Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Das Beängstigendste am Defizit bei der<br />
Sanitärversorgung ist wahrscheinlich sein schieres<br />
Ausmaß. Wie in Kapitel 1 aufgezeigt wurde,<br />
haben rund 2,6 Milliarden Menschen keinen<br />
Zugang zu angemessener Sanitärversorgung –<br />
das zweieinhalb Mal so viele, wie <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong><br />
kein sauberes Wasser zur Verfügung haben.<br />
Allein zur Umsetzung der Millenniums-<strong>Entwicklung</strong>szielvorgabe,<br />
<strong>die</strong> globale Bedarfslücke<br />
gegen<strong>über</strong> 1990 zu halbieren, müssten zwischen<br />
jetzt und dem Jahr 2015 jährlich mehr als<br />
120 Millionen Menschen an eine verbesserte<br />
Sanitärversorgung angeschlossen werden. Und<br />
selbst dann wären immer noch 1,8 Milliarden<br />
Menschen unversorgt.<br />
Wenn Menschen in den reichen Ländern<br />
an grundlegende Sanitärversorgung denken, ist<br />
ihre Sichtweise von der in Kapitel 1 dargelegten<br />
historischen Erfahrung geprägt. Fast alle<br />
Bewohner entwickelter Länder haben Zugang<br />
zu einem privaten Spülklosett, das ständig mit<br />
Leitungswasser versorgt wird – wobei sich ein<br />
Wasserhahn in unmittelbarer Nähe der Toilette<br />
befindet. Aus hygienischer Sicht ist das<br />
optimal. Die <strong>menschliche</strong>n Ausscheidungen<br />
werden hier durch Rohre in das Kanalisationssystem<br />
und von dort in Kläranlagen geleitet;<br />
damit ist sichergestellt, dass keine Krankheitserreger<br />
aus den Fäkalien in das Trinkwasser<br />
gelangen können. Außerdem ist durch <strong>die</strong> in<br />
den sanitären Anlagen vorhandenen Wasserhähne<br />
<strong>die</strong> persönliche Hygiene gewährleistet.<br />
Doch am anderen Ende des Spektrums der<br />
Sanitärversorgung sind 2,6 Milliarden Menschen<br />
dazu genötigt, sich in Plastiktüten und<br />
Eimer, auf Feldern oder in Straßengräben zu<br />
erleichtern. Würde man <strong>die</strong> Verhältnisse in den<br />
entwickelten Ländern zum Maßstab nehmen,<br />
wären noch viel mehr Menschen ohne angemessene<br />
Sanitärversorgung als <strong>die</strong> Daten der<br />
Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des<br />
Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen<br />
(UNICEF) angeben. Das globale Defizit würde<br />
in <strong>die</strong>sem Fall sprungartig von 2,6 auf etwa<br />
4 Milliarden Menschen ansteigen. 2 Die Kluft,<br />
<strong>die</strong> sich bei der Sanitärversorgung zwischen den<br />
entwickelten und den <strong>Entwicklung</strong>sländern<br />
auftut, ist ein frappierendes Beispiel für <strong>die</strong><br />
Ungleichheiten bei der <strong>menschliche</strong>n <strong>Entwicklung</strong>.<br />
Sicherlich wird es durch unzureichende<br />
Finanzmittel und technische Möglichkeiten, <strong>die</strong><br />
teilweise noch mit Engpässen bei der Wasserversorgung<br />
zusammentreffen, unrealistisch, anzunehmen,<br />
dass das Vorbild der entwickelten Länder<br />
in den <strong>Entwicklung</strong>sländern bald <strong>über</strong>nommen<br />
werden kann. Es gilt jedoch <strong>über</strong> <strong>die</strong><br />
Mindestversorgung, <strong>die</strong> zur Erfüllung der Millenniums-Zielvorgabe<br />
erforderlich ist, hinauszublicken.<br />
In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts<br />
forderten Reformer in Großbritannien, der<br />
Staat solle handeln, damit jedes Haus mit sauberem<br />
Wasser versorgt wird und eine im Gebäude<br />
gelegene Toilette erhält. Das damals postulierte<br />
Ziel ist heute, mehr als 150 Jahre später, für einen<br />
Großteil der Menschen in den <strong>Entwicklung</strong>sländern<br />
immer noch unerreichbar.<br />
Wer steht wo auf der<br />
Sanitärversorgungsleiter?<br />
Den weiten Begriff einer „verbesserten“ Versorgung<br />
kann man sich als „Leiter“ der Sanitärversorgung<br />
vorstellen, <strong>die</strong> von ganz einfachen<br />
Trockengrubenlatrinen <strong>über</strong> verbesserte Grubenlatrinen,<br />
Spüllatrinen mit Wasser und Faulgruben<br />
bis hin zu konventionellen Abwassersystemen<br />
reicht (Grafik 3.1). Will man <strong>die</strong>se<br />
Leiter hochsteigen, ist <strong>die</strong>s natürlich mit<br />
Kosten verbunden. Einen Haushalt an ein<br />
modernes Abwassersystem anzuschließen kostet<br />
etwa 20 Mal soviel wie der Kauf einer einfachen<br />
Trockengrubenlatrine.<br />
Grafik 3.1<br />
Spüllatrine<br />
Das Erklimmen der Sanitärversorgungsleiter<br />
ist mit gesundheitlichen<br />
Vorteilen verbunden, aber auch<br />
mit Kosten<br />
Geschätzte Kosten pro Person (in US-Dollar)<br />
0 200 400 600 800<br />
Tertiäre Abwasserbehandlung<br />
Kanalanschluss und sekundäre<br />
Abwasserbehandlung<br />
Anschluss an konventionelle Kanalisation<br />
Kanalanschluss mit lokaler Arbeitskraft<br />
Latrine mit Faulbehälter<br />
Belüftete verbesserte Grubenlatrine<br />
Einfache Trockengrubenlatrine<br />
Quelle: Nach Lenton, Wright und Lewis 2005.<br />
Die Kluft, <strong>die</strong> sich bei der<br />
Sanitärversorgung auftut,<br />
ist ein frappierendes Beispiel<br />
für <strong>die</strong> Ungleichheiten bei der<br />
<strong>menschliche</strong>n <strong>Entwicklung</strong><br />
3<br />
Das riesige Defizit bei der Sanitärversorgung<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong> 145