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Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...

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Warum <strong>die</strong> Armen mehr bezahlen –<br />

und weniger Wasser bekommen<br />

Überall in den<br />

<strong>Entwicklung</strong>sländern<br />

Warum wird etwa 1,1 Milliarden Menschen<br />

der Zugang zu ausreichend sauberem Wasser,<br />

mit dem sie ihre grundlegendsten Bedürfnisse<br />

befriedigen können, verwehrt? Und warum<br />

sind so viele Menschen gezwungen, auf Wasserquellen<br />

zurückzugreifen, <strong>die</strong> ihre Gesundheit<br />

gefährden und manchmal sogar ihr Leben?<br />

Messungen <strong>über</strong> Wasserknappheit auf nationaler<br />

Ebene sind für <strong>die</strong> Beantwortung <strong>die</strong>ser<br />

Fragen wenig hilfreich. Für Haushalte sind nationale<br />

Indikatoren <strong>über</strong> <strong>die</strong> Verfügbarkeit pro<br />

Kopf der Bevölkerung größtenteils bedeutungslos.<br />

Überall in den <strong>Entwicklung</strong>sländern ist der<br />

tägliche Kampf, an Wasser zu gelangen, eine<br />

ständige Belastung für <strong>die</strong> <strong>menschliche</strong>n, finanziellen<br />

und physischen Ressourcen armer Haushalte,<br />

ungeachtet der Tatsache, ob das jeweilige<br />

Land – oder eine konkrete Ortschaft – in dem<br />

oder der sie leben, unter Wasserknappheit leidet.<br />

Wie in Kapitel 1 erwähnt, steht für <strong>die</strong><br />

Menschen in den Slums von Jakarta, Mumbai<br />

und Nairobi nur wenig sauberes Wasser zur<br />

Verfügung, während ihre Nachbarn in den Vorstädten<br />

mit hohem Einkommen nicht nur genug<br />

Wasser haben, um den Bedarf ihrer Haushalte<br />

zu decken, sondern auch, um das Grün ihrer<br />

Rasenflächen zu pflegen und ihre Swimmingpools<br />

zu füllen.<br />

Es gibt einige ganz offensichtliche Parallelen<br />

zwischen einer unsicheren Wasserversorgung<br />

und der Ernährungsunsicherheit in Haushalten.<br />

Von Hunger sind nach wie vor große Teile<br />

der Weltbevölkerung betroffen. Selten wird jedoch<br />

eine Hungersnot oder das noch weiter<br />

verbreitete Problem der Unterernährung durch<br />

das Fehlen von Nahrungsmitteln auf lokalen<br />

Märkten verursacht. Einige der schlimmsten<br />

Hungersnöte in der Geschichte der Menschheit<br />

haben sich ohne irgendeine erkennbare Veränderung<br />

des Nahrungsmittelangebots ereignet.<br />

Und <strong>die</strong> Unterernährung ist heutzutage mitunter<br />

in Ländern besonders gravierend, in denen<br />

es durchaus ausreichend Nahrungsmittel<br />

gibt: beispielsweise ist in dem Nahrungsmittel-<br />

Selbstversorgerland In<strong>die</strong>n ein Fünftel der<br />

Bevölkerung unterernährt (siehe Indikatoren-<br />

Tabelle 7). Die Menschen sind in einem Umfeld,<br />

wo es Nahrungsmittel im Überfluss gibt,<br />

aus dem gleichen Grund unterernährt, aus dem<br />

sie keinen Zugang zu sauberem Wasser haben,<br />

obwohl es mehr als genug für alle gibt: aufgrund<br />

von ungleicher Verteilung und von Armut. 2<br />

Das Konzept der Zugangsrechte kann dazu<br />

beitragen, das scheinbare Paradoxon der<br />

Knappheit inmitten der Vielfalt zu entschlüsseln.<br />

Dieses Konzept wurde von Amartya Sen<br />

entwickelt, um das Paradoxon des Hungers inmitten<br />

des Überflusses zu erklären. Zugangsrechte<br />

werden in <strong>die</strong>sem Zusammenhang als<br />

„<strong>die</strong> Gesamtmenge alternativer Waren- und<br />

Dienstleistungspakete“ verstanden, <strong>die</strong> „man<br />

sich durch <strong>die</strong> Nutzung verschiedener rechtlicher<br />

Kanäle aneignen kann“. 3 Damit sind<br />

nicht Rechte oder moralische Ansprüche im<br />

normativen Sinne gemeint, sondern <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

von Menschen, Güter oder Dienstleistungen<br />

zu erwerben, entweder durch Kauf oder<br />

Tausch oder durch einen juristisch anerkannten<br />

und durchsetzbaren Anspruch gegen<strong>über</strong><br />

einem Dienstleister.<br />

Der Entitlement-Ansatz bietet nützliche<br />

Erkenntnisse im Hinblick auf <strong>die</strong> unsichere<br />

Wasserversorgung, weil er <strong>die</strong> Aufmerksamkeit<br />

auf <strong>die</strong> Marktstrukturen, institutionellen<br />

Richtlinien und <strong>die</strong> strukturellen Vorgaben<br />

beim Dienstleistungsangebot lenkt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Armen<br />

ausgrenzen. Er erklärt auch <strong>die</strong> zugrundeliegenden<br />

Marktstrukturen, <strong>die</strong> dazu führen,<br />

dass arme Menschen viel mehr für ihr Wasser<br />

bezahlen als <strong>die</strong> reichen. Die Menschen erhalten<br />

Zugang zu Wasser durch Tausch in Form<br />

von Bezahlung (an Versorgungsunternehmen,<br />

informelle Anbieter oder Wasserverbände),<br />

rechtliche Ansprüche Anbietern gegen<strong>über</strong><br />

und ihre eigene Arbeit (zum Beispiel durch das<br />

Schöpfen und Nachhausetragen von Wasser<br />

aus Bächen und Flüssen oder durch das Graben<br />

von Brunnen). Ob Haushalte ihren Grundbe-<br />

ist der tägliche Kampf,<br />

an Wasser zu gelangen,<br />

eine ständige Belastung<br />

für <strong>die</strong> Ressourcen armer<br />

Haushalte 2<br />

Wasser für den <strong>menschliche</strong>n Verbrauch<br />

BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong> 103

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