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Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...

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Kasten 5.5<br />

Fabriken gegen Bauern in Westjava<br />

Die landwirtschaftlichen Erzeuger in Westjava verfügen <strong>über</strong> starke formelle Rechte auf Wasser, in denen<br />

<strong>die</strong> Rolle der Reisbauern in der kulturellen, politischen und wirtschaftlichen <strong>Entwicklung</strong> des Landes zum<br />

Ausdruck kommt. In manchen Gebieten wurden <strong>die</strong>se formellen Rechte jedoch durch <strong>die</strong> konkurrierenden<br />

Ansprüche industrieller Nutzer ausgehöhlt.<br />

Westjava hat sich zum Standort einer rasch wachsenden Textilindustrie entwickelt. Um mehr Wasser<br />

zu erhalten, schlugen <strong>die</strong> Fabriken drei verschiedene Wege ein: Genehmigungen zur Nutzung von Oberflächen-<br />

und Bewässerungswasser oder zur Entnahme von Grundwasser, <strong>die</strong> von der Regierung erteilt<br />

werden, Verhandlungen mit örtlichen Bauern <strong>über</strong> den Kauf oder <strong>die</strong> Pacht von Land, um damit Wassernutzungsrechte<br />

zu erwerben, und <strong>die</strong> Installation zusätzlicher Pumpen und Leitungen.<br />

Der erste <strong>die</strong>ser Wege, <strong>die</strong> Genehmigungen, ist von der Regierung gebilligt. Der zweite, Kauf oder<br />

Pacht von Land, ist zwar nicht durch staatliche Gesetze sanktioniert, wird jedoch innerhalb der lokalen<br />

Rechtssysteme weithin als legitimes Mittel für den Erwerb von Wasser akzeptiert. Der dritte, <strong>die</strong> Installation<br />

von Pumpen und Leitungen, ist weder durch staatliche Gesetze noch durch lokales Recht sanktioniert,<br />

ist aber angesichts der politischen Macht der Fabrikbesitzer möglich.<br />

Wie haben sich <strong>die</strong> gesetzlichen Rahmenbedingungen auf <strong>die</strong> Verteilung von Gewinnern und Verlierern<br />

ausgewirkt? Zahlreiche Unternehmen nutzten <strong>die</strong> Lücke zwischen staatlichem Recht und örtlicher<br />

Praxis, um Land zu kaufen oder zu pachten und dadurch Wasserrechte zu erwerben. Da <strong>die</strong> Fabriken<br />

Land und Wasserrechte von oberhalb gelegenen Erzeugern kauften, erhielten <strong>die</strong>se Bauern eine Entschädigung,<br />

während <strong>die</strong> unterhalb gelegenen Bauern durch geringeren Wasserdurchfluss und illegales<br />

<strong>über</strong>höhtes Abpumpen durch <strong>die</strong> Fabriken Verluste erlitten. Als Folge von Produktionsausfällen und einer<br />

zunehmend unsicheren Wasserversorgung waren viele der unterhalb gelegenen Bauern gezwungen, ihr<br />

Land zu verkaufen – und <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> entschädigt wurden, gehörten nicht zu denen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> höchsten<br />

Verluste erlitten. Das Fazit: Zwar verfügen Bauern in Indonesien sowohl nach staatlichem als auch nach<br />

lokalem Recht <strong>über</strong> <strong>die</strong> stärksten Wasserrechte, aber widersprüchliche Regulierungsstrukturen und vor<br />

allem <strong>die</strong> größere wirtschaftliche und politische Macht von Fabrikbesitzern führen dazu, dass sie häufig<br />

nicht in der Lage sind, <strong>die</strong>se Rechte zu verteidigen.<br />

Quelle: Kumia, Avianto und Bruns 2000.<br />

5<br />

Konkurrenz um Wasser in der Landwirtschaft<br />

Die Lizenzen sind nicht handelbar, und <strong>die</strong> Ergänzung<br />

der Wassernutzung auf dem Weg eines<br />

informellen Handels ist nicht möglich. Nach<br />

dem Gesetz haben Kleinbauern einen vorrangigen<br />

Zugang zu Wasser. In der Praxis hängt <strong>die</strong><br />

Wirksamkeit <strong>die</strong>ser Bestimmungen von der<br />

Kapazität der Managementinstitutionen zur<br />

Regulierung der Wasserentnahme ab. Textilfabriken<br />

in Westjava umgingen <strong>die</strong>se Regeln,<br />

indem sie inoffiziell flussaufwärts Wasserrechte<br />

kauften, wodurch manche landwirtschaftlichen<br />

Erzeuger flussabwärts ihre Existenzgrundlage<br />

verloren (Kasten 5.5). 22<br />

Aus all <strong>die</strong>sen Fällen geht hervor, dass formelle<br />

Rechte angesichts ungleicher Machtverhältnisse<br />

keine Garantie für Zugangsgerechtigkeit<br />

sind. Wenn jedoch ein solcher Rahmen mit<br />

klar definierten, ordnungsgemäß regulierten<br />

und durchgesetzten Rechten fehlt, ist <strong>die</strong> Stärkung<br />

der Wasserversorgungssicherheit noch<br />

unwahrscheinlicher. Außerdem öffnet <strong>die</strong>s <strong>die</strong><br />

Tür für einen durch Macht begründeten institutionalisierten<br />

Zugriff auf Wasser.<br />

Das Grundwassermanagement veranschaulicht<br />

<strong>die</strong>ses Problem. In vielen <strong>Entwicklung</strong>sländern<br />

ermöglichte <strong>die</strong> private Grundwasserentnahme<br />

Wassertransfers vom Land in <strong>die</strong><br />

Stadt durch unregulierte, informelle Märkte,<br />

mit manchmal verheerenden Auswirkungen für<br />

<strong>die</strong> ländliche Armut. Ein Beispiel aus In<strong>die</strong>n ist<br />

das Bewässerungssystem am Bhavani-Fluss, dessen<br />

Wasser in der Stadt Coimbatore (Tamil<br />

Nadu) durch Industrieanlagen und städtische<br />

Siedlungen extensiv genutzt wurde. Die Einkommen<br />

der Bauern, deren Grundstücke am<br />

Ende von Bewässerungskanälen lagen, wurden<br />

seit 1990 auf Grund von Wassertransfers fast<br />

halbiert. Die Verbreitung von Armut unter den<br />

bäuerlichen Haushalten stieg von drei Prozent<br />

im Zeitraum 1999/2000 auf 15 Prozent im<br />

Zeitraum 2002/03. Am schlimmsten traf es<br />

<strong>die</strong> landwirtschaftlichen Tagelöhner, <strong>die</strong> ihre<br />

232<br />

BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong>

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