Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
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weg – politische Führungskräfte und Gruppen<br />
mit hohem Einkommen gezwungen, sich mit<br />
ihren eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen:<br />
Die Krankheit respektiert keine sozialen<br />
Trennlinien. Im Bereich der Wasser- und<br />
Sanitärversorgung sieht es ganz anders aus. Zu<br />
einem <strong>über</strong>wältigenden Teil werden <strong>die</strong> Kosten<br />
der Ausgrenzung von armen Haushalten und<br />
insbesondere von Frauen getragen. Zwar<br />
stimmt es, dass einige der Kosten auf <strong>die</strong> gesamte<br />
Gesellschaft umgelegt werden, doch <strong>die</strong> Menschen,<br />
<strong>die</strong> in den städtischen Slums und ländlichen<br />
Randgebieten leben, tragen <strong>die</strong> Hauptlast.<br />
Es sind <strong>die</strong> Kinder der Armen, nicht der<br />
militärischen Machthaber und obersten Regierungsbeamten,<br />
<strong>die</strong> das größte Risiko tragen, an<br />
Durchfallerkrankungen zu früh zu sterben. Es<br />
sind <strong>die</strong> jungen Mädchen in armen Haushalten,<br />
<strong>die</strong> mit größter Wahrscheinlichkeit zu Hause<br />
bleiben müssen und nicht zur Schule gehen<br />
können.<br />
Die Krise im Bereich der Wasser- und Sanitärversorgung<br />
ist in <strong>über</strong>wiegendem Maße eine<br />
Krise der gesellschaftlich marginalisierten<br />
Gruppen. Statt <strong>die</strong>se Krise als eine Bedrohung<br />
für <strong>die</strong> Gesellschaft als Ganzes wahrzunehmen,<br />
wird sie – wie falsch das auch immer sein mag –<br />
weitgehend als ein Problem angesehen, dass<br />
man einzäunen kann oder mit dem man sich<br />
stückchenweise beschäftigen kann. Diese Sichtweise<br />
ist eine genauso große Hürde für den<br />
Fortschritt wie Finanzen oder Technologie.<br />
Damit sich <strong>die</strong>s ändert, müssen führende Politiker<br />
Fragen der Ungleichheit und <strong>die</strong> Tatsache,<br />
dass alle gemeinsam Bürgerinnen und Bürger<br />
eines Landes sind, ins Zentrum nationaler<br />
<strong>Entwicklung</strong>sstrategien rücken – auf eine Art<br />
und Weise, <strong>die</strong> selten augenscheinlich ist.<br />
Außerdem brauchen <strong>die</strong> Armen und <strong>die</strong> Frauen<br />
unter politischen Entscheidungsträgern und<br />
Wasserversorgern eine stärkere Stimme.<br />
Auf vielen Ebenen ist offensichtlich, dass<br />
<strong>die</strong> Wasser- und Sanitärversorgung nur geringe<br />
Priorität genießt. Mit einigen wenigen beachtenswerten<br />
Ausnahmen war sauberes Wasser<br />
selten ein Thema, das auf nationaler Ebene<br />
wahlentscheidend war – und man findet kaum<br />
einen einzigen Fall, wo der Zugang zu Toiletten<br />
ein zentrales Anliegen war. Der Druck in Richtung<br />
radikaler Reformen glänzt durch Abwesenheit.<br />
Innerhalb der Regierungen liegt <strong>die</strong><br />
Verantwortung für <strong>die</strong> Wasserversorgung oft<br />
bei einem untergeordneten Ministerposten,<br />
und <strong>die</strong> Sanitärversorgung wird oft nicht als so<br />
wichtig angesehen, als dass sie <strong>über</strong>haupt einen<br />
Ministerposten ver<strong>die</strong>nen würde.<br />
In den nationalen Programmen zur Armutsminderung<br />
spiegelt sich <strong>die</strong> weit verbreitete<br />
unkritische Vernachlässigung der Wasser- und<br />
Sanitärversorgung wider. Dieser Sektor taucht<br />
selten prominent in irgendwelchen Strategiedokumenten<br />
zur Armutsbekämpfung (PRSPs)<br />
auf – den Dokumenten, in denen <strong>die</strong> nationalen<br />
Planungen dargelegt und <strong>die</strong> Kooperationsbedingungen<br />
zwischen Gebern und Empfängern<br />
von <strong>Entwicklung</strong>shilfe definiert werden.<br />
In einer Untersuchung in fünf Ländern fand<br />
sich nur ein Fall, in dem <strong>die</strong> Wasser- und Sanitärversorgung<br />
erfolgreich integriert worden war:<br />
Uganda. 64 In den meisten PRSPs werden – im<br />
Gegensatz zu makroökonomischen Reformen,<br />
Bildung und Gesundheit – <strong>die</strong> Wasser- und <strong>die</strong><br />
Sanitärversorgung geringschätzig behandelt. Es<br />
werden ihnen kaum mehr als ein paar beschreibende<br />
Abschnitte und allgemeine prinzipielle<br />
Erklärungen gewidmet, <strong>die</strong> keine Ähnlichkeit<br />
mit einer strategischen Reformagenda haben<br />
oder gar eine Finanzierung dafür vorsehen. Die<br />
Schwäche der PRSPs spiegelt wiederum das<br />
begrenzte Interesse der Geber an der Wasserund<br />
Sanitärversorgung wider.<br />
Die Zuweisung von Haushaltsmitteln verstärkt<br />
das Bild, dass <strong>die</strong> Wasser- und Sanitärversorgung<br />
vernachlässigt wird. Es gibt kaum staatliche<br />
Investitionen, <strong>die</strong> mehr dazu beitragen,<br />
<strong>die</strong> <strong>menschliche</strong> Sicherheit zu erhöhen oder<br />
Wohlstand zu schaffen, als Investitionen in <strong>die</strong><br />
Wasser- und Sanitärversorgung. Sauberes Wasser<br />
und funktionierende Toiletten gehören zu<br />
den wirksamsten Maßnahmen im Gesundheitsbereich,<br />
<strong>die</strong> Regierungen tätigen können. Hinsichtlich<br />
des Nutzens, der dadurch erzielt wird,<br />
können sie sich mit Immunisierungsprogrammen<br />
messen. Wie <strong>die</strong> Ausgaben in den Bereichen<br />
Bildung oder Gesundheit, so nutzen öffentliche<br />
Ausgaben in den Bereichen Wasser- und Sanitärversorgung<br />
einzelnen Personen wie auch der<br />
Gesellschaft. Es werden dadurch auch weiterge-<br />
In den nationalen<br />
Programmen zur<br />
Armutsminderung<br />
spiegelt sich <strong>die</strong> weit<br />
verbreitete unkritische<br />
Vernachlässigung der<br />
Wasser- und<br />
Sanitärversorgung<br />
wider<br />
1<br />
Die Krise der Wasser- und Sanitärversorgung beenden<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong> 79