Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
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gen. Die meisten sind hispanischer Herkunft,<br />
gesellschaftlich marginalisiert und sprechen selten<br />
fließend Englisch, <strong>die</strong> Sprache, in der <strong>die</strong><br />
rechtlichen Auseinandersetzungen geführt werden.<br />
Wenn es um <strong>die</strong> Umsetzung geht, ist <strong>die</strong><br />
Befähigung zur Wahrnehmung von Rechten<br />
genauso wichtig wie der Buchstabe des Gesetzes.<br />
18 Die Herausbildung privater Wassermärkte<br />
in Chile unterstreicht <strong>die</strong> komplexe Interaktion<br />
– und <strong>die</strong> potenziellen Spannungen – zwischen<br />
Effizienz- und Gerechtigkeitszielen. Der<br />
sprunghafte Anstieg der Wassereffizienz seit<br />
Mitte der siebziger Jahre ist Ausdruck der Anreize<br />
und Marktsignale, <strong>die</strong> vom Handel mit<br />
Wasserrechten ausgehen. Die Erzeuger in der<br />
Landwirtschaft und in wasserintensiven Industriezweigen<br />
wie dem Bergbau reagierten auf<br />
höhere Wasserpreise mit der Einführung neuer<br />
Technologien, darunter Tröpchenbewässerungssysteme,<br />
<strong>die</strong> für einen nachhaltigen Exportboom<br />
bei höherwertigem Obst und Gemüse sorgen.<br />
Die <strong>Entwicklung</strong> der Wassermärkte in Chile<br />
hat zweifellos <strong>die</strong> Effizienz erhöht und ein<br />
nachhaltiges Wachstum höherwertiger Agrarexporte<br />
ermöglicht. Allerdings waren <strong>die</strong> Effizienzgewinne<br />
bei der Wasserbewirtschaftung<br />
höher als <strong>die</strong> Stärkung der Zugangsgerechtigkeit.<br />
In den 1980er und 1990er Jahren führte<br />
das Fehlen wirksamer Regulierungsstrukturen<br />
zu Wassermonopolen, Marktverzerrungen und<br />
höchst ungleichen Ergebnissen. Kleinbauern<br />
wurden marginalisiert und daran gehindert,<br />
ihre Wasserrechte zu Kapital zu machen. Indigene<br />
Gemeinschaften verloren ihre Wasserrechte<br />
an Bergbaugesellschaften, <strong>die</strong> in der Lage<br />
waren, durch private Eigentumsrechte begründete<br />
Ansprüche durchzusetzen.<br />
Die 2005 in Chile verabschiedete Reform<br />
des Wasserrechts stellt den Versuch dar, <strong>die</strong>se<br />
Probleme zu <strong>über</strong>winden und das Regulierungsvakuum<br />
auf den Wassermärkten auszufüllen.<br />
Das neue Recht begrenzt <strong>die</strong> Spekulation,<br />
bricht Wassermonopole auf und schützt <strong>die</strong><br />
Kleinbauern. 19 Auch <strong>die</strong> indigenen Gruppen<br />
mobilisierten sich, um mit Hilfe des Rechtssystems<br />
ihren Ansprüchen Geltung zu verschaffen.<br />
2004 erfochten <strong>die</strong> indigenen Gruppen der<br />
Aymara und Atacemeños in Nordchile ein historisches<br />
Urteil, wonach eine gewohnheitsrechtliche<br />
Nutzung einen älteren Anspruch<br />
darstellt, der Vorrang vor späteren privaten<br />
Wasserrechten hat. 20<br />
Vorschläge für <strong>über</strong>tragbare Wasserrechte<br />
haben in der ganzen <strong>Entwicklung</strong>swelt eine<br />
intensive Debatte ausgelöst. In Indonesien, Sri<br />
Lanka und Thailand führten solche Pläne zu der<br />
Besorgnis, <strong>die</strong> Marktmacht großer Erzeuger und<br />
Industrieunternehmen würde Kleinbauern ihren<br />
Zugang zu Bewässerungswasser streitig machen.<br />
Diese Besorgnis ist durchaus gerechtfertigt.<br />
Theoretisch könnten <strong>die</strong> Verpachtung oder der<br />
Verkauf von Wasserrechten eine Einkommensquelle<br />
für arme Bauern bilden – wie <strong>die</strong>s für <strong>die</strong><br />
Farmer im Westen der Vereinigten Staaten der<br />
Fall war. Aber <strong>die</strong> Machtverhältnisse sind asymmetrisch,<br />
der Zugang zu Informationen ist ungleich<br />
und bei der Fähigkeit, Rechtsmittel in Anspruch<br />
zu nehmen, bestehen große Disparitäten.<br />
Neben <strong>die</strong>sen Problemen besteht natürlich <strong>die</strong><br />
Gefahr, dass in Krisenzeiten, <strong>die</strong> durch Dürren<br />
oder Ernteausfälle verursacht werden, <strong>die</strong> Bauern<br />
sich zu „Notverkäufen“ von Wasserrechten<br />
gezwungen sehen könnten. Dadurch würden gefährdete<br />
Haushalte ihre Wasserrechte gegen<br />
kurzfristige Geldeinnahmen eintauschen und<br />
somit verlieren.<br />
Letztlich können Wasserrechte nicht isoliert<br />
von den politischen und institutionellen<br />
Regelungsstrukturen betrachtet werden. In <strong>die</strong>ser<br />
Hinsicht sind Wassermärkte nicht anders<br />
als andere Märkte. Der Unterschied liegt darin,<br />
dass Wasser eine so entscheidende Rolle für <strong>die</strong><br />
Lebensgrundlage der Menschen und für <strong>die</strong><br />
Umwelt eines Landes spielt. Aus <strong>die</strong>sen einzigartigen<br />
Eigenschaften ergibt sich <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />
eines hochentwickelten Systems von<br />
Regeln und Institutionen, das sicherstellt, dass<br />
wichtige Ziele der öffentlichen Politik wie<br />
soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit<br />
nicht dem privaten Gewinnstreben<br />
untergeordnet werden.<br />
Für <strong>die</strong> <strong>Entwicklung</strong>sländer ist es eher unwahrscheinlich,<br />
dass private Eigentumsrechte<br />
auf Wasser einfache Lösungen für <strong>die</strong> Reallokation<br />
bieten, vor allem dann, wenn Zugangsgerechtigkeit<br />
ein politisches Ziel ist. Der Aufbau<br />
von Institutionen, Regeln und Normen zur<br />
Es muss sichergestellt<br />
werden, dass soziale<br />
Gerechtigkeit und<br />
ökologische Nachhaltigkeit<br />
nicht dem privaten<br />
Gewinnstreben<br />
untergeordnet werden<br />
5<br />
Konkurrenz um Wasser in der Landwirtschaft<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong> 229