Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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244 Weltanschauung und Weltbegriff<br />
angeli non cognoverunt Creatorem suum, aut non cognoverunt<br />
Creatorem suum sidera, quem confitentur daemonia? Omnia<br />
undique testimonia perhibuerunt. Sed qui non cognoverunt?<br />
Qui amando mundum dicti sunt mundus. Amando enim habitamus<br />
corde: amando autem, hoc appellari meruerunt quod ille,<br />
ubi habitabant. Quomodo dicimus, mala est illa domus, aut,<br />
bona est illa domus, non <strong>in</strong> illa quam dicimus malam, parietes<br />
accusamus, aut <strong>in</strong> illa, quam dicimus bonam, parietes laudamus,<br />
sed malam domum: <strong>in</strong>habitantes malos, et bonam domum: <strong>in</strong>habitantes<br />
bonos. Sic et mundum, qui <strong>in</strong>habitant amando mundum.<br />
Qui sunt? Qui diligunt mundum, ipsi enim corde habitant<br />
<strong>in</strong> mundo. Nam qui non diligunt mundum, carne versantur <strong>in</strong><br />
mundo, sed corde <strong>in</strong>habitant coelum. 8<br />
»Welt« bedeutet demnach: das Seiende im Ganzen und zwar<br />
als das entscheidende Wie, gemäß dem sich menschliches Dase<strong>in</strong><br />
zum Seienden stellt und hält. Ebenso gebraucht Thomas<br />
von Aqu<strong>in</strong> mundus e<strong>in</strong>mal als gleichbedeutend mit universum,<br />
universitas creaturarum, dann aber auch <strong>in</strong> der Bedeutung von<br />
saeculum (weltliche Ges<strong>in</strong>nung), quod mundi nom<strong>in</strong>e amatores<br />
mundi significantur. Mundanus (saecularis) ist dei Gegenbegriff<br />
zu spiritualis.<br />
b) Der Weltbegriff <strong>in</strong> der Schulmetaphysik<br />
Ohne E<strong>in</strong>gehen auf den Weltbegriff bei Leibniz sei <strong>die</strong> Bestimmung<br />
der Welt <strong>in</strong> der Schulmetaphysik erwähnt, <strong>die</strong> unmittelbar<br />
für Kant von Bedeutung wurde.<br />
Die zwei philosophischen Zeitgenossen Kants, <strong>die</strong> von besonderem<br />
E<strong>in</strong>fluss auf se<strong>in</strong>e philosophische Problemstellung waren,<br />
s<strong>in</strong>d Baumgarten und Crusius. Beide haben e<strong>in</strong>e Metaphysik<br />
verfaßt, Werke, <strong>die</strong> Kant zeitlebens herangezogen, se<strong>in</strong>en<br />
Vorlesungen zugrunde gelegt und mehrfach kommentiert hat.<br />
8 August<strong>in</strong>us, Tractatus <strong>in</strong> Ioannis Evangelium. A.a.O., Tomus 111, Tract. H,<br />
cap. 1, n. 11.<br />
§ JJ. Was heißt Welt? 245<br />
Charakteristisch ist, wie <strong>in</strong> der Schulmetaphysik der Weltbegriff<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bedeutung wieder ganz neigt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Richtung des<br />
vulgären Begriffes im S<strong>in</strong>ne des Ganzen des geschaffenen Seienden.<br />
Von da aus verstehen wir den Titel der Diszipl<strong>in</strong>en, wie<br />
sie <strong>die</strong> Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft bestimmen.<br />
Die Metaphysik gliedert sich im Verlauf der schulmäßigen<br />
Ausbildung im 16., 17. und 18. Jahrhundert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e metaphysica<br />
generalis und e<strong>in</strong>e metaphysica specialis. Die Metaphysik als<br />
solche hat das Seiende als solches und im Ganzen zum Thema.<br />
Die metaphysica generalis fragt nach dem, was überhaupt zum<br />
Seienden gehört. Sie stellt allgeme<strong>in</strong> <strong>die</strong> Frage nach dem Se<strong>in</strong><br />
des Seienden. Sie ist Ontologie. In der kantischen Fortbildung<br />
bzw. <strong>in</strong> der radikaleren Fragestellung nach der Möglichkeit der<br />
YIetaphysik <strong>in</strong> der Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft wird <strong>die</strong> Ontologie<br />
zu Transzendentalphilosophie. Die metaphysica specialis<br />
handelt nicht vom Seienden überhaupt, sondern vom Seienden<br />
im besonderen, d. h. von den Hauptgebieten des Seienden selbst,<br />
und als solche Hauptgebiete werden drei unterschieden: Natur,<br />
:vIensch und Gott. Dementsprechend gibt es drei Diszipl<strong>in</strong>en:<br />
Die Kosmologie, <strong>die</strong> von der Natur handelt, faßt den Kosmos <strong>in</strong><br />
engerer Bedeutung der Natur, des Seienden, das zwar den Menschen<br />
als geschaffenes Wesen auch e<strong>in</strong>schließt, aber gleichwohl<br />
nicht den Menschen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Menschheit zum Thema macht.<br />
Der Mensch ist Thema der Psychologie, sofern se<strong>in</strong>e Grundbestimmung<br />
<strong>in</strong> der Seele gesehen wird, oder auch der Pneumatologie.<br />
Die dritte Diszipl<strong>in</strong> ist <strong>die</strong> Theologie, <strong>in</strong> der von Gott,<br />
Mensch und Natur ~ aber nicht im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er empirischen<br />
W issenschaft ~ gehandelt wird. Diese Naturphilosophie ist nicht<br />
Naturwissenschaft, <strong>die</strong> Psychologie ist nicht heutige Psychologie,<br />
<strong>die</strong> Theologie ist nicht Offenbarungstheologie, sondern<br />
<strong>die</strong>se drei Grundgebiete der metaphysica specialis werden h<strong>in</strong>sichtlich<br />
ihres Wesens bestimmt. Der Begriff »Wesen« wird <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong>ser Zeit ratio genannt. Daher ist <strong>die</strong>se Kosmologie e<strong>in</strong>e cosmologia<br />
rationalis, entsprechend <strong>die</strong> Psychologie e<strong>in</strong>e psychologia<br />
rationalis, <strong>die</strong> Theologie e<strong>in</strong>e theologia rationalis. Sie ist