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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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234 Weltanschauung und Weltbegriff<br />

anderen aber nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er theoretischen Argumentation e<strong>in</strong>fach<br />

beweisen und aufdrängen können, e<strong>in</strong>e Ansicht, <strong>die</strong>(nicht<br />

auf beliebige e<strong>in</strong>zelne D<strong>in</strong>ge geht, sondern auf das Ganze des<br />

Seienden.<br />

Das kommt im Ausdruck» Welt« zum Vorsche<strong>in</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

ist auch <strong>die</strong>ses Wort vieldeutig, und vorwiegend me<strong>in</strong>t es auch<br />

heute noch das Ganze des Seienden im S<strong>in</strong>ne des Kosmos, der<br />

Natur. Allerd<strong>in</strong>gs sprechen wir auch von Weltgeschichte und<br />

me<strong>in</strong>en damit <strong>die</strong> Geschichte im Ganzen, Universalgeschichte,<br />

aber doch mit Ausscheidung des Naturablaufs als solchen. Daß<br />

Weltanschauung sehr leicht und oft <strong>die</strong> engere Bedeutung von<br />

naturwissenschaftlichem Weltbild nahelegt, bekundet sich dar<strong>in</strong>,<br />

daß wir gern ergänzend sagen: Welt- und Lebensanschauung.<br />

Damit zeigt sich, daß <strong>die</strong> charakterisierte Anschauung<br />

auch, ja sogar zentral, das »Leben«, d. h. das Dase<strong>in</strong> betrifft.<br />

Weltanschauung betrifft daher das nichtdase<strong>in</strong>smäßige Seiende<br />

(Natur <strong>in</strong> praktischer H<strong>in</strong>sicht u.s.f.) und das Dase<strong>in</strong>, aber<br />

nicht nur beide Bezirke nebene<strong>in</strong>ander und zusammen genommen,<br />

sondern <strong>in</strong> ihrer wechselseitigen Beziehung. Bei der<br />

Anschauung des Seienden im Ganzen steht im Zentrum <strong>die</strong><br />

»Lebensanschauung«, so zwar, daß <strong>die</strong> Lebensanschauung zugleich<br />

<strong>die</strong> wirkende und richtunggebende Kraft des Dase<strong>in</strong>s<br />

selbst ist.<br />

Aus <strong>die</strong>ser vorläufigen Kennzeichnung dessen, was wir mit<br />

Weltanschauung me<strong>in</strong>en, ersehen wir, daß <strong>die</strong>ses Phänomen<br />

nicht e<strong>in</strong>fach ist und daß wir zunächst noch weit entfernt s<strong>in</strong>d<br />

von e<strong>in</strong>er klaren und scharfen begrifflichen Umgrenzung se<strong>in</strong>er<br />

Struktur. Diese selbst werden wir aber auch nur erst dann gew<strong>in</strong>nen,<br />

wenn festgelegt ist, wonach wir bereits fragten, nach<br />

dem Horizont der Bestimmbarkeit von so etwas wie Weltanschauung.<br />

Woh<strong>in</strong> gehört dergleichen? Als »Anschauung« ist sie<br />

e<strong>in</strong>e Verhaltung - oder besser - e<strong>in</strong>e Haltung des Dase<strong>in</strong>s, und<br />

zwar e<strong>in</strong>e solche, <strong>die</strong> das Dase<strong>in</strong> von Grund aus trägt und bestimmt,<br />

<strong>in</strong> der Weise, daß das Dase<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Haltung sich zum<br />

Ganzen des Seienden gestellt si@ht und weiß. Die Aufhellung<br />

§ 32. Was lst Weltanschauung? 235<br />

und begriffliche Bestimmung der Wesensstruktur und Funktion<br />

von' so etwas wie Weltanschauung wird also~nur dann h<strong>in</strong>reich~nd<br />

gel<strong>in</strong>gen, wenn wir e<strong>in</strong>en entsprechend ursprünglichen<br />

E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> <strong>die</strong> Wesensverfassung des Dase<strong>in</strong>s haben.<br />

b) Interpretationen von Weltanschauung:<br />

Dilthey - Jaspers - Scheler<br />

So ergibt sich hier e<strong>in</strong>e entsprechende Sachlage wie auf dem<br />

ersten Weg; <strong>die</strong> Frage nach dem Wesen der Wissenschaft führte<br />

zurioFrage nach dem Wesen der Wahrheit, <strong>die</strong>se aber ist e<strong>in</strong>e<br />

Grundverfassung des Dase<strong>in</strong>s selbst. Das konnte aber nur dadurch<br />

sichtbar werden, daß wir uns von dem überlieferten<br />

Begriff des Subjekts und der Subjektivität frei machten, d. h.<br />

durch e<strong>in</strong>e radikalere Interpretation der Se<strong>in</strong>sverfassung des<br />

Dase<strong>in</strong>s. Demnach ist zu vermuten, daß das noch viel undurchsichtigere<br />

und dabei doch zentralere Phänomen, das wir »Weltanschauung«<br />

nennen und das <strong>in</strong> <strong>die</strong> Se<strong>in</strong>sverfassung des<br />

Dase<strong>in</strong>s zurückweist, erst recht e<strong>in</strong>e ontologische Interpretation<br />

des Dase<strong>in</strong>s notwendig macht. Der Mangel e<strong>in</strong>er solchen Ontologie<br />

des Dase<strong>in</strong>s verschuldet es denn auch, daß das Phänomen<br />

der Weltanschauung noch so weitgehend unbestimmt ist,<br />

daß <strong>die</strong> Frage des Verhältnisses von Weltanschauung und <strong>Philosophie</strong><br />

noch ganz im argen liegt. Aber wenn es e<strong>in</strong> zum Wesen<br />

der <strong>Philosophie</strong> gehöriges Problem ist, dann ist es so alt wie<br />

<strong>die</strong>se selbst; das ist leicht zu zeigen aus Platons »Politeia« z.B.,<br />

Buch V-VII. Die Frage liegt im argen trotz wichtiger Anläufe zu<br />

e<strong>in</strong>er Wesens <strong>in</strong>terpretation der Weltanschauung, <strong>die</strong> <strong>in</strong> neuester<br />

Zeit <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie von Dilthey, so dann von Jaspers und<br />

Scheler unternommen wurden.<br />

So sagt Dilthey: »In jedem Moment unseres Dase<strong>in</strong>s besteht<br />

e<strong>in</strong> Verhältnis unseres Eigenlebens zur Welt, <strong>die</strong> uns als e<strong>in</strong><br />

anschauliches Ganzes umgibt. Wir fühlen uns, den Lebenswert<br />

des e<strong>in</strong>zelnen Momentes und <strong>die</strong> Wirkungswerte der D<strong>in</strong>ge auf<br />

uns, <strong>die</strong>s aber im Verhältnis zur gegenständlichen Welt. Im Fort-

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