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Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...

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Erfahrungen aus der Geschichte<br />

In der Geschichte der Menschheit entsprach<br />

das Leben weitestgehend der Beschreibung von<br />

Thomas Hobbes als „gefährlich, brutal und<br />

kurz”. Die Lebenserwartung zum Zeitpunkt der<br />

Geburt betrug bei unseren jagenden und sammelnden<br />

Vorfahren rund 25 Jahre, und im<br />

Europa der 1820er Jahre betrug sie noch immer<br />

nicht mehr als 40 Jahre. Für den glücklichen<br />

Teil der Weltbevölkerung, der in den heute reichen<br />

Ländern lebte, begann sich <strong>die</strong>ses Bild ab<br />

Ende des 19. Jahrhunderts radikal zu wandeln. 1<br />

Neue Medikamente, eine verbesserte Ernährungslage,<br />

bessere Unterkünfte und höhere Einkommen<br />

trugen allesamt dazu bei. Doch <strong>die</strong><br />

Trennung des Wassers von <strong>menschliche</strong>n<br />

Exkrementen war ein entscheidender Faktor.<br />

Was <strong>die</strong> Wasser- und Sanitärversorgung<br />

angeht, so haben <strong>die</strong> Länder tendenziell kein<br />

besonders weit zurückreichendes Gedächtnis.<br />

Heute leben <strong>die</strong> Menschen in den Städten<br />

Europas und der Vereinigten Staaten frei von<br />

Angst vor Infektionskrankheiten, <strong>die</strong> durch<br />

Wasser <strong>über</strong>tragen werden. Um <strong>die</strong> Wende<br />

zum 20. Jahrhundert hatte das Bild noch ganz<br />

anders ausgesehen. Dadurch, dass es infolge der<br />

Industrialisierung zu einer riesigen Ausweitung<br />

des Wohlstands kam, erhöhte sich das Einkommen.<br />

Doch Verbesserungen bei den wesentlicheren<br />

Indikatoren wie Lebenserwartung,<br />

Kindersterblichkeit und öffentlicher Gesundheit<br />

blieben weit dahinter zurück. Der Grund:<br />

Die Städte boten den Menschen mehr Möglichkeiten,<br />

Wohlstand anzuhäufen, doch sie<br />

setzten sie auch dem Wasser aus, das durch<br />

<strong>menschliche</strong> Abfälle verseucht war. Weil das<br />

Wasser verunreinigt war, wurden wirtschaftliches<br />

Wachstum und <strong>menschliche</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />

voneinander abgekoppelt. Erst als eine<br />

Revolution im Bereich Wasser- und Sanitärversorgung<br />

<strong>die</strong>se Verknüpfung wieder herstellte,<br />

begannen <strong>die</strong> Schaffung von Wohlstand und<br />

<strong>die</strong> <strong>menschliche</strong> Wohlfahrt Hand in Hand zu<br />

gehen (Kasten 1.1).<br />

Diese Revolution kündigte bislang nie da<br />

gewesene Verbesserungen bei der Lebenserwartung<br />

und der Überlebensquote von Kindern an<br />

– und <strong>die</strong> bessere öffentliche Gesundheit wirkte<br />

als Motor für wirtschaftlichen Fortschritt.<br />

Als sauberes Wasser und Sanitärinfrastruktur<br />

zur Verfügung standen und <strong>die</strong> Menschen<br />

gesünder und wohlhabender wurden, entstand<br />

ein positiver Rückkopplungseffekt von wirtschaftlichem<br />

Wachstum und <strong>menschliche</strong>r<br />

<strong>Entwicklung</strong>. Doch <strong>die</strong> steigende Rendite, <strong>die</strong><br />

durch Investitionen in sauberes Wasser erwirtschaftet<br />

wurde, führte auch dazu, dass <strong>die</strong> Welt<br />

in den Bereichen Wohlstand, Gesundheit und<br />

Chancen tief gespalten wurde und dass sich<br />

<strong>die</strong>se für <strong>die</strong> Welt von heute charakteristische<br />

Kluft immer weiter vergrößerte. 2<br />

Wie <strong>die</strong> ungesicherte Wasserversorgung<br />

wirtschaftliches Wachstum<br />

und <strong>menschliche</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />

voneinander abkoppelte<br />

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gehören<br />

durch Wasser <strong>über</strong>tragbare Krankheiten in den<br />

reichen Ländern der Vergangenheit an. Sehr<br />

viel weniger als ein Prozent der gesamten Sterblichkeit<br />

sind darauf zurückzuführen. Um <strong>die</strong><br />

Wende zum 19. Jahrhundert hatten Krankheiten<br />

wie Durchfälle, Ruhr und Typhus noch<br />

eine große Gefahr dargestellt. Ende des<br />

19. Jahrhunderts waren in den Städten der<br />

USA jeder zehnte Todesfall auf eine <strong>die</strong>ser<br />

Krankheiten zurückzuführen. Die Opfer waren<br />

vor allem Kinder. Die Säuglingssterblichkeit in<br />

Detroit, Pittsburgh und Washington D.C.<br />

betrug mehr als 180 Todesfälle pro 1.000<br />

Lebendgeburten – und war damit fast doppelt<br />

so hoch wie heute in Afrika südlich der Sahara. 3<br />

Chicago war <strong>die</strong> Typhus-Hauptstadt des Landes.<br />

Hier wurden pro Jahr durchschnittlich<br />

20.000 Fälle gemeldet. Auch in Großbritannien<br />

gingen ein halbes Jahrhundert nach der ersten<br />

Reformwelle im öffentlichen Gesundheitssystem<br />

vom Wasser noch immer große Gefahren<br />

aus. Die Säuglingssterblichkeit in Birmingham<br />

und Liverpool betrug mehr als 160 Todesfälle<br />

Chicago war <strong>die</strong><br />

Typhus-Hauptstadt<br />

des Landes<br />

1<br />

Die Krise der Wasser- und Sanitärversorgung beenden<br />

BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong> 37

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