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Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...

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1<br />

Die Krise der Wasser- und Sanitärversorgung beenden<br />

Der Verlust an Würde, den<br />

Frauen mit dem Mangel an<br />

Privatsphäre im sanitären<br />

Bereich verbinden, erklärt<br />

auch, warum Frauen der<br />

Sanitärversorgung mehr<br />

Bedeutung beimessen als<br />

Männer<br />

Diese Worte einer indischen Frau aus einer<br />

niedrigen Kaste erfassen das Verhältnis zwischen<br />

Wasser und Menschenwürde. Würde ist schwierig<br />

zu messen – doch sie steht im Zentrum der<br />

<strong>menschliche</strong>n <strong>Entwicklung</strong> und unseres Wohlempfindens,<br />

wie Adam Smith erkannte. In Der<br />

Wohlstand der Nationen bezog er in <strong>die</strong> „lebenswichtigen<br />

Güter“ für das Wohlergehen ein,<br />

Güter, „ohne <strong>die</strong> selbst <strong>die</strong> ärmste Person, ob<br />

Mann oder Frau, sich aus Selbstachtung scheuen<br />

würde, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen“. 48<br />

Der Zugang zu einer sicheren, hygienischen,<br />

privaten Sanitärversorgung ist einer der stärksten<br />

Indikatoren für Würde. Für Millionen<br />

Frauen weltweit ist der unzureichende Zugang<br />

eine Ursache für Scham, körperliches Unbehagen<br />

und Unsicherheit. Das Verhalten in <strong>die</strong>sem<br />

Bereich wird durch kulturelle Normen streng<br />

kontrolliert. In vielen Fällen bedeutet <strong>die</strong>s, dass<br />

Frauen nicht dabei gesehen werden sollen,<br />

wenn sie ihre Notdurft verrichten – eine Bedingung,<br />

<strong>die</strong> sie dazu zwingt, das Haus vor Sonnenaufgang<br />

oder nach Anbruch der Dunkelheit zu<br />

verlassen, um ihre Privatsphäre zu wahren.<br />

Wie eine Frau in Bangladesch es ausdrückte:<br />

„Männer können dem Ruf der Natur jederzeit<br />

folgen, … aber Frauen müssen bis zur Dunkel-<br />

heit warten, egal, was für ein Problem das für sie<br />

ist.“ 49 Die zeitliche Steuerung der Körperfunktionen<br />

ist in vielen Ländern eine Hauptursache<br />

für Leberinfektionen und akute Verstopfung.<br />

Der Verlust an Würde, den Frauen mit dem<br />

Mangel an Privatsphäre im sanitären Bereich<br />

verbinden, erklärt auch, warum Frauen der<br />

Sanitärversorgung mehr Bedeutung beimessen<br />

als Männer. Als sie in Umfragen <strong>über</strong> den<br />

Nutzen von Latrinen befragt wurden, antworteten<br />

Frauen wie Männer in Kambodscha,<br />

Indonesien und Vietnam, dass der Hauptvorteil<br />

darin bestünde, ein sauberes Zuhause und<br />

ein sauberes dörfliches Umfeld zu haben, ohne<br />

schlechte Gerüche und Fliegen. 50 Doch <strong>die</strong><br />

Frauen waren stärker dafür, Geld für Toiletten<br />

auszugeben. Sie schätzten den Wert von Toiletten<br />

im Verhältnis zu den Kosten sehr viel höher<br />

ein und betonten dabei sehr, wie vorteilhaft <strong>die</strong><br />

Privatsphäre sei. Es war auch sehr viel wahrscheinlicher,<br />

dass Frauen den Kauf von Latrinen<br />

initiierten (siehe Kapitel 3). Die Unterfinanzierung<br />

der Sanitärversorgung bei der Ressoucenallokation<br />

der Haushalte und des Staates ist<br />

daher zum Teil ein Ergebnis der Tatsache, dass<br />

Frauen bei der Festlegung von Prioritäten eine<br />

schwache Stimme haben.<br />

Die Krise trifft <strong>die</strong> Armen bei weitem am Härtesten<br />

Nationale Durchschnittszahlen verschleiern<br />

<strong>die</strong> tiefen strukturellen Ungleichheiten beim<br />

Zugang zu Wasser- und Sanitärversorgung. In<br />

vielen Ländern kommen <strong>die</strong> Ungleichheiten<br />

einem System von Wasser-Apartheid gleich, <strong>die</strong><br />

sich auf den jeweiligen Wohlstand oder Wohnort<br />

oder auf andere sich vor- oder nachteilig<br />

auswirkende Merkmale gründet. Die Ungleichheiten<br />

beim Zugang zu Wasser- und Sanitärversorgung<br />

werden umgesetzt in weiter reichende<br />

Ungleichheiten bei den Lebenschancen, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Grundprinzipien der Chancengleichheit und<br />

gemeinsamen Bürgerrechte aushöhlen.<br />

Der größte Teil des Defizits<br />

betrifft <strong>die</strong> Armen<br />

Wie stellt sich das Defizit bei der Wasser- und<br />

Sanitärversorgung im Verhältnis zur Verteilung<br />

der Armut in der Welt grafisch dar? Indem man<br />

Daten aus Haushaltserhebungen heranzieht,<br />

kann man ein ungefähres Bild der Überlappungen<br />

zwischen Armut und dem fehlenden<br />

Zugang zu einer verbesserten Wasser- und Sanitärversorgung<br />

entwickeln. Der Zusammenhang<br />

ist bei Wasser am stärksten ausgeprägt. Etwa ein<br />

Drittel der Menschen ohne Zugang zu einer<br />

62<br />

BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong>

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