31.10.2013 Aufrufe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

40 Die Frage nach dem Wesen der Wissenschaft<br />

§ 9. Neue Bes<strong>in</strong>nung über das Wesen der Wissenschaft<br />

41<br />

§ 9. Neue Bes<strong>in</strong>nung über das Wesen der Wissenschaft<br />

Die Erörterung der dreifachen Krisis ergab folgende Fragen:<br />

1. Wie steht so etwas wie Wissenschaft überhaupt 1m<br />

menschlichen Dase<strong>in</strong>?<br />

2. In welchem S<strong>in</strong>ne ist <strong>die</strong> Wissenschaft »praktisch«?<br />

3. Was.heißt Grundlage der Wissenschaft, und <strong>in</strong>wiefern offenbart<br />

sich an ihr e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Grenze im Wesen der Wissenschaft?<br />

Die Kennzeichnung der Krisis bezüglich der Stellung des<br />

e<strong>in</strong>zelnen zur Wissenschaft ergab, daß nicht nur e<strong>in</strong>e Unklarheit<br />

darüber besteht, wie der e<strong>in</strong>zelne sich zur Wissenschaft<br />

verhalten soll, sondern daß grundsätzlich überhaupt nicht gefragt<br />

ist, <strong>in</strong> welchem S<strong>in</strong>ne <strong>die</strong> Wissenschaft als solche im<br />

Dase<strong>in</strong> des Menschen steht.<br />

Entsprechend liegt <strong>in</strong> der Krisis der Wissenschaft bezüglich<br />

ihrer Stellung im Ganzen der geschichtlichen Wirklichkeit, daß<br />

sie sich formulieren läßt als <strong>die</strong> Frage nach dem wesentlich<br />

praktischen Charakter der Wissenschaft. Man spürt, daß <strong>die</strong><br />

Wissenschaft, gerade wenn sie im eigentlichen und echten S<strong>in</strong>ne<br />

theoretisch ist, trotzdem nicht abgelöst freischwebend se<strong>in</strong><br />

kann gegenüber dem konkreten Dase<strong>in</strong> der Geschichte, und<br />

man sucht aus <strong>die</strong>ser Unklarheit und Unbestimmtheit des Ziels<br />

der Wissenschaft e<strong>in</strong>en Ausweg durch <strong>die</strong> heute besonders starkeTendenz<br />

zur Popularisierung. Wir sahen aber, daß <strong>die</strong>se nicht<br />

e<strong>in</strong> zufälliger Mangel der Wissenschaft ist, sondern e<strong>in</strong> Verstoß<br />

gegen ihr <strong>in</strong>neres Wesen. Wissenschaft läßt sich ihrem S<strong>in</strong>ne<br />

nach nicht popularisieren. Was man im Grunde damit will, ist,<br />

<strong>die</strong> Wissenschaft praktisch machen, ohne daß man eigentlich<br />

versteht, wor<strong>in</strong> der praktische Charakter der Wissenschaft besteht;<br />

aber nur, wenn man <strong>die</strong>sen geklärt hat, läßt sich auch<br />

ausmachen, <strong>in</strong>wiefern zu jeder Wissenschaft e<strong>in</strong>e gewisse Technik<br />

gehört und welche Stellung und Rolle sie im lebendigen<br />

Dase<strong>in</strong> der Wissenschaft selbst hat.<br />

Schließlich machte uns <strong>die</strong> Krisis im <strong>in</strong>neren Wesensbau der<br />

\Yissenschaft, oder wie man heute sagt, <strong>die</strong> »Grundlagenkrisis<br />

der Wissenschaft« deutlich, daß es sich <strong>in</strong> ihr eigentlich darum<br />

handelt, das Selbstverständnis der e<strong>in</strong>zelnen Wissenschaften so<br />

klar und ursprünglich auszubilden, daß dar<strong>in</strong> <strong>die</strong> Wissenschaften<br />

ihre eigene Grenze erkennen, um zugleich das aufleuchten<br />

zu sehen, was <strong>die</strong>se Grenze bestimmt, d.h., das andere, was <strong>die</strong><br />

V\" issenschaft seIhst noch trägt, von der Wissenschaft selbst als<br />

VVissenschaft aber nicht begriffen, ja nicht e<strong>in</strong>mal befragt werden<br />

kann. Diese Grundlagenkrisis ist <strong>die</strong>jenige, <strong>die</strong>, wenn sie<br />

recht verstanden wird, <strong>die</strong> Endlichkeit der Wissenschaft <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em ursprünglichen S<strong>in</strong>ne klarmacht, d.h. sie macht offenbar,<br />

daß <strong>die</strong> Wissenschaft e<strong>in</strong>e wesenhafte Möglichkeit der<br />

Existenz des Menschen ist.<br />

Zugleich ergab <strong>die</strong> Erörterung, daß <strong>die</strong>se Fragen weder von<br />

den Wissenschaften selbst noch aber durch irgende<strong>in</strong>e von außen<br />

an <strong>die</strong> Wissenschaft herangeführte <strong>Philosophie</strong> beantwortet<br />

werden können.<br />

Es gilt vielmehr, <strong>in</strong> der Erhellung des Wesens der Wissenschaft<br />

an deren Grenze zu stoßen, um <strong>in</strong> der Umgrenzung etwas<br />

anderes anzutreffen.<br />

Doch sollen <strong>die</strong> Fragen jetzt nicht der Reihe nach beantwortet<br />

werden, vielmehr setzen wir, unter Festhaltung der Fragen,<br />

mit e<strong>in</strong>er neuen Bes<strong>in</strong>nung über das Wesen der Wissenschaft<br />

eIn.<br />

Wenn wir so'mitten heraus fragen: »Was ist Wissenschaft?«,<br />

dann kommen' wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e große Ratlosigkeit. Zwar bieten sich<br />

sofort allerlei Antworten an; das ist das Anzeichen dafür, daß<br />

das, dessen Wesen wir suchen, uns nicht schlechth<strong>in</strong> unbekannt<br />

ist.<br />

So können wir auf <strong>die</strong> Frage, was Wissenschaft sei, beispielsweise<br />

antworten: Wissenschaft ist da, wo es Institute gibt, <strong>in</strong><br />

denen mit Hilfe von Apparaten Untersuchungen angestellt werden.<br />

Diese Aussage gilt vielleicht für alle Naturwissenschaften<br />

und <strong>die</strong> Mediz<strong>in</strong>, nicht aber für <strong>die</strong> Geisteswissenschaften. Doch<br />

wie ist es mit der Musikwissenschaft, <strong>die</strong> wir zu den historischen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!