich für <strong>die</strong>se Art<br />

der Wahrheit ist der Unterschied des Heiligen, Sakralen gegenüber<br />

dem Profanen. Alles Offenbarwerden von Seiendem entspr<strong>in</strong>gt<br />

nicht e<strong>in</strong>em eigenen Entdecken und Forschen, und es<br />

wird auch nicht zugeeignet als Wissen und Kenntnis, sondern<br />

umgekehrt: Das offenbare Neue birgt Schrecken und Gefahr<br />

und <strong>die</strong> Notwendigkeit des Schutzes, der Sicherung des Verhaltens.<br />

Das mythische Dase<strong>in</strong> hat ke<strong>in</strong>e "Wissenschaft, nicht weil<br />

<strong>die</strong> Menschen zu dumm dazu wären, sondern weil <strong>die</strong> dazu<br />

gehörige Weise des In-der-Welt-se<strong>in</strong>s im mythischen Dase<strong>in</strong> gar<br />

nicht möglich ist.<br />

Die Unverborgenheit des Seienden ist im spezifischen S<strong>in</strong>ne<br />

orientiert auf e<strong>in</strong>e Ungeborgenheit <strong>in</strong> ihm bzw. <strong>in</strong> der Sorge der<br />

Bergung. Solange man <strong>die</strong>sen Wesenszusammenhang zwischen<br />

Ungeborgenheit und Unverborgenheit im spezifisch mythischen<br />

In-der-Welt-se<strong>in</strong> nicht klar übersieht, wird man nicht<br />

e<strong>in</strong>en zureichenden Leitfaden haben, <strong>die</strong> spezifische Wahrheit<br />

des Mythos zu <strong>in</strong>terpretieren. Man kommt dann notwendig <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Lage, <strong>die</strong> Wahrheit des mythischen Dase<strong>in</strong>s entweder als<br />

Aberglaube zu erklären oder aber als bloßen Ausdruck e<strong>in</strong>er<br />

bestimmten Bewußtse<strong>in</strong>shaltung, d.h. auch im Grunde subjektivistisch<br />

zu verstehen. Der Gefahr <strong>die</strong>ser Interpretation ist<br />

auch Cassirer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Darstellung des mythischen Denkens<br />

nicht entgangen. Obzwar er <strong>die</strong> Schell<strong>in</strong>gsche Erkenntnis von<br />

der Eigenständigkeit der mythischen Wahrheit zustimmend<br />

aufnimmt, hat se<strong>in</strong> spezifisch kantischer Standpunkt ihn geh<strong>in</strong>dert,<br />

<strong>die</strong>se Probleme zu sehen.<br />

§ 41. Zwei Grundmöglichkeiten der Weltanschauung 363<br />

b) Entartung der Bergung:<br />

zum Betrieb gewordene Weltanschauung<br />

Die Charakteristik <strong>die</strong>ser e<strong>in</strong>en Grundmöglichkeit von Weltanschauung,<br />

deren Halt den Charakter der Bergung im Seienden<br />

hat, dazu das Dase<strong>in</strong> sich verhält, sollte vor allem dazu <strong>die</strong>nen,<br />

uns gleichsam e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>tergrund zu schaffen, gegen den wir<br />

e<strong>in</strong>e andere Grundmöglichkeit von Weltanschauung abheben.<br />

N ach dem eben Erörterten muß ~ich auch <strong>die</strong>se dadurch bestimmen<br />

lassen, daß wir wieder fragen nach e<strong>in</strong>er anderen<br />

möglichen Art der Offenbarkeit und demnach Auslegung der<br />

Halt-Iosigkeit. Wir sagten aber bereits: <strong>die</strong> Möglichkeiten tauchen<br />

nicht nebene<strong>in</strong>ander auf, sondern haben wesensgeschichtliche<br />

Zusammenhänge, bei denen jeweils <strong>die</strong> Formen der<br />

Entartung und des Ersatzes der Weltanschauung <strong>in</strong> ihrer eigentümlichen<br />

produktiv veranlassenden Funktion sich zeigen.<br />

Ohne daß wir <strong>die</strong>se Wesensgeschichte jetzt im e<strong>in</strong>zelnen konstruieren<br />

und etwas über faktische Weltanschauungen im echten<br />

S<strong>in</strong>ne und Religionen aussagen, läßt sich das e<strong>in</strong>e verständlich<br />

machen: Wenn sich e<strong>in</strong>e Weltanschauung als Bergung<br />

ausbildet, dann liegt es <strong>in</strong> ihrem eigensten S<strong>in</strong>ne, das Ganze der<br />

Wege und Mittel zum Heil <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten und verb<strong>in</strong>dlichen<br />

Gestalt auszubilden und <strong>in</strong> jede e<strong>in</strong>zelne Verhaltungsweise<br />

des konkreten Dase<strong>in</strong>s h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zubilden, um es durchgängig<br />

zu durchherrschen und eben damit zu sichern.<br />

Diese im eigensten S<strong>in</strong>n der Bergung notwendige objektive<br />

Verfestigung und Herrschaft, das öffentliche Angebot und <strong>die</strong><br />

überlieferte Zugänglichkeit der Mittel trägt nun <strong>in</strong> sich selbst<br />

den Keim der Entartung. Wir sehen dabei ab von den Machtund<br />

Herrschaftsgelüsten und der Gew<strong>in</strong>nsucht bei denjenigen,<br />

<strong>die</strong> e<strong>in</strong>e solche Heilsorganisation verwalten; <strong>die</strong> Auswirkung<br />

solcher Inst<strong>in</strong>kte ist hier wie <strong>in</strong> anderen Bezirken menschlicher<br />

Existenz unvermeidlich; sie kann <strong>in</strong> sich aber nicht schon das<br />

Ganze der Heilsidee, Heilsmittel und -wege gefährden und erschüttern.<br />

Wohl aber s<strong>in</strong>d es <strong>die</strong>se Mittel und Wege selbst <strong>in</strong>

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